Bildungsvielfalt ist gut – aber nicht zu jedem Preis

Das Angebot eines Gymnasium spielt für die Wahl der Schüler keine Rolle, sagt Patrick Langloh. Der Präsident der Konferenz der Rektoren der Oberen Schulen Basel-Stadt verteidigt die Abschaffung des Schwerpunktfachs Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Es sei angesichts der sinkenden Schülerzahlen, nicht möglich alle Angebotswünsche zu erfüllen.

Vier Schülerinnen des Gymnasiums am Münsterplatz üben im Rahmen des Psychologie, Philosophie und Pädagogik Unterichtes, kurz PPP genannt, ein Referat. Die vier Jugendlichen beurteilen verschiedene Faktoren wie verbale und nonverbale Kommunikation und fil (Bild: Michael Würtenberg)

Das Angebot eines Gymnasium spielt für die Wahl der Schüler keine Rolle, sagt Patrick Langloh. Der Präsident der Konferenz der Rektoren der Oberen Schulen Basel-Stadt verteidigt die Abschaffung des Schwerpunktfachs Philosophie, Psychologie und Pädagogik. Es sei angesichts der sinkenden Schülerzahlen, nicht möglich alle Angebotswünsche zu erfüllen.

Das Wochenende steht vor der Tür. Gehe ich heute Abend zum ­gemütlichen Italiener an der Ecke? Oder soll es doch lieber das edle Restaurant in der Nähe vom Barfi sein?

Wir geniessen alle eine reichhaltige Gastrokultur und stören uns wohl kaum daran, wenn es da oder dort ein Menü nicht mehr gibt. Tief treffen würde uns aber, wenn ausgerechnet unser Lieblingslokal schliessen müsste – weil die Aufwendungen für immer mehr Menüs bei immer weniger Besuchern nicht mehr zu finanzieren sind. So könnte man auf den Artikel der Schülerin Lenya Koechlin reagieren, der vor einer Woche an dieser Stelle erschien. Der Entscheid des Erziehungsdepartements zu den künftigen Angeboten der Gymnasien löste ein enormes Medienecho und teilweise heftige ­emotionale Reaktionen aus.

­In engagierten Voten wurde auf die Vorzüge ­eines ach so freien Marktes verwiesen, dabei aber grosszügig ­akzeptiert, dass wir Steuerzahlende ­alles zahlen müssen. Darüber hinaus wurde der Eindruck erweckt, nur im Schwerpunktfach ­Philosophie, Psychologie und Pädagogik (PPP) werde gymnasiale Bildung, selbstständiges Denken und Reden gefördert. Aber: Gymnasiale Bildung ­findet in allen Fächern statt, und erst ein vernünftiger Umgang mit den ­Finanzen ermöglicht unseren Schulen eine nach wie vor vielfältige Schulkultur mit vielen innovativen Ideen.

Die Basler Gymnasien führen alle zu einer sehr guten Allgemeinbildung. Die Selbstständigkeit unserer Schülerinnen und Schüler und ihre Fähigkeit zum kritischen Denken und Urteilen fördern wir mit einer breiten Palette von Fächern und ausserfachlichen Anlässen. Dabei ist das jeweils gewählte Schwerpunktfach nur eines von 16 Fächern im Verlauf der gymnasialen Schulzeit, neben dem Lernen am Projekt und der Matura-Arbeit, wo diese Förderung ebenfalls stattfindet.

Vergessen wir nicht: Auf kleinstem Raum stehen unseren Schülerinnen und Schülern am Gymnasium nicht nur ein breit gefächertes Bildungs­angebot offen, sondern auch ver­schiedene Arten von zweisprachigen Maturitätsabschlüssen (etwa das ­International Baccalaureate IB) und innovative Unterrichtsmodelle (zum Beispiel das GBplus mit individualisiertem Lernen).

