Warum dem kühlen Fussball-Technokraten Paulo Sousa in Basel niemand grosse Tränen nachweint. Und warum der FCB einen Trainer mit Identifikations-Potenzial gebrauchen könnte.
Darin haben der FC Basel und sein Umfeld inzwischen Übung: An- und Abgewöhnung an einen Trainer. Noch ist nicht die Kadenz des FC Sion erreicht, aber nach Paulo Sousas italienischem Abgang bekommt der FCB demnächst immerhin den fünften Cheftrainer seit 2009.
Im Monopoly des grossen Fussballs heisst es für den FC Basel: zurück auf Start. Und wie im richtigen Spiel geht der FCB über «Los» und nimmt im besten Fall noch eine Stange Geld mit für die Auflösung von Sousas Vertrag. Nach Thorsten Fink erlebt der FCB ein zweites Mal, dass er nicht nur für hochtalentierte Spieler, sondern auch für ambitionierte Trainer zu einem Durchlauferhitzer geworden ist.
Der Unterschied zu Finks Abgang vor vier Jahren nach Hamburg: Mitten in der Saison, mitten in einer Champions-League-Kampagne, wurde das von einer enttäuschten Anhängerschaft als schäbig empfunden. Jetzt ist es so, dass Paulo Sousa nicht einmal eine Träne nachgeweint wird.
Es ist in diesem Geschäft auch kein Platz mehr für Sentimentalitäten. Es sind die Opportunitäten, die den Ausschlag geben, und für den ehrgeizigen Paulo Sousa ist nach Videoton, nach Tel Aviv und nach Basel auch die nächste Station, welche die Fiorentina sein wird, nur ein weiteres Sprungbrett zu einem ganz grossen Club, mit dem er dann sein Ziel verwirklichen kann: nach zwei Champions-League-Siegen als Spieler auch als Trainer die Krone des Clubfussballs zu erobern.
Dafür kann man ihm nur hinterherschicken: alles Gute. Sousa wird in Basel als Intermezzo in Erinnerung bleiben, dessen nachhaltigste Spur der 18. Meistertitel und eine zweite Teilnahme an den Achtelfinals der Champions League ist. Und das strenge Regime, das er im Trainingsalltag eingeführt hat. Nicht immer zur reinen Freude der jungen Männer, die ihm anvertraut waren, aber mit dem ganz selbstverständlichen Ansatz einer weiteren Professionalisierung. Und er hat den FCB taktisch auf der Höhe der Moderne gehalten.
Dass Basel mit diesem Trainer nicht warmgeworden ist, ist die andere Seite. Als Katholik mit protestantischem Arbeitsethos passte er eigentlich nicht schlecht zur Stadt. Einer, der frühmorgens mit seinen Assistenten im Büro sass, um das Training vorzubereiten, der seine Spieler zum Frühstück um sich versammelte, der stundenlang in einem fensterlosen Büro im Keller des St.-Jakob-Parks über der Strategie, dem kommenden Gegner und der nächsten Rotation brütete.
Aber man hat den Technokraten Sousa schnell durchschaut, bald erkannt, dass er keine Wurzeln schlägt am Rheinknie und in seinem Riehener Domizil. Deutsch zu lernen, war dem multilingualen, perfektionistisch gepolten Sousa zu aufwendig. Die Sprachbarriere, die eigentlich keine sein darf, verhinderte, dass man Paulo Sousa besser zu verstehen gelernt oder zu fassen bekommen hat. Und die von FCB-Präsident Bernhard Heusler einst bei der Entlassung von Heiko Vogel etwas gar leichtfertig formulierte Anforderung, er würde einen FCB-Trainer auch gerne beim Einkaufen in der Freien Strasse erleben, diese Metapher wurde unter Sousa endgültig ad absurdum geführt.
Und nun? Ein Trainer aus dem deutschsprachigen Raum ist nach der kommunikativen Erprobung mit Paulo Sousa die naheliegendste Lösung. Und vielleicht wird es keiner der prominenteren Namen, die gehandelt werden. Die Verantwortlichen des FCB sind jedenfalls erfahren und klug genug, dass sie von Sousas Abschied nicht auf dem falschen Fuss erwischt wurden.
Sie werden nach dem Wagnis Paulo Sousa wieder eine spannende Lösung finden. Es darf eine sein, die mehr Identifikations-Potential verspricht als die letzte. Und eine, bei der man nicht schon nach ein paar Monaten Differenzen festellen muss, wie das nun bei Sousa, Murat Yakin und Heiko Vogel der Fall war. Das wäre dann ebenso viel wert wie der nächste Meistertitel.
Die Trainer des FC Basel seit der Ära Benthaus | ||
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von | bis | |
Paulo Sousa | 2014 | 2015 |
Murat Yakin | Oktober 2012 | Juni 2014 |
Heiko Vogel | Oktober 2011 | Oktober 2012 |
Thorsten Fink | 2009 | Oktober 2011 |
Christian Gross | 1999 | 2009 |
Marco Schällibaum | Mai 1999 | Juni 1999 |
Guy Mathez | Dezember 1997 | Mai 1999 |
Salvatore Andracchio | Oktober 1997 | Dezember 1997 |
Jörg Berger | Juli 1997 | Oktober 1997 |
Salvatore Andracchio | April 1997 | Juni 1997 |
Heinz Hermann | März 1997 | |
Karl Engel | November 1995 | März 1997 |
Oldrich Svab | Oktober 1995 | November 1995 |
Claude Didi Andrey | Juli 1993 | Oktober 1995 |
Friedel Rausch | Juli 1992 | Juni 1993 |
Bruno Rahmen/Karl Odermatt | April 1992 | Juni 1992 |
Ernst-August Künnecke | November 1989 | April 1992 |
Urs Siegenthaler | Juli 1987 | November 1989 |
Helmut Benthaus | Juli 1985 | Juni 1987 |
Emil Müller | Dezember 1984 | Juni 1985 |
Ernst-August Künnecke | Juli 1983 | November 1984 |
Rainer Ohlhauser | Juli 1982 | Juni 1983 |
Helmut Benthaus | Juli 1965 | Juni 1982 |
Quellen: Wikipedia, joggeli.ch, weltfussball.com |
Artikelgeschichte
2009