Basels Standortvermarkter versuchen das Unmögliche. Sie wollen die Stadt mit Mega-Events und falschen Partnern attraktiv machen – dabei ginge es einfacher.
Wer zu Beginn dieses Jahrtausends durch Europa reiste, konnte fast ein wenig neidisch sein über das Marketing von Städten wie London («Totally LondON»), Paris («La Ville-Lumière»), Manchester («Ce n’est pas Paris… this is Manchester»).
Basel betreibt seit 1999 als eine der ersten Schweizer Städte eine mehrköpfige Verwaltungsabteilung namens «Stadtmarketing» und fand den Slogan «Basel tickt anders» ganz toll. Und die Limmatstadt machte sich mit dem Brand «Zürich Downtown Switzerland» lächerlich.
Derlei Peinlichkeiten bleiben uns heutzutage zum Glück erspart. Die neusten Basel-Sujets tun nicht weh. Sie sind aalglatt-schön und fallen kaum von anderen Inszenierungen der Luxusgüterindustrie ab.
Kritisch wird es aber, wenn von Basels Marketingstrategen Unmögliches verlangt wird. Wie zum Beispiel im Vorfeld der OSZE-Ministerratskonferenz, die auf Biegen und Brechen zum grossen Basel-begrüsst-die-Welt-Anlass stilisiert werden musste.
Kaum Zeit fürs Wohlfühlprogramm
Standortmarketing-Chefin Sabine Horvath tat einem leid, als sie vor Wochenfrist an einer Pressekonferenz den «marketingtechnischen» Mehrwert des OSZE-Meetings für Basel erläutern musste. Dank spezieller «Welcome-Programme» und «Visibilität» würden die rund 1200 Konferenzteilnehmer und 231 akkreditierten Journalistinnen und Journalisten «herzlich empfangen», auf dass sie ihr gutes Bild von Basel in die Welt hinaustrügen.
Kritik an Partnerschaft mit Syngenta neu befeuert – links-grüne Kreise halten den Agrar-Konzern für den falschen Hauptpartner für den Basler Expo-Milano-Auftritt
«Syngenta ist weiterhin einer der richtigen Partner» – Guy Morin über die Kooperation der Stadt mit der Syngenta
Unheilige Allianz gegen den Hunger – eine Analyse von Florianne Koechlin
«Wir stehen an einer kritischen Schwelle» – der Entwicklungshelfer Hans Rudolf Herren über die Schwierigkeiten agrarökologischer Konzepte
Wer selber einmal an einem derartigen Treffen war – etwa am Weltwirtschaftsforum in Davos –, der weiss: Die internationalen Konferenzteilnehmer verlassen kaum je einmal den eingezäunten Sicherheitsbereich, ausser für die Rückkehr in der Limousine ins Luxushotel. Und als Journalist ist man da, um rund um die Uhr der Heimredaktion die bestmöglichen Informationen abzuliefern. Für touristische Trips und Wohlfühlprogramme bleibt kaum Zeit.
Marketing mit umstrittenem Partner
Unmögliches abverlangt wird den Stadtvermarktern bereits wieder in wenigen Wochen, wenn das rot-grüne Basel an der Weltausstellung in Mailand «einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Hunger auf der Erde» leistet. Basels Hauptpartner für die «Expo Milano 2015», die sich unter dem Titel «Den Planeten ernähren, Energie für das Leben» präsentiert, ist die Syngenta.
In die Schlagzeilen geraten ist der Agrar-Konzern soeben wegen des geplanten Abbaus von rund 500 Stellen in Basel. Von Nichtregierungsorganisationen wie etwa der Erklärung von Bern, der Stiftung Biovision oder Greenpeace kritisiert werden aber auch die Geschäftspraktiken von Syngenta, die weder sozialen noch ökologischen Standards Stand halten würden.
Nach heftigen Einsprachen von links-grüner Seite hat das Basler Präsidialamt unter dem Grünen Guy Morin das Milano-2015-Konzept überarbeitet, heisst es aus dem Präsidialdepartement. Morins Standortmarketing-Abteilung wird aber in Sachen «Wording» (also dem plausiblen «Verkauf» des Anlasses) bis zum Weltausstellungs-Start noch einiges an Blut und Tränen schwitzen müssen.
Lohnt sich der Knorz?
«Warum der ganze Knorz?», fragt man sich als Laie. Weil sich Basel dank Veranstaltungen wie der OSZE für weitere Grossanlässe empfehlen und die gemachten Erfahrungen auch für Sport-Events wie das Fussball-Europa-League-Finale 2016 in Basel einsetzen könne, sagt Sabine Horvath.
Das klingt nachvollziehbar. Ob wegen solcher verwechselbarer Mega-Events aber tatsächlich mehr Touristen nach Basel kommen und mehr Unternehmen hier ihre Zelte aufschlagen, scheint fraglich. Finden wir etwa Barcelona oder London wegen der Olympischen Spiele attraktiv, die dort einst über die Bühne gegangen sind? Oder pilgern wir nach Saragossa wegen der Weltausstellung, die dort 2008 stattgefunden hat? Und haben sich wegen der Euro 2008 mehr Firmen in Basel angesiedelt? Wohl kaum.
Gutes Marketing setzt auf das Unverwechselbare und Einzigartige einer Stadt – gesichtlose Grossanlässe bringen nichts.
Zentral für das City-Marketing seien Massnahmen, welche die Unverwechselbarkeit und Einzigartigkeit einer Stadt unterstreichen würden, liest man in der einschlägigen Fachliteratur.
In diesem Bereich hat Basel einiges zu bieten, das sich offensiver bewerben liesse. Es beheimatet mit der Art die grösste Kunstmesse der Welt, Kunstmuseen von höchstem Rang und Namen, die (manchmal) mit Sonderausstellungen (Tutanchamun, Van Gogh) über die Landesgrenzen hinaus von sich reden machen.
Unsere kleine Stadt ist dank den Pharma-Riesen Roche und Novartis attraktiv für die besten Forscherinnen und Forscher aus aller Welt. Die Architektur-Stars von Herzog & de Meuron, die renommierte Universität, hochkarätige Musikhochschulen sowie die Hochschule für Gestaltung und Kunst ziehen viele Studentinnen und Studenten aus dem In- und dem Ausland an.
Es hapert anderswo. Dummerweise finden die jungen Leute, die frischen Wind in unsere Stadt bringen sollen, kaum bezahlbare Wohnungen in der Stadt. Und leider fehlt manchmal auch das Sensorium für das Spezielle und Unverwechselbare. So hat man etwa das Theater Basel, einst eines der wichtigsten Schauspielhäuser im deutschsprachigen Raum, in den vergangenen Jahren beharrlich zur Belanglosigkeit heruntergespart. Da hilft auch das beste Stadtmarketing nicht weiter.
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Lesen Sie mehr über die «Milano Connection» des Basler Präsidialdepartements und der Syngenta in der Wochenausgabe vom 5.12.