Prächtige Werke, schmutzige Geschäfte: Der Kunsthandel geniesst keinen besonders guten Ruf. Die unabhängige Juristin Monika Roth geht dem seit Langem nach. Sie fordert, dass die Branche mehr Verantwortung übernimmt.
Während die Wirtschaft lahmt, schwimmt der Kunstmarkt im Geld. Allein der Auktionsmarkt ist in den letzten zehn Jahren um rund 300 Prozent gewachsen, und an den Kunstmessen hält der Kaufrausch ungebrochen an. Aus welchen Quellen der Mammon stammt, ist kaum ein Thema. Die Branche müsse endlich Verantwortung übernehmen und griffige Regularien einführen, fordert Monika Roth, Anwältin, Dozentin und Vizepräsidentin am Strafgericht Baselland.
Frau Roth, Berichte über korrupte Kunsthändler, zwielichtige Sammler und manipulierte Preise häufen sich – ist der Kunstmarkt wirklich so schlecht wie sein Ruf?
Der internationale Hype und die hohen Preise haben den Kunstmarkt populär gemacht. Wo viel Geld und Glamour zu finden sind, lauern auch spannende Geschichten. Dass aber selbst führende Auktionshäuser, Galerien und Sammler manipulative Methoden anwenden, ist keine Erfindung der Medien. Im Rahmen von Strafverfolgungen kommen regelmässig solche Fälle ans Tageslicht, und Studien der Schweizer Behörden haben aufgezeigt, wie anfällig der Kunsthandel für Finanzdelikte wie Steuerbetrug oder Geldwäscherei ist.
Warum ist der Kunsthandel derart attraktiv für krumme Geschäfte?
Weil sehr viel Geld im Spiel ist. Zudem ist der Markt verschwiegen und intransparent. Wie die Preise entstehen, wer die Käufer und Verkäufer sind, woher die Bilder stammen und wer der wahre Eigentümer ist, bleibt oft geheim. Dazu gibt es Interessenkonflikte: Viele Beteiligte spielen mehrere Rollen, treten gleichzeitig als Sammler, Händler, Experten oder Ausstellungsmacher in Erscheinung. All dies begünstigt Manipulationen.
In den sogenannten Panama Papers tauchen auch alte Bekannte aus dem Kunstbusiness auf, etwa Thyssen-Bornemisza, Wang Zhongjun, Marina Ruiz-Picasso oder Helly Nahmad. Das dürfte Sie ja nicht überrascht haben.
Ich bin höchstens überrascht, dass man so überrascht ist. Eigentlich weiss man ja, wie das Business funktioniert. Viele grosse Sammlungen sind in Briefkastenfirmen «verpackt». Das ist grundsätzlich nicht illegal. Wenn Sie einen Trust haben, werden Sie sogenannte Underlying Companies gründen, zum Beispiel je eine für ihre Oldtimer-, Uhren- oder Kunstsammlung. Mit dem Verkauf der Aktien einer solchen Underlying Company wechselt dann die ganze Sammlung den Besitzer, ohne dass publik wird, wer der wirtschaftlich Berechtigte ist. Der geleakte Finanzdienstleister Mossack Fonseca ist nur einer von vielen Dienstleistern für Briefkastenfirmen. Von vielen anderen werden wir nie erfahren.
Helly Nahmad sass wegen Finanzdelikten in den USA bereits ein Jahr im Gefängnis. Als Aussteller an der Art Basel hat er offenbar nichts zu befürchten – er ist auch dieses Jahr wieder dabei.
Da fehlen mir die Worte. Zumal auch in der Schweiz gegen ihn derzeit ein Verfahren der Bundesanwaltschaft läuft wegen Geldwäscherei und Zugehörigkeit zum organisierten Verbrechen. Konten im Umfeld der Familie wurden gesperrt. Die Messe Schweiz (MCH Group) ist ein börsenkotiertes Unternehmen, das zu 49 Prozent der öffentlichen Hand gehört. Trotz Unschuldsvermutung hat sie eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und müsste ein Interesse daran haben, die Integrität der Art Basel und ihren Ruf zu wahren.
