Der Anfang war nicht ganz einfach, doch inzwischen ist Yann Sommer im Tor von Borussia Mönchengladbach eine unbestrittene Grösse. Im Interview spricht der ehemalige Goalie des FC Basel über die Umstellungen, die der Umzug nach Deutschland mit sich gebracht hat, über seine coole Wohnung in Düsseldorf und seinen neuen Gitarrenlehrer.
Im Sommer 2014 hat es ihn nach Norden gezogen, an den Niederrhein zu Borussia Mönchengladbach. Beim FC Basel war Yann Sommer zuvor nach kurzer Annäherungsphase zum Liebling der Massen geworden, hatte sich vom zurückhaltenden Jungen aus dem Club-Nachwuchs zur Führungspersönlichkeit entwickelt. In Basel war er der Mann, der einen Cupfinal mit seiner Zunge entscheiden kann und sich in der Werbung zur Freude der Damen- und wohl auch Herrenwelt lasziv durch das Nivea-Shampoo-nasse Haar streicht – mit nacktem Oberkörper versteht sich.
Doch diesen Status hat der heute 26-Jährige hinter sich gelassen, als er sich aufmachte, die deutsche Bundesliga zu erobern. In Gladbach, da war er zunächst bloss ein unbekannter Schweizer, der in die grossen Fussstapfen seines Vorgängers Marc-André ter Stegen treten musste, der sich in Richtung FC Barcelona verabschiedet hat – und dort einen schwereren Stand hat.
Der Anfang war entsprechend nicht ganz einfach, jede kleine Unsicherheit Sommers wurde argwöhnisch registriert. Doch inzwischen gibt es da nichts mehr zu beäugen. Sommer ist angekommen in Gladbach. Die Mannschaft ist noch im DFB-Pokal und der Europa League vertreten und hat in der Liga die Chance, sich einen Platz in der Champions League zu erspielen.
Und was für Yann Sommers persönliches Wohlbefinden fast ebenso wichtig ist: Er hat inzwischen in Düsseldorf auch einen Gitarrenlehrer gefunden.
Yann Sommer, Sie stehen seit Ihrem Wechsel ohne Unterbrechung im Tor von Borussia Mönchengladbach und haben in 20 Bundesliga-Partien gerade 17 Gegentreffer kassiert. Das ist die zweitbeste Bilanz nach Bayern München. Haben Sie sich Ihren Einstand derart reibungslos vorgestellt?
Ich bin ganz relaxt an diese neue Situation herangegangen, hab mir gesagt: Arbeite so wie immer, dann wird auch die Zeit kommen, in der du da ankommst. Dass wir jetzt auch so einen gelungenen Start in die Rückrunde hatten, ist natürlich umso besser.
Wie schnell kommt man als Neuling in eine gewachsene Spielergruppe hinein?
Das geht eigentlich immer sehr schnell unter Fussballern. Die anderen Spieler haben mir gezeigt, wie das hier läuft, das war sehr angenehm. Ich habe mich gleich wohl gefühlt im Verein.
Trotzdem haben Sie am Anfang ein paar Unsicherheiten beim Fangen hoher Bälle gezeigt. Braucht es vielleicht Zeit, bis die Abstimmung zwischen einem Goalie und seinen Vorderleuten richtig funktioniert?
In der Vorbereitung passieren solche Sachen immer mal. Man hat nicht oft trainiert, vieles stimmt noch nicht, und es ist auch nicht einfach, wenn man neu dazukommt. Man macht sich viele Gedanken, fühlt sich im Spiel noch nicht ganz wohl, und dann kommen plötzlich die Zeitungen …
Wie gross ist der Unterschied in der öffentlichen Aufmerksamkeit, wenn Sie Basel mit Mönchengladbach vergleichen?
Es ist schon alles grösser jetzt. Viel mehr Zeitungen schreiben über den Club, es hat viel mehr Fernsehsender, die Stadien sind grösser und alles. Aber vom Grund her kann man Basel und Mönchengladbach vergleichen: Es sind beides sehr familiäre Clubs, in denen sich angenehm arbeiten lässt.
