Zwei Entwicklungen sind im Gang, beide sind besorgniserregend. Zum einen arbeiten Polizei und Behörden mit beachtlicher Intensität daran, der linksautonomen Szene die Rückzugsorte zu nehmen. Seitdem die symbolträchtige Villa Rosenau abgebrannt ist, wurden alle Bemühungen zunichte gemacht, neue Wirk- und Wohnstätten zu etablieren. Hausbesetzungen werden umgehend gestürmt, Zeit für Verhandlungen wird keine zugestanden.
Wo sich linke Wohnprojekte wie jenes an der Wasserstrasse etabliert haben, nutzt die Strafverfolgung jede Gelegenheit, den Bewohnern das Leben schwer zu machen. Andernorts sorgen Hausdurchsuchungen aus nichtigen Gründen für Verunsicherung. Auch die letzten Freiräume, namentlich wilde Partys irgendwo am Stadtrand, werden von der Polizei umgehend geschlossen.
Das Feindbild Linke existiert – und es hat gefährliche Züge angenommen.
Dazu kommt eine Strafverfolgung, die ausser Rand und Band geraten zu sein scheint. Jede Widerrede während einer der vielen Polizeiaktionen führt zu einem Verfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, die Teilnahme an einer unbewilligten Demo zu Massenverfahren wegen Landfriedensbruch. Untersuchungshaft wird systematisch verhängt, DNA-Analysen werden flächendeckend angeordnet. Wer von Gesinnungsrecht spricht, ist schwer zu widerlegen.
Das Feindbild Linke existiert – und es hat gefährliche Züge angenommen. Auch für jene, denen jede Störung der öffentlichen Ordnung eine zu viel ist. Die Erkenntnisse aus der Protestforschung sind da unzweifelhaft: Repression führt zu Radikalisierung. Moderate Mitstreiter politischer Bewegungen wenden sich unter dem Eindruck der Polizeigewalt ab oder lassen hemmende Skrupel fallen. Politische Inhalte treten in den Hintergrund, der Kampf gegen den Repressionsapparat wird zum Selbstzweck. Das kann niemand ernsthaft wollen.
Ein öffentlicher, politischer Diskurs darüber existiert bislang nicht. Weil gegen «linke Krawallmacher» jedes Mittel recht scheint. Doch diese Haltung ist einer sonst so auf- und abgeklärten Stadt nicht würdig.
Kommandant Martin Roth betont im Interview mehrfach, die Polizei suche stets den Dialog. In der Praxis aber haben seine Leute den Dialog durch Konfrontation ersetzt. Damit muss schleunigst Schluss sein.