Es ist aber ein unabhängiges Komitee, nicht der Staat, der die Galerien nominiert.
Das ist richtig, doch hätte die Messe das Recht, rechtskräftig verurteilte Galeristen auszuschliessen. Der Messeleitung scheint die Reputation des Galeristen weniger wichtig zu sein als dessen Angebot an hochkarätiger Kunst. Mit der einflussreichen Familie Nahmad will man es sich offenbar nicht verscherzen.
Die Sammlung Nahmad wurde 2011 im Kunsthaus Zürich gefeiert, ohne dass die Herkunft der Bilder ein Thema gewesen wäre.
Ja, alle haben brav mitgespielt, inklusive der Medien und insbesondere des Feuilletons. Da fehlt es an Unrechtsbewusstsein bei allen Beteiligten. Ich erwarte von den grossen Playern, dass sie die Standards setzen hinsichtlich Sorgfaltspflichten und nur noch Geschäftsbeziehungen mit Sammlern und Galerien pflegen, die sich bestimmten Mindeststandards verpflichten. Viele Schweizer Kunstinstitutionen spielen in der Champions League und hätten die Möglichkeit, Dinge zu verändern. Stattdessen verschliessen sie selbst bei offenkundigen Ungereimtheiten Augen und Ohren.
Ein Beispiel?
Das Werk «Nativité» von Paul Gauguin, das im Dezember in der Fondation Beyeler ausgestellt war: Als Leihgeber war eine Stiftung auf Haiti angegeben, registriert mit niederländischer Rechtsform. Da wurde ich stutzig, und nach einigen Recherchen war mir klar: Diese Stiftung gibt es so nicht. Ich habe die Fondation diesbezüglich angefragt, stiess aber auf eine Mauer des Schweigens. Ein Journalist hat herausgefunden, dass die Galeristen-Familie Wildenstein hinter der Leihgabe steht – eine Familie, die sich in Frankreich mit massiven Steuernachforderungen von 550 Millionen Euro konfrontiert sieht. Leihgaben sind ein attraktiver Weg, um ein Werk bekannt zu machen und den Wert zu steigern. Für mich ist es unverständlich, wie ein renommiertes Museum nicht in der Lage sein soll, eine korrekte Eigentümernennung vorzunehmen.
«Der Markt besteht aus einem kleinen Kreis von Superreichen, Hedge-Fonds-Managern, Investoren. Da alle im selben Boot sitzen, sind auch Klagen relativ selten.»
An der Kunstgesellschaft scheinen die Skandale abzuperlen – warum?
Das liegt daran, dass der Markt relativ klein ist. Der Vertreter eines Auktionshauses hat gesagt, 4500 Personen seien für 80 Prozent der Käufe und Verkäufe verantwortlich. Der Markt besteht aus einem kleinen Kreis von Superreichen, Hedge-Funds-Managern, Investoren. Da alle im selben Boot sitzen, sind auch Klagen relativ selten – man einigt sich lieber hinter verschlossenen Türen.
Das Schweigegelübde hält zum Glück nicht immer. Wenn sich die Kunstmächtigen vor Gericht bekämpfen, kommen oft unglaubliche Dinge zum Vorschein.
Ja, wie beim Fall Helge Achenbach, der als Kunstberater unter anderem einen Aldi-Erben im grossen Stil hintergangen hat. Oder der russische Milliardär Dimitri Rybolovlev, der den Genfer Zollfreilager-König Yves Bouvier auf eine Milliarde Dollar verklagt hat. Bouvier soll dem Oligarchen Werke zu überhöhten Preisen verkauft haben, wobei er sich als Mittelsmann ausgab, obwohl er oft selbst der eigentliche Verkäufer war. Der Fall beschäftigt auch die Strafverfolgungsbehörden. Die riesige Sammlung lagerte zunächst im Zollfreilager Genf; Rybolovlev soll sie nun nach Zypern transferiert haben.