Gibt es Unterschiede im Training? Was ist bei Borussias Torwart-Trainer Uwe Kamps neu für Sie?
Jeder Torwarttrainer hat eine andere Philosophie und trainiert auch etwas anders. Du nimmst von jedem etwas mit und packst dir das für die Karriere in den Rucksack. Uwe Kamps hat hier lange gespielt, er kennt den Club in- und auswendig. Es war für mich gerade am Anfang sehr wichtig, dass mir einer alles erklärt: Wie funktioniert die Liga, wie sind die Fans?
«Die Leute hier sind fanatisch, aber sehr angenehm.»
Wo wohnen Sie jetzt, und wie erleben Sie Mönchengladbach?
Ich habe mich schnell umgeschaut und in Düsseldorf eine coole Wohnung gefunden, die mittlerweile eingerichtet ist. Da kann ich vom Fussball abschalten. Und in Mönchengladbach spürt man einfach, dass es eine Fussball-Stadt ist. Die Leute sind fanatisch, aber sehr angenehm. Sie haben mich mit offenen Armen empfangen.
Haben Sie den Trainer Favre bloss in Kauf genommen, oder war er ein weiterer Grund, zur Borussia zu wechseln?
Ich kannte ihn vorher nicht persönlich, wusste aber, wie er in der Schweiz und in Mönchengladbach gearbeitet hat. Es ist sicher ein Vorteil, wenn man einen Trainer hat, der auch Schweizer ist und einem sagen kann, wie das in Deutschland läuft. Aber der Hauptgrund war der Club.
Haben Sie sich mit Jörg Stiel darüber ausgetauscht, ob dieser Club zu Ihnen passt? Er hatte in Gladbach ja eine gute Zeit.
Wir haben darüber ein paar Mal telefoniert, Jörg hat mir erzählt, dass es hier sehr schön ist mit dem Stadion und den Fans. Das hat mir noch mal bestätigt, dass ich den richtigen Weg gehe. Aber auch Granit (Xhaka; Anm. d. Red.) hat mir viel über den Club erzählt.
Tauschen sich die Schweizer Goalies in der Bundesliga, also Benaglio, Bürki, Hitz und Sommer, untereinander aus?
Nicht regelmässig. In der Nationalmannschaft redet man schon mal miteinander, wir kommen alle gut miteinander aus. Ansonsten macht jeder seinen eigenen Job im Club.
Kürzlich kamen die Freiburger nach Gladbach und wurden 1:0 besiegt. Haben Sie Zeit gehabt, ein paar Worte mit Bürki zu wechseln?
Ja, nach dem Spiel. Wir kennen uns sehr lange und haben schon in der Schweiz gegeneinander gespielt. Er war genervt, weil er verloren hat, das ist halt mal so (lacht)…
«Hier kann von überall her ein Schuss aufs Tor kommen. Das bringt mich zwei, drei Schritte weiter.»
Sie sind dafür bekannt, Ihre Vorderleute im Spiel ständig anzuleiten. Leitet man damit bloss seine Energien ab, oder hilft das auf dem Platz tatsächlich?
Sie müssten unsere Innenverteidiger fragen, aber ich glaube, man hat viel Einfluss. Ich dirigiere von hinten, aber ich rede nicht 90 Minuten am Stück. Nur so bestimmte Sachen, die was bringen. Wenn jemand einen Gegenspieler im Rücken hat, der kommt, mach ich ihn darauf aufmerksam. Lauter so Details, die ich einfach besser sehe, das wird auch angenommen.
Was macht die Bundesliga denn mit Ihnen, bringen die vielen, knappen Begegnungen Sie als Torwart weiter?
Niveau und Tempo sind sehr hoch, daran muss man sich gewöhnen. Die Spieler laufen extrem viel, haben hohe individuelle Qualität. Ich muss 90 Minuten lang konzentriert sein, es kann von überall her ein Schuss aufs Tor kommen. Das fordert mich extrem und bringt mich noch mal zwei, drei Schritte weiter, auch für die Nationalmannschaft.
