«Wir wollten keinesfalls Züri Ost sein»

Mit «Tubel Trophy» gelang der Zürcher Band Baby Jail vor 20 Jahren ein Kult-Hit. Heute Abend spielt sie auf dem Floss, als kleine Einstimmung das Interview mit Sänger Boni Koller nach der Wiedervereinigung Ende 2012.

Wieder vereint: Baby Jail mit Boni Koller (2.v.r). (Bild: zVg)

Mit «Tubel Trophy» gelang der Zürcher Band Baby Jail vor 20 Jahren ein Kult-Hit. «Wir waren nicht die unpolitischen Clowns, als die uns manche sahen», sagt Boni Koller im Interview. Der Sänger spricht über die Anfänge in den bewegten 80ern und die Rückkehr im Jahr 2012.

Boni Koller, Baby Jail stehen nach 18 Jahren wieder zusammen auf der Bühne. Ist Ihnen das Geld ausgegangen?

Nein, das Geld war nicht der Grund für die Reunion. Wir wurden nach unserer Auflösung immer wieder für Konzerte angefragt, doch lohnte sich der Aufwand für Einzelanlässe nicht. Dennoch blieb das Interesse der Veranstalter konstant – und als wir wieder Lust verspürten, entschieden wir uns, gleich eine richtige Tour zu machen. Wir sahen uns ja immer in erster Linie als Live-Band.

Baby Jail wurden 1985 in Zürich gegründet und liessen mit ihren wortwitzigen und satirischen Texten aufhorchen. So wurde etwa «Jede Tag» (1989) ein Kultsong, worin sie über einer simplen Blockflötenmelodie lakonische Zeilen wie diese sangen:

«Ich und du, du und ich
gönd hüt zäme uf de Schtrich
Ich mues zahle, du chunnsch über
nachher schtimmt de Chole wieder»

Den grössten Erfolg verbuchten Baby Jail 1992 mit «Tubel Trophy». Ihre Abrechnung mit einem rassistischen Stammtischproleten wurde zum Chartserfolg. 1994 lösten sie sich auf, danach rief Sänger Boni Koller die Familienband Schtärneföifi und die Hip-Hop-Karikatur Allschwil Posse ins Leben.

Das spürt man auch in «Heute und danach» heraus, dem neu erschienen Buch über die 80er-Jahre in der Schweiz. Darin sind auch Baby Jail einige Seiten gewidmet. Was auffällt: Die Band schien damals zwischen Stuhl und Bank zu fallen; zu schräg für die Popper und rasch zu erfolgreich für die Punks. Trifft das zu?

Ein Stück weit, ja. Ich machte zwar die AJZ-Bewegung in Zürich mit, der Geist war auch bei Baby Jail spürbar. Als wir loslegten, waren wir etwa keineswegs geübte Musiker, sondern einfach experimentierfreudig. Aber wir wurden bald schon im Radio gespielt, lange vor «Tubel Trophy», hatten Erfolg, was bei einigen Leuten verpönt war. Dabei hatten wir uns klar gegen Mundartrock entschieden, spielten mit Sprachen und Instrumenten und wollten keinesfalls «Züri Ost» sein.

Wie erklären Sie sich denn den Erfolg rückblickend?

Wir machten das, worauf wir Lust hatten – und das wiederum übertrug sich auf das Publikum. So spielten wir auch mal einen Schlager, hatten den Punkgeist verinnerlicht – und kombinierten das mit Folklore-Instrumenten. Diese Mischung machte es zwar für manche schwer, uns einzuordnen, wurde aber schliesslich zu einem Markenzeichen von Baby Jail. Unser Unterhaltungswert war gut, egal, wo wir spielten. Wir machten auch immer mal wieder Gratiskonzerte zum Füllen irgendeiner Solidaritätskasse und spielten für einen Teller Chili con Carne. Wir waren nicht die unpolitischen Clowns, als die uns manche vielleicht sahen.

Der Auflösung vor 18 Jahren war die private Trennung von Bassistin Bice Aeberli und Ihnen vorausgegangen. Ein Beweis dafür, dass Beziehungen innerhalb von Bands eine schwierige Sache sind?

Wir hatten zusammen zwei kleine Kinder, und dieses Familienleben mit den Konzerten unter einen Hut zu bringen, wurde immer schwieriger. Ich hätte natürlich ohne Bice weitermachen und neue Leute suchen können, aber dazu fehlte mir damals die Lust. Heute stehen wir wieder gemeinsam auf der Bühne, ohne dass wir auch noch privat ein Paar sind. So funktioniert es in einer Band vermutlich längerfristig schon besser…

Nach dem Ende von Baby Jail, 1994, riefen Sie zwei neue Bands ins Leben. Einerseits das satirische Hip-Hop-Duo Allschwil Posse. Um diese ist es ruhig geworden.

Ja, weil Bubi Rufener, mein Mitrapper aus Bern, Stimmprobleme hatte und wir daher pausieren musste. Aber wir haben uns nicht aufgelöst.

Andererseits singen Sie seit Anfang an bei Schtärneföifi mit. Zwangen Sie diese Gruppe nun zu einer Pause, zu Gunsten der Reunion von Baby Jail?

Nein, die Tour mit Baby Jail kam in diesem Jahr einfach dazu. Was zur Folge hatte, dass ich an manchen Wochenenden zwei Konzerte pro Tag gab, nachmittags ein Familienkonzert mit Schtärneföifi und am Abend eines mit Baby Jail.

Welche Unterschiede fielen Ihnen dabei auf?

Die Routine ist bei Schtärneföifi natürlich grösser – und der Zeitaufwand kleiner. Ein Konzert mit Baby Jail steht oft für einen Zwölfstundentag: Heute etwa fahren wir am Nachmittag ab, Richtung Basel. Nach dem Soundcheck warten wir auf unseren Auftritt – in der Kaserne spielen vor uns noch «Min King» aus Schaffhausen – stehen dann bis circa Mitternacht auf der Bühne und sind morgens um drei, vier Uhr wieder zu Hause. Verbringen also an einem Konzerttag viel Zeit im Rock’n’Roll-Wartesaal. Bei Schtärneföifi findet alles nachmittags statt und geht schneller über die Bühne.

Und was dürfen wir live von Baby Jail erwarten? Eine reine Nostalgieshow?

Nein. Dann wäre klar gewesen, dass das eine einmalige Sache ist – und wir frühestens in fünf Jahren noch einmal über Baby Jail reden könnten. Aber wir haben drei neue Lieder veröffentlicht, darunter «Zemäntfabrik», das wir zum 25-Jahr-Jubiläum von Lux-Noise als Vinylsingle herausgebracht haben.

Das Ende der Reunion ist also nicht in Sicht?

Nein, wir spielen bis Januar Konzerte, machen dann ein halbes Jahr Pause und haben vor, bis zum Spätsommer weitere Lieder aufzunehmen. Gut denkbar also, dass daraus ein neues Album hervorgehen wird. Die aktuellen Konzerte verleihen uns derzeit eine Energie, die wir auch in den Übungsraum mitnehmen.

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