«Persil» ist kein schlechtes Waschmittel: Ob als Pulver oder flüssig, macht es fast jede Wäsche schon bei 40 Grad im Schnellgang sauber. Persil kann aber auch ganz schön an die Nerven gehen: Am Sonntag etwa während der TV-Übertragung des Swiss-Indoors-Finals.
Das Schweizer Fernsehen hat am vergangenen Sonntag unsere Nerven strapaziert. Mit grosser Penetranz präsentierten sie uns immer wieder Persil: Als rote Aufschrift auf weissen Frottiertüchlein, mit denen sich die Kontrahenten Roger Federer und Juan Martin Del Potro den Schweiss von der Stirne wischten.
Drei Dinge fielen dabei nach kurzer Zeit auf: Erstens kam das Ballkind mit dem Tuch vorab bei del Potro etwa mal auch dann angerannt, wenn dieser es gar nicht erwartete – mitunter brachte es dem Argentinier gleichzeitig drei Bälle und auch noch das Persil-Tuch. Zweitens wurde das Tuch dabei nicht einfach dargereicht, wie es jeder normale Mensch machen würde – und auch jedes Ballen-Kind an allen Tennis-Turnieren weltweit: Mit einer Hand nach unten hängend. Nein, der «Ballebueb», wie Federer sagen würde, trug das Tüchlein jedes mal zwischen beiden Händen aufgespannt so vor sich her, wie ein Nummerngirl ihr Plakatlein, oder wie ein Demonstrant sein Transparent. Und zwar stets so, dass der Schriftzug «Persil» aufrecht von vorne gut sichtbar war. Drittens zeigte das Schweizer Fernsehen diese «Tüechliszene» immer und immer wieder. Zurück blieb der Eindruck, man habe fast mehr «Persil» und Schweisswisch-Szenen gesehen, als Wiederholungen spannender Ballwechsel.
«Persilschein» für «Ballebuebe»
Das konnte jedenfalls kein Zufall sein. Ein schlauer Produkte-Platzierer musste die Ball-Kinder genau instruiert, und vielleicht gar geschmiert haben. Mit je einem grossen Pack Waschpulver vielleicht? Aber auch der Kameramann, der immer gleich voll drauf hielt, wenn das Persil-Tuch aufgespannt war, musste mitmachen. Und sogar auch die Regie vor ihren unzähligen Bildschirmen im TV-Studio hinten. Die Sache musste jedenfalls einiges an Aufwand und Geld gekostet haben. War aber auch was wert – bei der insgesamt recht langen Zeit, während der «Persil» in rot auf weissem Tuch nun aus dem Bildschirm in meine und unzählige weitere Wohnstuben im ganzen Land hinaus leuchtete: Advantage Persil!
Dabei ist das Waschmittel, das da ganz gross im Vorteil war (Englisch: «advantage») noch nicht einmal «Premium-Partner» der Veranstaltung, wie etwa die Bank Sarasin, Nespresso oder Rolex. Nur auf der Liste der «Official Suplier» figuriert Persil – zusammen mit über 20 weiteren Marken von Migrol über Jaguar bis zu Europcar – von denen im Fernsehen während dem ganzen Final jedoch kaum etwas zu sehen war.
Von einer bauernschlauen Persil-Inszenierung will der Managing Director des Turniers Patrick Ammann auf Anfrage dennoch nichts wissen: «Auf das Fernsehen haben wir ohnehin keinen Einfluss», versichert er. Aber natürlich zahle Persil als Supplier etwas, räumt er ein. Verglichen etwa mit Sarasin, dessen Schriftzug jedesmal beim Aufschlag hinter Federer oder del Potro an der Bande prangt, sei das jedoch «eher bescheiden». Natürlich würden die Ballkinder genau instruiert, was sie machen müssten – und auch wie. Doch Ammann stellt den Ball-Kindern umgehend einen Persilschein aus: «Instruiert, aber sicher nicht geschmiert.»
