Das Läggerli-Genf am Rheinknie

Die OSZE-Tagung in Basel ist mehr als eine grosse Marketingübung mit Scharfschützen auf den Dächern. Schafft es Basel, den Anlass zu stemmen, kann der Stadtkanton ein zweites Genf werden.

Bunte Marketingtools in Ehren: Das bisschen Stadtmarketing begründet aber noch nicht, warum Teile von Basel für die OSZE-Tagung eingegittert und abgesperrt werden. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die OSZE-Tagung in Basel ist mehr als eine grosse Marketingübung mit Scharfschützen auf den Dächern. Schafft es Basel, den Anlass zu stemmen, kann der Stadtkanton ein zweites Genf werden.

Es wirkt bizarr, richtig surreal, wenn die Stadtmarketing-Chefin von Basel von einer neuen Plakatkampagne spricht und davon, dass 231 Journalisten einen guten Eindruck von Basel in die Welt tragen sollen, während daneben zwei Zwei-Sterne-Generäle der Schweizer Armee sitzen, die 3600 Soldaten nach Basel entsenden, um Teile der Stadt abzuriegeln und zu Luft und am Boden bewaffnet die Lage zu überwachen.

Das Dispositiv wirkt unverhältnismässig, wie ein Hohn für das bisschen Stadtmarketing, das sich damit erzielen lässt. Für ein Stadtmarketing, das mit jeder Kunstmesse glamouröser nach aussen getragen wird als mit einer für die Öffentlichkeit trockenen Aussenministerkonferenz, deren Name allein schon so abstrakt ist, dass viele sich nichts darunter vorstellen können. OSZE? OECD? Wen kümmerts: Ein paar hohe Tiere, die sich in Basel treffen.

Kein Brot, keine Spiele: Warum das alles?

Und für die Bevölkerung schaut nichts heraus, kein Brot, keine Spiele. Den Baslern werden Gitter vor die Nase gesetzt und die Nachbarn müssen sich hinter heruntergelassenen Rollläden verstecken, wenn die internationalen Taktgeber heranchauffiert werden. Da hilfts auch nicht, wenn man dem Gewerbe zwei bis drei Millionen Umsatz für Hotels, Beizen und Weiteres in Aussicht stellt.

Nein, es geht um mehr als nur um ein warmes Willkommen und hoffentlich auf Wiedersehen mit Schoggi, Buttons und Fensterklebern. Da bringt jede Kommerz-Messe mehr als ein Ministertreffen, das horrende Sicherheitskosten bringt.

Die OSZE-Ministerratskonferenz ist ein gewaltiger Testlauf, ob Basel das Potenzial hat, ein zweites Genf zu werden. Ein Brennpunkt diplomatischer Konferenzen, ein Kompetenzzentrum nicht nur für Schmuck-, Kunst- und Pharma-Treffen, sondern auch eine Adresse für die Lenker der Welt. Und damit aus Bundessicht eine willkommene Alternative zu Genf.

Basel hat alles – ausser Erfahrung

Basel hat die Infrastruktur: einen Flughafen, einen professionell auf- und ausgebauten Messebetrieb, die Hotels, die Lage. Das alles macht den Stadtkanton zu einer attraktiven Alternative für diplomatische Konferenzen. Zumal Genf bislang die einzige Schweizer Stadt ist, die solche Events stemmte – und zunehmend ächzt.

Wer sonst? Zürich, das gerne den urbanen Leader der Schweiz mimt, spielt in Sachen Messe lieber den Juniorpartner. Bern ist international zu wenig erschlossen und messeseitig Entwicklungsland. Basel allerdings hat alles, was es dazu braucht – ausser die Erfahrung.

Und was eignet sich besser, um sich zu beweisen, als ein Treffen höchster internationaler Delegierter, das von Kanton und Bund eine gigantische Sicherheitsleistung abverlangt: Das Treffen ist ein Stresstest für die Behörden, ein Testlauf für weitere Treffen auf ähnlicher Flughöhen. Schafft Basel diesen Kongress, sind kleinere Diplomatentreffen kein Problem mehr.

Wer also glaubt, nach dem Dezember 2014 sei der Spuk vorbei, täuscht sich. Ebenso jene, die glauben, dass unser bescheidenes Stadtmarketing ein massgeblicher Player bei diesem Treffen ist.

Doch: Wer für 1200 Delegierte aus 57 Ländern 3600 Armeeangehörige und 1000 Polizisten aufbietet und dafür Teile der Stadt abriegelt, muss das der Bevölkerung gut erklären.

Höchste Zeit für vertrauensfördernde Worte

Schriftliche und mündliche Anwohnerinformationen reichen nicht, um einen Nährboden des Vertrauens zu schaffen. Wer den Baslerinnen und Baslern für ein Treffen politischer Eliten hinter verschlossenen Türen den Weg versperrt, sollte das besser erklären können. Und ihnen nicht zuerst ein Gitter vor die Nase stellen und dann erst eine Woche später darüber informieren.

Basel als weltoffene Stadt von internationaler diplomatischer Relevanz, das ist eine schöne Vorstellung. Nur sollten Argumentation, Vermarktung und Sinnvermittlung auf ebenso hohem Niveau stattfinden.

Auch wenn der Bund der Gastgeber des OSZE-Treffens ist: Vielleicht wären nun ein paar vertrauensfördernde Worte der Regierung dieses Austragungsortes angebracht. Um den Einwohnern zu erklären, was sie wirklich davon haben, eingegittert zu werden. Ausser als Stadt den ausländischen Delegationen mit Plakaten, Schoggispendern und Buttons einen guten Eindruck gemacht zu haben.

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