«Wir müssen regionale Stärken erkennen»

In der Kulturförderung greift Basel-Stadt verstärkt auf Lotteriefondsgelder zurück. Aktuelle Beispiele sind die Filmförderung und die Impulsprojekte. Kulturchef Philippe Bischof begründet diese Entscheide.

Sucht neue Lösungen für die Kulturförderung: Philippe Bischof. (Bild: Børje Müller-Nolasco)

In der Kulturförderung greift Basel-Stadt verstärkt auf Lotteriefondsgelder zurück. Aktuelle Beispiele sind die Filmförderung und die Impulsprojekte. Kulturchef Philippe Bischof begründet diese Entscheide.

Anfang April muss der Basler Grosse Rat darüber befinden, ob er die Fördermittel für den Film erhöhen will. Einerseits sollen dafür die Staatsbeiträge verdreifacht werden von heute 300’000 auf 900’000 Franken, andererseits soll auch ein Zustupf in Höhe von einer Million aus dem Swisslos-Fonds neu dazu kommen. Mit Geldern aus dem Baselbiet wären es dann insgesamt 2,75 Millionen, die den Basler Filmschaffenden jährlich neu zur Verfügung stünden.

Ebenfalls aus dem Swisslos-Fonds kommen neuerdings Gelder, die von Institutionen beantragt werden können, die bereits Staatsbeiträge erhalten. Was früher ausgeschlossen war, ist nun unter dem Titel «Impulsprojekte» möglich. Warum greift der Kanton plötzlich verstärkt auf den Lotteriefonds zurück? Und weshalb sind diese neuen Fördergefässe nötig? Philippe Bischof, Leiter Abteilung Kultur Basel-Stadt, nimmt Stellung.

Seit 2012 das aktuelle Kulturleitbild vorgestellt wurde, redet man von «Leuchtturmpolitik». Nach den jüngsten Sparmassnahmen fragt man sich nun, ob diese jetzt verstärkt umgesetzt wird: Bei den bestehenden Subventionen wird eingeschränkt – gleichzeitig werden aber auch neue Leuchttürme geschaffen, etwa in der Filmförderung.

Der Begriff Leuchtturmpolitik taucht immer wieder auf, auch schon längst vor dem Kulturleitbild. Er ist vage, ich mag ihn nicht besonders, aber er besagt etwas Wichtiges, nämlich dass man gewissen Kulturinstitutionen eine besondere Kraft geben will, welche die anderen mitziehen kann. Kunst braucht deren Öffentlichkeit und Aufsehen. Davon profitieren indirekt auch die Off-Szenen. Die Wirkungen der verschiedenen Akteure und Institutionen des Kulturlebens sind ja ohnehin stärker miteinander verbunden als man denkt. Je erfolgreicher etwa das Theater Basel oder die Kaserne Basel sind, umso besser steht die gesamte Basler Theaterlandschaft da. Jede Stadt braucht hervorragende Akteure mit Strahlkraft. Und diese brauchen wiederum entsprechende Mittel.

Die man woher nimmt?

Sie sind ja im Moment noch da! Wenn sie aber knapp werden, wäre es sehr einfach und populär zu sagen, man setzt sich schützend für die Kleinen ein und nimmt dafür den Grossen etwas weg – was dann aber wiederum schnell bei jenen zu Strukturproblemen führen würde. Unsere Kulturpolitik setzt sich dennoch stark dafür ein, die kleinen Strukturen zu schützen, für die eine Staatsbeitragskürzung oder -streichung existenziell wäre. Meiner Meinung nach ist uns das auch bei den Sparmassnahmen für die Jahre ab 2016 gelungen – mit Ausnahme vielleicht beim Sportmuseum.

Ein neuer «Leuchtturm» soll die Filmförderung werden. Die Gelder dafür sollen aber nicht nur aus dem regulären Subventionstopf kommen, sondern auch aus dem Swisslos-Fonds – weil man nicht die anderen Bereiche dafür bluten lassen wollte?

Nein. Man darf Sparten nicht gegeneinander ausspielen. Daher möchten wir die Filmförderung sowohl auf regulären Budgetmitteln wie auf Swisslos-Mitteln aufbauen. Grundsätzlich müssen wir regionale Stärken erkennen und sehen, was wir uns leisten können. Basel hat seine traditionellen Stärken in der Kunst, im Theatralen, in der Musik. Wir müssen beispielsweise nicht auch noch Comic-Stadt werden, denn da sind andere Städte stärker. Aber wir haben festgestellt, dass der Film, insbesondere der Basler Dokumentarfilm, schon länger in einer sehr fruchtbaren Kreationsphase ist mit vielversprechenden etablierten und jüngeren Akteuren, die weit überregional wahrgenommen werden.