Welche Rolle spielen diese diskreten Schweizer Kunstdepots, die Sie in Ihrem Buch «Wir betreten den Kunstmarkt» besonders an den Pranger stellen?
Zollfreilager sind definitionsgemäss Warenlager, in denen unverzollte und unversteuerte Waren zwischengelagert werden. Sie sollen die internationale Güterverteilung erleichtern. Dem Kunsthandel dienen sie in Wirklichkeit als riesiger Safe, wo Werke zeitlich unlimitiert eingelagert werden. Werke können vielfach den Besitzer wechseln, ohne dass jemand davon erfährt. Das Zollfreilager Genf ist diesbezüglich besonders engagiert. Niemand weiss, welche Schätze dort schlummern. Aber allein die Flächen, die Yves Bouvier nutzt, sind gigantisch.
Ganz ohne Kontrolle sind die Lager nicht: Seit Einführung des Kulturgütertransfer-Gesetzes gibt es sogar eine Inventarpflicht.
Das stimmt, aber um wirksam zu kontrollieren, bräuchte die Zollverwaltung deutlich mehr und vor allem geschultes Personal. Eine Sprecherin der Eidgenössischen Zollverwaltung hat kürzlich gesagt, dass der Zoll zwar an der Person des wirtschaftlich Berechtigten interessiert sei. Wenn es sich aber um mehrere Personen oder um komplexe Firmenkonstrukte handle, gehe man dem nicht nach. Das ist doch eine Bankrotterklärung – je komplexer die Strukturen sind, desto genauer müsste man hinsehen!
«Die Schweiz hat als Kunsthandelsplatz einen Ruf zu verlieren; darum wäre sie dafür prädestiniert, mit gutem Beispiel und griffigen Standesregeln voranzugehen.»
Sind die Behörden mit der Kunstkriminalität generell überfordert?
Das ist sicher ein Punkt. Wie soll ein Beamter wissen, ob der Preis dem Wert des Kunstwerks entspricht? Wie soll er zwischen Original und Fälschung unterscheiden? Darum bin ich der Meinung, dass es die Branche selber ist, die sich Standesregeln verpflichten muss. Eine solche Initiative für Selbstregulierung wurde 2012 vom Basel Institute of Governance ausgearbeitet, scheiterte aber am Widerstand der Branche. Vielleicht schoss der Vorschlag übers Ziel hinaus, aber als Diskussionsgrundlage ist er für mich immer noch sehr valabel und aktuell.
Wobei die Branche durchaus Standesregeln kennt …
… die aber viele Themen gar nicht behandeln, so etwa Interessenkonflikte und Marktmanipulationen. Hinsichtlich Geldwäscherei werden zwar Kunden identifiziert, und es fliesst angeblich kein Geld auf Nummernkonti. Doch woher jemand sein Geld hat, interessiert nicht. Es gibt Beispiele von Potentaten, die an Auktionen schamlos auf Einkaufstour gehen, während man am selben Tag in der Zeitung lesen kann, wie sie die Staatskassen geplündert haben. Bei uns wird jeder kleine Drogenhändler, der Geld per Western Union in seine Heimat transferiert, auch wegen Geldwäscherei verurteilt. Da stimmt doch etwas nicht.
Offenbar kommt die Justiz an die grossen Fische nicht heran?
Doch, ich glaube schon. Man muss aber wollen. Wie jetzt gerade im Fall der malaysischen Regierung, wo die Bundesanwaltschaft mehrere Konten im Zusammenhang mit der Plünderung eines Staatsfonds gesperrt hat. Auch die Behörden in Singapur, Hongkong und den USA ermitteln. Internationale Verbündete sind sicher wichtig, doch jemand muss den Anfang machen. Die Schweiz hat als Kunsthandelsplatz einen Ruf zu verlieren; darum wäre sie dafür prädestiniert, mit gutem Beispiel und griffigen Standesregeln voranzugehen.