Das Ende totalitärer Fantasien

Die EU erlebt schwere See, sie bleibt aber auf Kurs: Das Ultimatum an Polen, seine umstrittene Justizreform anzupassen, ist ein wichtiger Punkt. Ein Kommentar unseres Korrespondenten.

Er kann jammern über die EU, ohne sie überlebt er politisch kein Jahr: PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski.

(Bild: AP Photo/Czarek Sokolowski)

Die EU erlebt schwere See, sie bleibt aber auf Kurs: Das Ultimatum an Polen, seine umstrittene Justizreform anzupassen, ist ein wichtiger Punkt. Ein Kommentar unseres Korrespondenten.

Das Schiff mit Namen EU sinke gerade, aber die Brüsseler Kommission habe nichts Besseres zu tun, als sich mit den Feinheiten der polnischen Justizpolitik zu befassen. So lästerte am Mittwoch ein Senator der rechtspopulistischen PiS-Partei, die seit einem Dreivierteljahr in Warschau regiert und unter dem begründeten Verdacht steht, die Demokratie im Land zu schleifen und einen autoritären Staat zu errichten.

Es stimmt schon: Der Terror im eigenen EU-Haus, die Kriege in der Nachbarschaft, der Brexit und ein drohender Zerfall der Union vermengen sich derzeit zu einer Grosskrise von gefühlt apokalyptischem Ausmass. In dieser Lage stellen immer mehr Menschen in Europa die Frage, ob allzu viel Rechtsstaatlichkeit und demokratische Prinzipientreue auch schädlich sein können.

Indes: Das Gegenteil ist richtig!

Eine Schönwetter-Demokratie, die nur bei Rückenwind an ihre Stärke glaubt, ist keine Demokratie. Freie Gesellschaften müssen gerade in stürmischen Zeiten ihre Standfestigkeit bewahren und ihre Wehrhaftigkeit beweisen, und das heisst eben auch, dass die EU ihre Werte und Prinzipien nicht auf dem Altar einer falsch verstandenen Krisenpolitik opfern darf. Die allzu zahme Brüsseler Türkei-Politik ist in dieser Hinsicht ein abschreckendes Beispiel.

Und Polen?

Das Land ist, anders als die Türkei, EU-Mitglied und unterliegt entsprechend anderen Regeln. Es war deshalb absolut richtig, dass die EU-Kommission der PiS-Regierung in Warschau von Anfang an mit dem schärfsten Schwert entgegengetreten ist, über das sie verfügt: dem Rechtsstaatsverfahren, an dessen Ende Sanktionen stehen könnten. Dass eine Suspendierung der polnischen EU-Mitgliedschaft kaum durchsetzbar wäre, ändert an dieser Bewertung nichts.

Tatsächlich ist es so: Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski hat sehr ähnliche autoritäre Ideen vom «guten Regieren» wie Kremlchef Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan. Dass er seine totalitären Fantasien nur in engen Grenzen ausleben kann, hat eben doch sehr viel mit der Einbindung Polens in die EU zu tun.

Eine Abkehr von der westlichen Staatengemeinschaft würde Kaczynski in seiner Heimat politisch schlicht nicht überleben – und das ist durchaus ein Beleg dafür, dass das EU-Schiff zwar in schwerer See ist, aber vom Untergang keine Rede sein kann.

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Der Hintergrund zum Thema: Die EU stellt Polen ein Ultimatum für die Änderungen an der Justizreform

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