Eine breit verankerte Tagesbetreuung erlaubt es Eltern nicht nur, ihrer erlernten Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, sondern sie fördert auch die Kinder.
Kleinkinder verfügen über herausragende Lern- und Entwicklungskapazitäten, die es stärker als bisher zu fördern gilt. Noch immer herrscht aber hierzulande gegenüber der Frühförderung eine gewisse Skepsis. Kritiker bemängeln, dass dem Kind bei einer allgemeinen Förderung seine Kindheit geraubt wird. Das rührt daher, dass unter Frühförderung vermeintlicherweise eine Vorverlegung schulischer Inhalte in den bis anhin bildungsfreien Vorschulraum verstanden wird. Dabei geht es um die bewusste Anregung der kindlichen Aneignungstätigkeit durch Erwachsene, was dem angeborenen Drang des Kleinkindes entspricht, sich Wissen anzueignen und sich ein Bild von der Welt zu machen.
Frühförderung macht also für alle Sinn: für das Kind und für beide Elternteile, die bei geeigneten Betreuungsangeboten ihrer erlernten Erwerbstätigkeit nachgehen können.
Mit dem in der Kantonsverfassung verankerten Recht auf Tagesbetreuung innert angemessener Frist und zu finanziell tragbaren Bedingungen sind wir anderen Kantonen voraus. Allerdings scheint es an der Umsetzung stellenweise zu hapern.
Die Schwierigkeiten bei der Vermittlung von Betreuungsplätzen ist ein bürokratisches Ärgernis (die TagesWoche berichtete). Die hohen Betreuungskosten stellen jedoch eine ganz andere finanzielle Herausforderung für Mittelstandsfamilien dar. Gemäss einer Studie von Professorin Monika Bütler für die Stadt Zürich lohnt sich das Ausüben einer Berufstätigkeit bei zwei Kindern erst, wenn der Nettolohn mindestens 50 000 Franken beträgt.
In Basel-Stadt sieht die Situation ähnlich aus – können die Elternbeiträge doch bis zu 2200 Franken pro Kind und Monat für eine Vollzeitbetreuung betragen. Dennoch decken die Beiträge nur gerade 30 Prozent der Gesamtkosten ab! Es wäre interessant zu erfahren, weshalb die Kosten derart hoch sind. Womöglich könnte eine Überprüfung der (zu?) hohen Qualitätsstandards die Betreuungskosten erschwinglicher machen. Dadurch könnte der Ausbau schneller vorangetrieben werden (z.B. mit Angeboten während der Sommerferien für Kleinkinder).
Bleibt der Ausbau der Tagesstrukturen: Bis 2020 sollten an jedem Schulstandort Tagesstrukturen samt Mittagstisch vorhanden sein. Der Ausbau findet jedoch zu langsam statt. Im Jahre 2012 findet aus verschiedensten Gründen kein Ausbau statt. Das sollte nicht sein. Mit steigendem Angebot wird sich auch die Nachfrage steigern. Selbstverständlich darf das Angebot (analog den Betreuungsplätzen) auch etwas kosten dürfen. Mit dem Baukastensystem (Wahl der Module: Frühhort, Mittagstisch, Nachmittagsbetreuung und Hausaufgabenunterstützung) und den Tagesferien ist unser Kanton gut aufgestellt. Es wäre schade, wenn wir durch einen schleppenden Ausbau den Vorteil wieder aus der Hand geben würden.
Emmanuel Ullmann (32) ist Leiter Buchhaltung und Controlling der Pensionskasse der UBS in Zürich. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Seit 2005 ist er Mitglied des Grossen Rates in Basel – zuerst für die FDP, seit Februar 2010 für die Grünliberalen. Für die Grünliberalen kandidiert er im Herbst für den Regierungsrat.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.04.12