Schwerpunktfach nicht entscheident für Gymi-Wahl

Für die Wahl des Gymnasiums ist das Schwerpunktfach nicht der entscheidende Faktor, wie uns unsere Schülerinnen und Schüler immer ­wieder bestätigen. Mit ausschlag­gebend sind Schulweg, Verpflegungsmöglichkeiten, Freifachangebote, Chor und Orchester, Theateraufführungen, Sportwochen, Auslandaufenthalte und nicht zuletzt der Ruf der Schule.

Die Gymnasien Bäumlihof, Kirschgarten, Leonhard, Münsterplatz und das Wirtschaftsgymnasium sind in der Basler Gesellschaft fest verwur­zelte ­Institutionen. Jede hat ihre ­eigene Schulkultur, die sowohl auf längjäh­rigen ­Traditionen wie auch auf Inno­vationen beruht.

Die Rektorin und die Rektoren der Gymnasien sind sehr froh, dass sich die Regierung vor zwei Jahren klar zur ­Erhaltung aller fünf Gymnasien bekannt hat. Wir erachten dies als Ausdruck der Hochschätzung von Bildung in unserem Kanton. Wir sind uns jedoch bewusst, dass es aufgrund der in den kommenden Jahren rückläufigen Schülerzahlen nicht möglich sein wird, alle Angebotswünsche zu erfüllen.

Bemüht um ein reichhaltiges «Menü»

Bereits jetzt haben wir insgesamt ein breiteres Angebot an Schwerpunkt­fächern als der Nachbarkanton Basel-Landschaft, obwohl es dort nach Abschluss der Reform etwa doppelt so viele Klassen geben wird.

Unsere Gymnasien bemühen sich alle, im Rahmen ihrer vorgegebenen Budgets ein reichhaltiges «Menü» ­anzubieten, bei dem viele Interessen abgedeckt sind. Eine zu grosse An­gebotsdifferenzierung erweist sich bei rückläufigen Schülerzahlen aber als sehr problematisch. Je kleiner die Schulen werden, desto schwieriger ist es, optimale Lerngruppengrössen zu bilden.

Kleine Lerngruppen belasten jedoch die Schulbudgets enorm. Bereits heute ist es so, dass häufig keine schwerpunktreinen Klassen gebildet werden können. So werden beispielsweise zwei, manchmal sogar drei Schwerpunkte in einer Klasse geführt. Dies zieht grosse finanzielle Belastungen nach sich. Schon jetzt haben die Gymnasien deshalb grösste Mühe, ihre Budgets einzuhalten. Zusätzliche Schwerpunkte an einer Schule würden dieses Problem deutlich verschärfen und dazu führen, dass dort, wo Schulentwicklung wirklich stattfindet, kein Geld mehr zur Verfügung steht. Deshalb erachten es die Gymnasien als wichtig, dass die Zahl der Schwerpunkte auf die Zahl von vor 2007 und auf die in allen Kantonen des Bildungs­raums üblichen Schwerpunktfächer ­reduziert wird.

Kleine Beschränkung ermöglicht grosse Vielfalt

Wir sind überzeugt, dass die Departementsleitung mit diesem Entscheid ihre Verantwortung für die Basler Bildungslandschaft sehr gut wahrgenommen hat. In enger Zusammenarbeit mit uns wurde nach einer tragbaren und sinnvollen Lösung gesucht. Als Kompensation für die Streichung von PPP kann das Gymnasium Münsterplatz als einziges Gymnasium nördlich des ­Juras IB anbieten und diesen interna­tionalen Abschluss in Kombination mit dem Schwerpunktfach Englisch stärken und weiterentwickeln.

Wie bis anhin werden wichtige ­Inhalte von PPP in den Ergänzungs­fächern «Philosophie» sowie «Psychologie und Pädagogik» angeboten. Die kleine Beschränkung des Wahlangebots ermöglicht so eine weiterhin gros­se Bildungsvielfalt in unserem Stadtkanton. Davon profitieren letztlich alle Schülerinnen und Schüler. Es gibt aus unserer Sicht keine Alternativen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 14.09.12

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