Auch ein weiteres neues Projekt, das sogenannte «Impulsprogramm» läuft über den Swisslos-Fonds. Stösst das reguläre Budget an eine Grenze?

Grundsätzlich ist das Kulturbudget bei uns in den letzten Jahren im Rahmen des üblichen Wachstums aufgestockt worden. Gleichzeitig wachsen die Bedürfnisse überdimensional, gemessen an den budgetären Spielräumen, die wir haben, weshalb wir an natürliche Grenzen stossen. In der Swisslos-Verordnung ist vorgesehen, dass wir sogenannte «Schwerpunktprojekte» fördern können. Darunter laufen nun etwa die Impulsprojekte, für die subventionierte Institutionen Vermittlungsprojekte eingeben können – sofern diese nichts mit ihrem Kernauftrag zu tun haben und eine inhaltliche und zielgruppenbezogene Ergänzung bieten.

Welche Idee steckt da dahinter?

Die Vermittlungsaufgabe der Institutionen ist für uns seit Jahren von grosser Bedeutung, denn die Frage nach neuen Publika und Zielgruppen beschäftigt uns sehr. Mit den beschränkten Mitteln, welche die Museen und andere Institutionen haben, ist es schwierig, auch noch neue Felder wie jene im Bereich der Vermittlung zu beackern – vor allem solche, die das Risiko bergen, dass man damit scheitert: Wenn die finanziellen Mittel knapp sind, investiert man verständlicherweise weniger in solche Projekte. Aus diesem Grund haben wir die Impulsprojekte initiiert, denn die Erschliessung neuer Zielgruppen ist eine explizite kulturpolitische Aufgabe. Eine kulturpolitische Forderung ist schliesslich auch die Öffnung und Auseinandersetzung mit den veränderten Gesellschaftsstrukturen.

Und warum läuft die Aufstockung der Filmförderung über Swisslos-Gelder?

Das neue Fördermodell sieht sowohl eine Erhöhung aus dem regulären Budget als auch eine Förderung aus Swisslos-Mitteln vor. Denn die Mittel, die eine substanzielle Filmförderung heute braucht, um nachhaltig und impulsgebend agieren zu können, können aus dem regulären Budget allein gar nicht geleistet werden. Wir haben uns umgeschaut: In Bern werden für die Filmförderung jährlich drei Millionen bereitgestellt, der überwiegende Teil davon kommt aus Lotteriefondsmitteln. In der Romandie wird ein Drittel des Filmförderbudgets aus der Loterie Romande finanziert.

Da gibt es also konkrete Vorbilder.

Ja, wir wollten ein Filmförderungsmodell, das mit der Bundespraxis und mit den anderen Förderregionen kompatibel ist, keine Insellösung. Was die Finanzierungsstruktur angeht, haben wir schnell festgestellt, dass wir ohne Swisslos-Mittel gar nicht seriös planen können. Es ist somit eine Zusammenführung von Analysen und budgetären Realitäten, die dazu geführt hat, dass wir beim Film zugleich eine Budgeterhöhung beantragen und eine Vereinbarung mit den Swisslos-Fonds beider Basel treffen möchten.

«In der Filmförderung ist man an eine Grenze gestossen. Das ist aus dem regulären Budget nicht machbar.»

Daneben gibt es aber doch noch reguläre Subventionen für den Filmbereich. Was wird denn nun mit welchem Geld gefördert?

Ich vertrete die Überzeugung, dass der Staat den kulturellen Grundförderauftrag aus dem ordentlichen Budget leisten muss. Sobald man beginnt, diesen an den Swisslos-Fonds zu übertragen, wird es staatspolitisch fragwürdig. In unserem Modell soll es daher so sein, dass die Basisförderung, etwa Nachwuchsförderung, Treatmentförderung und die Produktion von kleineren bis mittleren Filmen, aus dem ordentlichen Budget bestritten werden soll. Aus dem Swisslos-Fonds würden ausgewählte Schwerpunkt- beziehungsweise Grossprojekte substanziell gefördert. Damit soll ihnen eine nationale Dimension und Chance auf eine internationale Ausstrahlung gegeben werden.

Dafür würde ein jährlich fixer Maximalbetrag zur Verfügung gestellt?

Genau. Dieser wird aber nur dann ausgeschöpft, wenn sich entsprechende Projekte mit grossem Potenzial dafür bewerben. Beim Swisslos-Fonds besteht ja keine Verpflichtung, die Mittel auszugeben, man kann sie ausgeben.

Der Eindruck, dass das Kulturbudget an eine Grenze stösst, ist also falsch?

Im Fall Filmförderung ist man auf jeden Fall an eine Grenze gestossen, wie gesagt. Das ist aus dem regulären Budget nicht machbar. Ausser man würde eine radikale Entscheidung treffen und auf etwas anderes verzichten. Aber auf welchen Bereich will Basel in der Kultur verzichten? Wir leisten uns zu Recht eine grosse kulturelle Vielfalt und haben ein entsprechend stolzes Kulturbudget. Damit müssen wir umsichtig umgehen.

