Der Bundesrat hofft bei den Zuwanderungs-Verhandlungen auf ein Entgegenkommen der EU – und spricht dabei selber von einer «Quadratur des Kreises». Diese Politik des Bangens und Zauderns ist gefährlich.
«Wer die Bedeutung der Bilateralen für die Schweizer Wirtschaft kleinredet, spielt mit dem Feuer», sagt Bundesrat Johann Schneider-Ammann zu den am Mittwoch vorgestellten bundesrätlichen Vorschlägen zur Umsetzung der SVP-Masseneinwanderungsinitiative.
Seine Aussage kann auf zweierlei Art und Weise verstanden werden. Der Bundesrat wird die Bilateralen retten, koste es, was es wolle – auch mit einer nicht buchstabengetreuen Umsetzung der Zuwanderungsinitiative.
Oder Schneider-Ammann will damit auf die Gefahr aufmerksam machen, die vom aktuellen Umsetzungsvorschlag ausgeht. Denn wird dieser wie vorliegend und ohne Zugeständnisse seitens der EU angenommen, droht die Kündigung der bilateralen Verträge.
Mit seinem Verhandlungsmandat hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen, mit der EU zu verhandeln, obschon diese gar keine Verhandlungen will. Mehrfach haben die EU-Aussenbeauftragten und die EU-Aussenminister erklärt, dass die Personenfreizügigkeit als Grundprinzip der Europäischen Union nicht verhandelbar ist.
Man lasse sich von dem Nein aus Brüssel nicht verunsichern, sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga gestern. Der Bundesrat gehe seinen Weg weiter, «Schritt für Schritt».
Verhandlungserfolg liegt in weiter Ferne
Es ist kein mutiges Voranschreiten, schon gar kein stolzes. Die Schweizer Diplomatie wird die EU schon herumkriegen können, lautet die Devise, vielleicht ergibt sich ja doch noch ein Kompromiss in der Frage der Personenfreizügigkeit.
Doch darauf deutet sehr wenig hin. Und dieser Problematik ist sich der Bundesrat sehr wohl bewusst. Von einer «Quadratur des Kreises» spricht etwa Schneider-Ammann. Und Sommaruga weist darauf hin, dass ein zufriedenstellendes Verhandlungsergebnis «nicht unmöglich» sei. Die Bundespräsidentin deutet die Gespräche mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker von vergangener Woche als «ersten kleinen Schritt» und klammert sich damit an den einzigen Strohhalm, den sie hat. Doch das ist zu wenig.
Gelingt eine Annäherung mit der EU in den nächsten zwei Jahren nicht, dann hat der Bundesrat zwei Optionen: Entweder, sein Weg führt Schritt für Schritt in das von Schneider-Ammann angesprochene aussenpolitische Fegefeuer. Dann wäre Sommarugas Strohhalm nichts mehr wert, es würde die Kündigung der bilateralen Verträge folgen.
Oder der Bundesrat zieht im letzten Moment die innenpolitische Notbremse und setzt die Initiative zahnlos um, indem er eine Vorrangklausel zugunsten der Bilateralen einbaut. Nach dem Initiativtext wäre dies möglich, es käme aber einem Affront gegenüber der SVP und einer Mehrheit des Stimmvolks gleich. Das aber wird der Bundesrat vor den Wahlen im Herbst kaum wagen. Denn es würde ein innenpolitisches Inferno bedeuten.
Das ist eine gefährliche Politik des Bangens und Zauderns.