Welche Ziele haben Sie mit der Nationalmannschaft?
Wir wollen natürlich zur EM nach Frankreich, das wäre mein erstes Turnier als Nummer 1. Dafür müssen wir zunächst mal durch eine lange Qualifikation.
Was hat es Ihnen gebracht, bei der WM in Brasilien auf der Bank zu sitzen, ohne Einsatzzeiten?
In der Nationalmannschaft zählt nicht nur das Spielen. Dabei zu sein war für mich eine schöne Erfahrung. Wir sind ein Team, das den Erfolg will, da gehöre ich genauso dazu wie auch der dritte Torwart.
Was machen Sie jetzt, um mal vom Fussball zu entspannen? Haben Sie am Niederrhein einen neuen Gitarrenlehrer gefunden?
Ja, an der Düsseldorfer Musikschule. Das ist eine gute Abwechslung für mich, da komme ich in neue Kreise, neue Welten rein, das erweitert den Horizont. Ich kann ja nicht nur die Bälle anschauen. So komme ich dann hierher und bin wieder frei im Kopf.
Spielen Sie nur klassische oder auch elektrische Gitarre?
Ich bin eigentlich gut ausgestattet zu Hause, mit Verstärker und Drum Bass, und probiere mit dem Lehrer beides aus, akustische und elektrische Gitarre. Ich spiel einfach alles, was mir gerade gefällt.
Welche Gitarristen imponieren Ihnen?
Ich finde vor allem Keith Richards interessant. Er ist vielleicht nicht der beste Virtuose, aber im Duett mit Ron Wood ist er cool. Und Paco de Lucia, den hab ich in Basel live gesehen, das war schon eindrücklich. Es gibt ganz viele, wirklich.
Keith Richards und Ron Wood bei einer Jamsession.
Im Februar kommen noch einige englische Wochen auf Sie zu mit Europa League und DFB-Pokal. Wie lange fordert Sie das, und wann könnte es belastend werden?
Erstmal ist es sehr schön, dass man international überhaupt dabei sein kann, das sollten wir geniessen. Aber es ist natürlich auch anstrengend. Man gewöhnt sich irgendwie daran, ich kenne es von Basel her, diese Erfahrung habe ich im Rucksack.
Ist es ein Ansporn für die Rückrunde, auf einem Tabellenplatz zu stehen, der eine weitere europäische Saison verspricht?
Natürlich ist das ein Reiz, aber wir wissen selbst, dass die Meisterschaft noch lange geht und alles sehr eng zusammen ist. Wir versuchen, immer das nächste Spiel zu gewinnen, und dann schauen wir mal, wo es hingeht.
«Das aktuelle FCB-Kader ist sehr gut, der FCB kann noch mal einen Schritt nach vorn machen.»
Ein Boulevard-Blatt hat nach dem Sieg über Freiburg schon getitelt: «Champions League, wir kommen.» Erreicht Sie so etwas?
Ich nehme das gar nicht mehr auf. Wir könnten auch die nächsten fünf Spiele verlieren, und was ist dann? Wir nehmen das Lob nicht so wichtig – und die Kritik auch nicht.
Verfolgen Sie, wie sich der FC Basel in dieser Saison macht?
Klar, im Internet. Ausserdem hab ich noch viel Kontakt mit den Spielern, mit denen ich zusammen gespielt habe. Das ist mir auch wichtig. Der aktuelle Kader ist sehr gut, der FCB kann noch mal einen Schritt nach vorn machen.
Und welche Schlagzeile würden Sie im Mai gerne über Mönchengladbach lesen?
Das ist schwierig. Ich probiere einfach, weiter konstant zu spielen und der Mannschaft zu helfen, damit wir Erfolg haben. Aber ich möchte da eigentlich keine Schlagzeilen bestellen.