Das Pulverfass ist explodiert

Warum dieser abrupte Gewaltausbruch in Westafrika? Am Ursprung liegt nicht der französische Militäreinsatz, sondern der schleichende Vormarsch von Islamisten, die auch den Religionsfrieden der Sahelzone bedrohen.

(Bild: Reuters)

Warum dieser abrupte Gewaltausbruch in Westafrika? Am Ursprung liegt nicht der französische Militäreinsatz, sondern der schleichende Vormarsch von Islamisten, die auch den Religionsfrieden der Sahelzone bedrohen.

Jetzt also auch Westafrika. Europa muss zur Kenntnis nehmen, dass das Terrornetzwerk Al Kaida nicht nur in Pakistan und Afghanistan sein Unwesen treibt, sondern auch in Ländern wie Mauretanien, Niger und Algerien. Also nicht nur östlichen, sondern auch südlich von Europa, bloss drei Flugstunden entfernt.

Das ist beunruhigend, aber an sich nicht neu. Der regionale Kaida-Ableger Aqmi ist seit 2007 aktiv; die Scharia im Norden des Sahelstaates Mali haben die Dschihadisten schon im vergangenen Jahr ausgerufen. Seit Jahren nehmen die Wüstenkrieger westliche Geiseln; seit Monaten sind acht Franzosen in ihrer Hand. Die Attacke auf das algerische Gasfeld war nur in ihrem Ausmass ein Novum.

Die Schuld den Franzosen zu geben, wäre verfehlt.

Hochgegangen ist das Pulverfass bereits südlich davon, im Sahelgebiet. Dort haben die Islamisten ihre Hochburg. Die von Experten diskutierte Frage, ob die algerischen Geiselnehmer ihre Operation in einer Woche aufziehen konnten, also auf den französischen Militäreinsatz in Mali reagierten, ist letztlich müssig: Auf jeden Fall richtete sich der Anschlag gegen den seit langem geplanten Versuch des Westens und der Afrikaner, die Islamisten aus dem Norden Malis zu verjagen.

Deshalb die Schuld den Franzosen zu geben, wäre aber verfehlt. Im Gegenteil, der französische Präsident François Hollande stoppte mit der Operation «Serval» den Vormarsch der Islamisten Richtung malische Hauptstadt Bamako. Deren Vorpreschen war mehr als eine Provokation – eine Kriegserklärung. Die Franzosen reagierten prompt, da sie die Region bestens kennen. Sie wissen, dass der Gewalt der Aqmi-Islamisten friedlich, das heisst mit schönen Worten, nicht beizukommen ist.

Die französische Intervention war deshalb auch für den deutschen Verteidigungsminister Thomas de Maizière «konsequent und richtig». Die Gefahr eines solchen Militäreinsatzes liegt freilich darin, dass er die Gewaltspirale nur noch ankurbelt, wenn er nicht ganz präzisen politischen Vorgaben folgt. Siehe Irakkrieg – und siehe Libyenkrieg, der die Eskalation in Mali und Algerien indirekt auslöste: Ohne die Söldnerbanden und die schweren Waffen, die der Sturz Muammar al Gaddafis freisetzte, hätten die Islamisten und Tuareg den Norden Malis nie besetzt.

Nun führen die Franzosen und bald auch afrikanische Truppen Krieg gegen die Dschihadisten. Möglich, dass sie bald überfordert sein werden bei dem Versuch, das riesige, unwirtliche Gebiet militärisch zu kontrollieren. Und selbst wenn es ihnen gelingen sollte, fehlen die Rahmenbedingungen für die Befriedung und Demokratisierung der Region. So in Bamako, wo das politische Chaos den Islamisten Vorschub leistet.

Der Libyenkrieg hat die Eskalation in Mali und Algerien indirekt ausgelöst

Jede Kriegsrhetorik oder islamfeindliche Parole sind ferner fehl am Platz. Das ist gerade in Mali wichtig, wo 90 Prozent der Bevölkerung Moslems sind. Sie praktizieren einen toleranten, liberalen Islam und haben mit den – zumeist ausländischen, das heisst mauretanischen und algerischen – Gotteskriegern nichts am Hut. Vermasseln die Franzosen ihren Einsatz, kann die Stimmung in der malischen Hauptstadt Mali rasch kippen.

Zweitens dürfen die kriegsführenden Länder nicht in den Verdacht geraten, wirtschaftliche oder geopolitische Eigeninteressen zu verfolgen. Die Uranminen im Niger – noch exponierter als algerische Raffinerien – oder eine kolonialistisch verbrämte Hinterhofpolitik müssen für Frankreich tabu sein. Sonst verliert es die fragile Unterstützung der Bevölkerungen, was nur wieder den Islamisten in die Hände spielen würde.

Paris muss die alte Politik der «Françafrique», das heisst der postkolonialen Vernetzung und Korruption, schleunigst aufgeben. Hollande hatte dies schon im Präsidentschaftswahlkmapf 2012 versprochen. Von ihm hängt viel ab. Im Dezember weigerte sich der sozialistische Staatschef, dem Autokraten der Zentralafrikanischen Republik, François Bozizé, gegen eine Rebellion die Fremdenlegionäre zu schicken. Das war ein guter Beginn der Hollande’schen Afrikapolitik.

Alles in allem ist der Einsatz gegen die Islamisten in Westafrika ohne Alternative. Aber er kann nur Erfolg haben, wenn er sauber geführt wird.

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