Der Grosse Rat gibt grünes Licht für eine mutlose Weiterentwicklung des Kasernenareals. Basels Stadtentwickler dürfen ihre Hausaufgaben nun an Architekten delegieren: Diese sollen herausfinden, wie der Platz neu genutzt werden soll. Die Funktion folgt der Form: Ein visionärer Wurf ist in weite Ferne gerückt.
Es lag ein Hauch Seldwyla über den beiden Grossratsdebatten zur Weiterentwicklung des Kasernenareals. Diskutiert wurde einmal mehr vor allem die völlig sekundäre Frage, ob der Hauptbau der Kaserne «grosszügig» zur Party- und Grillmeile am Rhein geöffnet werden soll (wie es die Verfechter der Initiative «Öffnung zum Rhein» fordern) – oder ob ein seitlicher Durchgang zum Rhein reicht (wie das die Regierung ursprünglich vorsah und Tattoo-Chef Eric Julliard will).
Wenig Gehör hatte das Parlament für die entscheidenden inhaltlichen Fragen: Was soll konkret mit dem Areal passieren? Wie soll es künftig genutzt werden? Welche Form der Kultur soll hier stattfinden?
Zentrale Fragen bleiben unbeantwortet
All diese zentralen Fragen beantworten weder der Ratschlag der Regierung noch der etwas progressivere Vorschlag der vorberatenden Bau- und Raumplanungskommission (BRK), den das Parlament mit einer grossen Mehrheit durchgewinkt hat (siehe Box). Statt die Hausaufgaben zu machen und ein griffiges Nutzungskonzept vorzulegen, dürfen die Stadtentwickler des Präsidialdepartements diese Aufgabe nun im Rahmen eines Wettbewerbs an Architekten delegieren.
Der Grosse Rat stimmte mit 71 Ja-Stimmen zu 13 Nein-Stimmen bei fünf Enthaltungen für einen Architekturwettbewerb, den Planungskredit von 2,3 Millionen Franken sowie die Forderung der vorberatenden Bau- und Raumplanungskommission (BRK), die Prüfung einer grosszügigen Öffnung des Kasernenhauptbaus in den Wettbewerb miteinzubeziehen.
Die SVP wollte die Kasernenhülle möglichst gar nicht verändern, blitzte aber mit ihrem Antrag einer sofortigen Volksabstimmung ohne Gegenvorschlag mit 15 gegen 73 Stimmen ab.
Regierungspräsident Guy Morin versprach, ein konkretes Nutzungskonzept mit dem Baukredit in einem bis zwei Jahren vorzulegen. Morin hielt fest, dass das Tattoo «nicht in Frage gestellt» sei: Bisherige Nutzungen seien zu garantieren. Das komme auch so in die Wettbewerbsvorgaben. (amc/sda)
Nur vereinzelt wurde in der Debatte Kritik an dem unausgereiften und mit unscharfen Begriffen («Brutstätte», «Cluster») und fantasiereichen Leerformeln («Experimentierfeld mit Treibhauscharakter») gespickten Nutzungskonzept der Stadtentwickler geäussert – etwa vom ehemaligen Basler Kulturchef Michael Koechlin (LDP) am vergangenen Mittwoch (mehr Voten finden Sie in der Meldung der sda). Am Schluss entschied das politische Kalkül – oder wie es die Grüne Mirjam Ballmer auf den Punkt brachte: «Sagen Sie Ja zum Vorschlag der BRK, damit endlich zumindest etwas auf dem Kasernenareal passiert.» Es wird nun also zuerst geplant und erst nachher nachgedacht.
Keiner ist glücklich
Mit dem Grossratsentscheid herrscht (vorerst) Waffenstillstand auf dem Kasernenareal. Das Ja zum Planungskredit (inklusive Architekturwettbewerb) von rund 2,3 Millionen Franken tut niemandem weh – es macht aber auch niemanden so richtig glücklich.
Die Urheber der Volksinitiative «Öffnung zum Rhein» haben einen kleinen Zwischensieg errungen: Eine «grosszügige Öffnung» des Platzes zum Rhein muss nun im Rahmen des Architekturwettbewerbs «geprüft werden» – ob es aber je dazu kommt, steht weiterhin in den Sternen. Tattoo-Initiator Eric Julliard wiederum darf weiterhin hoffen, dass die Kulisse für sein Militärmusikfestival bestehen bleibt. Und das Präsidialdepartement kann die Frage nach einer kulturellen Gesamtkonzeption für dieses wunderbar gelegene, aber seit über 40 Jahren unbefriedigend genutzte Areal mitten in der Stadt aussitzen.
Wie gehts weiter? Nach der Präsentation der Ergebnisse des Architekturwettbewerbs in rund zwei Jahren wird das Gezeter über grössere und kleinere Öffnungen des Hauptbaus sowie über mögliche Nutzungen erneut losgehen. Und nach einer allfälligen Annahme des Baukredits durch den Grossen Rat wird wohl ein Referendum von irgendeiner Interessengruppe eingereicht werden – was eine weitere zeitliche Verzögerung zur Folge hätte. Ein visionärer Wurf ist in weite Ferne gerückt.