«Wir kommen nicht mehr an ihn ran»
Er und sein Boss, Swiss-Indoors-Direktor Roger Brennwald haben ohnehin genug andere Sorgen: «Wir kommen nicht mehr an ihn ran», klagt Chef-Manager Ammann. Er meint Roger Federer, der noch immer nicht sagen will, ob er nächstes Jahr wieder in Basel spiele. Dass der Tennis-Superstar aus dem Baselbiet sich seine «grosse Liebe» zum Basler Turnier künftig mit mehr als einer Million Franken vergolden lassen will, bevor er nur einen einzigen Ball übers Netz geschlagen hat, will Ammann nicht bestätigen. Doch ist ihm die Enttäuschung darüber anzumerken, dass Federer nicht einmal mehr mit Brennwald direkt verhandeln mag: Vier Mal habe Brennwald seit September um ein direktes Gespräch am Rande des nun zu Ende gegangenen Turniers 2012 ersucht, klagt Ammann – aber ohne Erfolg.
Statt sich jetzt in Basel mit Federer direkt an einen Tisch zu setzen, müssen die Basler Turnier-Organisatoren der zusehendes abgehobenen und abgeschotteten Welt-Nummer 1 im Januar nach London hinterher reisen. Und auch da sind sie nicht sicher, ob sich Federer nicht weiter zieren wird. Jener Federer, der für seinen zweiten Platz an den Swiss Indoors (nebst mehreren Hunderttausend Startgeld) jetzt gerade wieder 152’350 Franken kassiert hat. Kenner der Szene vermuten, nicht so sehr Federer selber, als sein «professionelles Umfeld» könnten finanziell den Hals nicht voll genug kriegen. Diese Leute – allen voran der US-Amerikaner Tony Godsick als Federers Manager – setzen damit allerdings nicht ihren eigenen, sondern Federers guten Ruf aufs Spiel. Die Reaktionen aus dem Publikum zeigen schon jetzt viel Enttäuschung: «Er ist halt auch knapp bei Kasse», wird da etwa gehöhnt. Oder: «Seine Zeit als Top-Spieler wird eh bald zu Ende sein.» Und kurz und knapp: «Gier kommt vor dem Fall.»
Werbesendung mit Unterbrecher-Tennis?
Viele Leute verstehen ohnehin nicht, warum der Multimillionär Federer in Basel nicht ebenso gratis spielt, wie das Turnier der Stadt deren Schriftzug auf dem Court als Gratis-Werbung offeriert. Die Rock-Legenden Rolling Stones spielen in Paris ja auch aus Liebe zur Sache in einem kleinen Club für 20 Euro Eintritt – und ohne jegliches Startgeld. Sollte Federer hingegen seine Millionen-Vorstellungen von käuflicher Heimatliebe durchsetzen, wäre das für das Turnier ruinös: Wenn ein einziger Spieler mehr als eine von insgesamt nicht mal zwei Millionen für alle Turnier-Teilnehmer schon nur als Startgeld allein beansprucht, ist die Rechnung schnell gemacht.
Entweder muss Swiss Indoors mit seinem Budget von 18,5 Millionen Franken dann rasch die Zeit nach Federer planen und angehen. Oder aber das Turnier muss noch mehr Sponsoring noch mehr Kommerz und noch mehr Product-Placement betreiben. Statt die schönsten Ballwechsel zu wiederholen, könnte uns das Fernsehen nach den Persil-Tüchlein-Szenen dann stets noch einen Jaguar-Besitzer einblenden, der draussen vor einer Sarasin-Bank vorbeifährt und bei einer Migrol-Tankstelle anhält, um Most aufzufüllen und einen Nespresso zu trinken. Im Extremfall hätten wir dann eine Werbesendung mit etwas Unterbrecher-Tennis. Aber das bräuchten wir dann definitiv nicht mehr – Superstar Federer hin oder her.