Die Ablehnung von Olympia in München und den bayerischen Alpen hat über den basisdemokratischen Entscheid hinaus Signalwirkung für den Sport und die Gesellschaft. Die Floskeln von IOC, Fifa und den politischen Befürwortern von Mega-Events mag keiner mehr hören. Und Winterspiele in den Alpen kann man sich auf absehbare Zeit nicht vorstellen.
Vorweg das Fortschrittliche: In Bayern wurden die Bürger zur Abstimmung gebeten, um über die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 abzustimmen. Und zwar bevor am Donnerstag dieser Woche das Interesse beim Internationalen Olympischen Komitee deponiert werden muss.
In basisdemokratischen Übungen stecken die Deutschen noch in den Kinderschuhen, das darf man aus schweizerischer Perspektive ohne jeglichen Hohn und Spott feststellen. In München wurde mit den Wahlunterlagen lediglich eine Broschüre mit den Argumenten pro Winterspiele verschickt wurde – hierzulande wäre das undenkbar.
Aber obwohl die Befürworter einer Bewerbung für Olympia 2022 eine breite Lobby von Politik und Sportprominenz aufbieten konnten, ist die Bewerbung durchgefallen. Zwischen 51,6 Prozent Nein-Stimmen (in Garmisch-Partenkrichen) bis 59,7 (im Landkreis Traunstein) lag die Ablehnung. In der Millionenstadt München gingen zwar nur 28,9 Prozent der Wahlberechtigten zur Urne (Nein: 52,1), hingegen in Garmisch-Partenkirchen immerhin 55,8 Prozent.
Der Traum der Münchner, 50 Jahre nach den Sommerspielen 1972 wieder olympischer Gastgeber zu werden, ist damit geplatzt, genauso begraben die Hoffnungen, nach der als «Sommermärchen» in Erinnerung gebliebenen Fussball-Sause 2006 ein «Wintermärchen» zu erleben. Der wie ein Säulenheiliger gepflegte Franz Beckenbauer kann das alles nicht verstehen:«Das wird ihnen irgendwann leidtun», raunte er nach Auszählung der Stimmen in Richtung Olympia-Gegner und nannte Olympische Spiele per se «ein Geschenk».
Das sehen allerdings immer häufiger immer mehr Menschen ganz anders. Die Versprechungen und Nachhaltigkeitsfloskeln mag keiner mehr hören. «Die nachhaltigsten Spiele», hat die «Zeit» kühl festgehalten, «sind die, die nicht stattfinden.» Immer mehr Menschen können immer weniger mit dem Gigantismus, der Überkommerzialisierung und den ökologischen Begleiterscheinungen von Grossveranstaltungen anfangen. Und immer weniger lassen sich von rührseligen Bildern einwickeln, die ihnen von den Schauplätzen vorgesetzt werden vom Fernsehen, das diese Bilder teuer bezahlt.
Das Risiko abgewälzt, den Profit monopolisiert – das Geschäftsmodell von IOC und Fifa.
Argumente wie die Chancen, die solche Mega-Events bieten, die Innovationen und Investitionen, verfangen nicht mehr, weil in freiheitlichen Gesellschaften nicht länger ignoriert wird, dass die Veranstalter der grossen Sportmessen, das IOC und die Fifa, es geschafft haben, mir ihrem Geschäftsmodell das Risiko auf die Ausrichterländer abzuwälzen und den Profit für sich zu monopolisieren. IOC und Fifa sind Organisationen, die nicht mehr nur von kritischen Medien als Hort von Intransparenz, Korruption und Prunksucht verstanden werden. Und dass ausgerechnet in Deutschland die Olympia-Bewerbung Schiffbruch erlitten hat, muss dem neuen IOC-Präsidenten, dem Deutschen Thomas Bach, wie eine Ohrfeige vorkommen – wenn er den eine solche Sensibilität überhaupt noch besitzt.
Noch sind die Proteste im Fussball-WM-Land Brasilien nicht verklungen, herrscht weltweite Empörung über die Zustände in Sotschi (Olympia 2014) und Katar (WM 2020) und die Vergabe solcher Grossanlässe. Aber nichts deutet darauf hin, dass Botschaften wie die Münchner Abstimmung in Lausanne beim IOC oder in Zürich bei der Fifa tatsächlich ankommen, geschweige denn, dass sie zu Veränderung und Erneuerung führen. Die Karawane wird weiterziehen, von Ort zu Ort, wo willfährige Regierungen und Regime den Boden bereiten.
Das Signal, das von München ausgeht, bedeutet: In Deutschland wird es ohne Zustimmung der Bürger künftig keine Olympischen Spiele mehr geben. Die andere Erkenntnis lautet: Im Alpenraum sind auf nicht absehbare Zeit olympische Winterspiele unvorstellbar.
Nachdem das Stimmvolk in Graubünden schon zu Jahresbeginn die Bewerbung für 2022 den Bach hinunter geschickt hat, fällt die Schweiz ebenso aus wie Deutschland. Wie auch Italien, das erst 2006 für Turin den finanziellen Klimmzug hinter sich gebracht hat. Wie Frankreich, das für 2018 zwar Annecy im Rennen hatte, dessen Staatskasse aber keine Grossveranstaltung verträgt. Ganz zu schweigen von kleinen Alpenrepubliken wie Slowenien, für die Spiele wahrscheinlich nicht einmal im Verbund mit anderen Nationen vorstellbar sind.
Ganz zu schweigen von Österreich. Das zarte Vorfühlen in Wien für Sommerspiele wurde bei einer Volksbefragung erst jüngst abgeschmettert. Innsbruck, zweimal Ausrichter der Winterspiele, hat schon vor Jahren dankend abgelehnt und Salzburg nach zwei gescheiterten Bewerbungen die Nase voll. So gesehen ist München das Begräbnis für Olympische Spiele in den Alpen.