Das Unbehagen siegt

Eine klare Mehrheit des Stimmvolks sagt Ja zu den dringlichen Massnahmen im Asylbereich, die die Verfahren beschleunigen sollen. Damit werden auch einige heikle Verschärfungen ins Gesetz überführt, die die Rechte der Flüchtlinge markant beschneiden.

Die dringlichen Änderungen des Asylgesetzes werden von einer Mehrheit des Stimmvolks gutgeheissen: Damit werden die Schrauben im Asylbereich zum zehnten Mal seit 1981 angezogen. (Bild: Nils Fisch)

Eine klare Mehrheit des Stimmvolks sagt Ja zu den dringlichen Massnahmen im Asylbereich, die die Verfahren beschleunigen sollen. Damit werden auch umstrittene Verschärfungen ins Gesetz überführt, die nicht der Beschleunigung dienen, aber die Rechte der Flüchtlinge markant beschneiden und den Zugang zum Asyl erschweren.

Eine klare Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürgerin hat SP-Justizministerin Simonetta Sommaruga grünes Licht gegeben: Die dringlichen Massnahmen des Asylgesetzes, die seit September 2012 gelten, bleiben in Kraft. Die Schrauben werden weiter angezogen, zum zehnten Mal in den letzten 30 Jahren.

Es ist ein Entscheid, der vom wachsenden Unbehagen über die Einwanderung und von Überfremdungsängsten befördert worden ist. Ein Klima, das von rechtsbürgerlichen Kreisen seit Jahren gezielt bewirtschaftet wird und zu einer ganzen Reihe von migrationspolitischen Vorlagen geführt hat, die sich entweder in der parlamentarischen Debatte befinden oder bald zur Abstimmung kommen: die «Durchsetzungs-Initiative, die «Masseneinwanderungs-Initiative», die Ecopop-Initiative, die Totalrevision des Bürgerechtsgesetzes sowie die Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes.

Das Klima der Angst wird von rechtsbürgerlichen Parteien seit Jahren gezielt geschürt.

Beschönigungen sind fehl am Platz. Die wachsende Zahl von Flüchtlingen, die aus wirtschaftlichen Gründen in die Schweiz fliehen, bringt unser Asylsystem an die Grenzen. Die Verfahren dauern viel zu lange. Und eine kleine Gruppe von gewaltbereiten jungen Migranten aus Nordafrika hat die Stimmung im Vorfeld dieser Abstimmung zusätzlich angeheizt. Doch das Boot ist längst nicht voll.

Einige Massnahmen gehen zu weit

Wird mit Stimmungen und Ängsten politisiert, haben es nüchterne Analysen schwer. Die dringlichen Änderungen des Asylgesetzes werden den Einwanderungsdruck nicht senken, wie es die Rechte behauptet. Sie untergraben auch nicht die humanitäre Tradition der Schweiz, wie die Kritiker von der Gegenseite beklagen.

Doch einige Massnahmen gehen zu weit. Etwa die Abschaffung des Botschaftsasyls. Hilfesuchenden ist es seit dem vergangenen September nicht mehr möglich, bei einer Schweizer Vertretung im Ausland ein Asylgesuch einzureichen. Der Bund rechtfertigt diese Massnahme mit der Tatsache, dass von den jährlich rund 8000 Gesuchen nur jedes zehnte positiv beantwortet wird und nur die Hälfte der Eingereisten schliesslich in der Schweiz bleiben dürfen.  

Symbolpolitische Augenwischerei

Diese Massnahme wird Asylmissbräuche nicht minimieren, und sie dient auch nicht der parteiübergreifend geforderten Beschleunigung der Asylverfahren. Doch sie schwächt die Stellung jener Asylsuchenden, die am stärksten bedroht sind. Und sie spielt rücksichtslosen Schleppern in die Hand, die Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Umständen nach Europa schleusen.

Symbolpolitische Augenwischerei betreibt auch der Passus, wonach Kriegsdienstverweigerung kein Asylgrund mehr ist. Es ist eine wirkungslose Bestimmung. Denn auch künftig müssen Deserteure, die an Leib und Leben bedroht sind, aufgenommen werden – sie verharren neu nun aber in einem prekären Status, der die Integration erschwert.

Das Asylgesetz soll Menschen vor Verfolgung schützen und nicht bestrafen.

Ebenfalls bedenklich ist die Errichtung von speziellen Zentren bzw. Lagern, in denen «renitente» Asylbewerber unter haftähnlichen Bedingungen vorsorglich untergebracht werden sollen. Das Asylgesetz steht nicht im Dienst des Strafrechts: Sein Zweck ist, Menschen vor Verfolgung zu schützen und nicht zu bestrafen.

Auch sinnvolle Massnahmen

Diese unnötigen Verschärfungen werfen einen Schatten auf die sinnvollen Massnahmen, die diese Revision ebenfalls beinhaltet. Etwa die Bestimmung, die den Bund ermächtigt, rasch neue Unterkünfte in Betrieb zu nehmen. Bislang hatten es Gemeinden allzu leicht, Asylzentren zu verhindern. Das revidierte Gesetz schränkt die Einsprachemöglichkeiten gegen neue Asylunterkünfte ein. Sinnvoll ist es auch, die neuen Konzepte der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen in einem Asyl-Testzentrum zu prüfen, um weitere Leerläufe in den Verfahren zu verhindern.

Grosse Erwartungen geweckt

Man darf sich aber keine Illusionen machen. Auch diese weitere Verschärfung des Asylgesetzes wird die Migration nicht an unserer Landesgrenze zurückhalten. Die Wirksamkeit von Abschottungs- und Abschreckungsmassnahmen ist klein und verpufft rasch. Menschen fliehen – legal oder illegal – in die Schweiz, weil sie hier Schutz vor Verfolgung suchen und materielle Sicherheit finden. Solange es unserem Land gut geht, wird sich daran nichts ändern.

Die Verschärfung des Asylgesetzes wird die Migration nicht an unserer Landesgrenze zurückhalten.

Simonetta Sommaruga hat mit dem dringlichen Änderungen des Asylgesetzes grosse Erwartungen geweckt. Dank den neuen Bestimmungen könne der Vollzugsstau in den Asylverfahren wirksam angegangen werden, verspricht die Justizministerin. Künftig sollen vier Fünftel aller Verfahren innerhalb von vier Monaten abgewickelt werden.

Der Bundesrat wird sich an diesem Versprechen messen lassen müssen. Werden sie nicht eingelöst, wird die Stimmungsmache vonseiten rechtsbürgerlicher Kreise von Neuem beginnen, und es wird zu weiteren Verschärfungen im Asylrecht kommen, die niemandem nützen. Uns nicht. Und den Vertriebenen und Hilfesuchenden schon gar nicht.

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