«Im Vergleich mit Zürich oder Bern hat das Basler Filmschaffen viel schlechtere Bedingungen und kann nicht konkurrenzfähig produzieren.»

Was war denn überhaupt der Grund für den Entscheid, dass man bei der Filmförderung vorwärts machen muss?

Das grosse Potenzial und die sehr unbefriedigende heutige Situation. Wir haben mit Freude beobachtet, dass es in der Region interessante junge Regisseure und Regisseurinnen gibt – ob Anna Thommen, Ramòn Giger, Michael Koch oder Jeshua Dreyfus. Es sind junge Filmschaffende, die sehr gute Kinofilme machen und auf eine Art in den Markt vorstossen, die populär und relevant ist. Sie können heute von uns nicht wirklich seriös aufgebaut werden, denn für kontinuierliche Produktionen fehlen zurzeit die Mittel. Wir dürfen kulturpolitisch die Chance nicht verpassen, diese jungen Künstlerinnen und Künstler nachhaltig zu unterstützen, damit nicht wieder dasselbe passiert wie bei der älteren Generation, die abgewandert ist, weil die Rahmenbedingungen fürs Filmschaffen in Basel keine Existenz ermöglichen. Es ist der Vergleich mit Zürich oder Bern, der uns bewusst gemacht hat, dass das Basler Filmschaffen viel schlechtere Bedingungen hat und nicht konkurrenzfähig produzieren kann. Aus kultureller Optik gilt es zu betonen, dass das Filmische heute auch in Basel eine sehr grosse Rolle spielt, vor allem im Bereich Dokumentarfilm, Experimentalfilm oder in der bildenden Kunst. Film wirkt heute weit aus dem Kino hinaus und spricht ein sehr breites Publikum an, durch alle Generationen, auf vielen Kanälen und auf höchstem Niveau.

Heisst das, dass auch Kunstfilme künftig über das Filmbudget gefördert werden?

Genau. Wir wollen keinen Filmkredit in Form einer ausschliesslichen Filmförderung. Basel soll auch weiterhin in der bisherigen Vielfalt fördern, Experimental- und Kunstfilm sowie Video- und Medienkunst eingeschlossen.

Was geschieht dann mit dem heutigen Audivision- und Multimediakredit?

Der würde weitergeführt und entsprechend den aktuellen Tendenzen ausgerichtet. Nur die Fotografie wird wohl nach einer Übergangsphase in den Kunstkredit integriert werden. Es ist der Reiz des Basler Modells, dass wir Film und Audiovision als transdisziplinäres Feld definieren. Das ergibt eine Nachbarschaft von Akteuren, die ich künstlerisch als sehr wichtig empfinde. Viele junge Kunst- und Filmschaffende wechseln heute mühelos zwischen den Kontexten und zeigen ihre Filme oder Videos sowohl in Ausstellungen als auch an Filmfestivals. Die Zürcher Filmstiftung und das Bundesamt für Kultur denken zurzeit intensiv darüber nach, wie sie ihre Förderformate der aktuellen Situation der Digitalisierung und den aufkommenden neuen Formen des audiovisuellen Erzählens anpassen können. Basel hat mit seinem traditionell breit angelegten Förderkonzept hier inhaltlich einen Vorsprung, finanziell aber einen grossen Nachholbedarf. Es bietet sich hier eine riesige Chance für Basel, die wir nicht verpassen sollten.

Wie hoch sind die beim Swisslos-Fonds eingestellten Maximalbeträge für die neuen Projekte?

Er liegt bei 300’000 Franken für die Impulsprojekte, bei der Filmförderung ist es maximal eine Million. Diese soll durch eine halbe Million aus dem Swisslos-Fonds Baselland ergänzt werden.

Gibt es noch weitere neue Schwerpunktprojekte, die sich auf den Swisslos-Fonds beziehen?

Mir sind keine bekannt.

Trotzdem kommt immer wieder mal etwas Neues dazu, das gefördert werden will…

Hoffentlich, die Kulturlandschaft soll ja in Bewegung bleiben! Ich erinnere aber daran, dass wir auch Subventionen beendet haben. Und ich finde grundsätzlich beides wichtig: Selbstverständlich muss man für mehr Mittel kämpfen. Aber man muss auch seine Hausaufgaben machen und entweder umverteilen, umstrukturieren oder neue Akzente setzen. Und man muss beobachten und erkennen, dass sich Förderbedürfnisse verändern können, sei es, weil eine Institution nicht mehr dieselbe Bedeutung und Wirkung hat, weil sich neue künstlerische Formen entwickeln oder aber weil sich die Gesellschaftsstruktur verändert.

Nächster Artikel