Das Ende eines Zweckbündnisses

Zum Schluss war Murat Yakin ein Trainer ohne grossen Rückhalt in der Mannschaft und beim Publikum. Die Entlassung ist ein klares und auch gnadenloses Urteil. Und der FC Basel wird einen grossen Umbruch zu bewältigen haben.

Mission erfüllt, der Trainer kann gehen: Murat Yakin und FCB-Präsident Bernhard Heusler bei der Meisterfeier 2013. (Bild: Keystone/PATRICK STRAUB)

Zum Schluss war Murat Yakin ein Trainer ohne grossen Rückhalt in der Mannschaft und beim Publikum. Die Entlassung ist ein klares und auch gnadenloses Urteil. Und der FC Basel wird einen grossen Umbruch zu bewältigen haben.

Zum Schluss war es noch ein Zweckbündnis. Und das Kalkül ist aufgegangen: Der FC Basel ist mit Murat Yakin Meister geworden, hat einen sporthistorischen Meilenstein gesetzt und den direkten Sprung an die Fleischtöpfe der Champions League geschafft.

Am Tag danach schien sich Murat Yakin seiner Sache noch sicher: Am Schluss zählten Titel, dann habe man vieles richtig gemacht, sagte er im Nachgang einer langen Nacht. Und: «Ich bin absolut glücklich in Basel und weiss, was ich am FCB habe.» Noch mal einen Tag spät war er seinen Job los. Als Meistertrainer, der beim FC Basel zwei Titel in Folge sportlich verantwortet und zweimal im Europacup für Furore gesorgt hat.

Sein 99. Spiel als Trainer des FC Basel gegen Lausanne wird nach nur 19 Monaten bereits seine Abschiedsvorstellung werden. Er hat 56 davon gewonnen, 16 verloren und in dieser Saison mit 28 Spielen ohne Niederlage einen Rekord aufgestellt.

Im Gegensatz zur Empörung, die die Trennung von Heiko Vogel auslöste, wirkt die Entscheidung wie ein Befreiungsschlag.

Wenn man sich die nackten Zahlen und Fakten anschaut, haftet auch dieser Trennung Irritierendes an, so wie vor anderthalb Jahren bei Heiko Vogel. Kam die Entlassung des clubintern gar nicht immer so fröhlich auftretenden Pfälzers noch unvermittelt für die Öffentlichkeit, löste sie noch eine Welle der Empörung aus, so kann man die Ablösung von Yakin fast wie einen Befreiungsschlag verstehen. Weil man sich nicht vorstellen will, wie bei nächstbester Gelegenheit zum wiederholten Mal eine öffentlich begleitete Trainerdiskussion geführt worden wäre.

Zu lange schon schwang eine latente Unzufriedenheit mit. Verkürzt ausgedrückt: die Mannschaft nicht inspiriert vom Fussball, den Yakin einüben liess, Kritik am Führungsstil des Trainers, die Clubführung besorgt über die Entwicklung der Mannschaft und einzelner Spieler, das Publikum immer wieder unbefriedigt über das Dargebotene.

Die Diskussion über den Trainer Murat Yakin setzte ein, da war seine erste Saison noch gar nicht zu Ende, drangen erste vergrämte Stimmen aus der Kabine. Das akzentuierte sich im Champions-League-Herbst, aber Murat Yakin liess die mediale Begleitmusik mit Sarkasmus an sich abperlen: Er hätte es schlimmer erwartet. Aber was könnte schlimmer sein als eine Trainerdebatte, während die Mannschaft von Erfolg zu Erfolg (und zu ein paar Unentschieden) eilt?

Das einzige Ziel des Zweckbündnisses mit Yakin lautete: Meister werden, komme was wolle.

Dampf aus dem Kessel ablassen konnte der FCB am Jahresanfang mit einer «Anpassung» genannten Vertragsverlängerung. Es war das Zweckbündnis, dessen einziges Ziel lautete: Meister werden, komme was wolle.

Eines muss man Murat Yakin lassen: Er hat seine Linie durchgezogen. Und die Sphinx aus Münchenstein liess sich nichts anmerken, auch in der Meisternacht nicht, die er in der ihm eigenen Reserviertheit genoss. Aber er muss auch erkennen, dass man nach seiner Basler Zeit das sagen wird, was man sich auch in Luzern über ihn erzählt: dass er die Mannschaft nicht hinter sich gebracht hat, dass er es nicht verstanden hat, die Reihen zu schliessen. Die Erosion seiner Stellung war ein schleichender Prozess.

Murat Yakin: Zum Schluss ein Trainer ohne grossen Rückhalt in Mannschaft und beim Publikum.

Murat Yakin wurde in Basel als Trainer respektiert, aber nicht geliebt, ein Trainer ohne Publikum im Rücken und zum Schluss, was weitaus schwerer wiegt, auch ohne Mannschaft. Zumindest weite Teile von ihr. In seiner Distanziertheit, die er als die nötige Coolness begreift, wurde ihm zuletzt eine immer grössere Ähnlichkeit zum Trainer seiner erfolgreichsten Zeit als Spieler attestiert: zu Christian Gross. Als Kompliment konnte er das nicht unbedingt auffassen.

Und weil der FC Basel sich in einem Spannungsfeld befindet, in dem ein erfolgsverwöhntes Publikum nicht nur Siege feiern, sondern den FCB «besser siegen sehen will», wie das «20 Minuten» treffend beschreibt, hat man mit dem Gewinn von Titeln zwar vieles richtig gemacht; im grossen Theater der Emotionen aber nicht genügend berücksichtigt, dass die Leute mit auf eine Reise genommen werden wollen.

«Wir haben realistischen und erfolgsorientierten Fussball gespielt», verteidigte Yakin seine fussballerische Strategie am Tag nach der zweiten Meisterschaft. Doch über den reinen Erfolgsausweis setzte sich die Vereinsführung hinweg. Präsident Bernhard Heusler und seine Vorstandskollegen haben ein zweites Mal die Reissleine gezogen. Sie werden dafür weit weniger Prügel kassieren als nach der Trennung von Heiko Vogel, weil sie diesmal nichts schöngeredet haben.

Die Entlassung ist ein klares und auch gnadenloses Urteil. Und der FC Basel wird einen grossen Umbruch zu bewältigen haben.

Der Entscheid wirkt, zwischen den Zeilen der blumigen Verlautbarung, wie das Ergebnis einer nüchternen Bestandsaufnahme. Die Entlassung, wenn auch so nicht benannt und als «gemeinsame Entscheidung» betitelt, ist ein klares Urteil, es ist auch ein gnadenloses, das den Gesetzmässigkeiten der Branche folgt.

Somit wird der FC Basel in diesem Sommer ein noch viel grösserer Umbruch erleben, als bereits angenommen wurde. Nicht nur mit neuen Spielern. Sondern auch mit einem neuen Trainer, der zudem einen neuen Stil einbringen muss. Und der vielleicht wieder ein etwas längeres Haltbarkeitsdatum trägt.

Weitere Kommentare und Einordnungen zur Entlassung von Muat Yakin

«Der neue Rhythmus des FCB» – der «Tagesanzeiger» aus Zürich

«Trennung mit Ansage» – Die «Sportinformation» bei nzz.ch

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