Carte Blanche für François Hollande: Im zweiten Durchgang der Parlamentswahlen haben die Franzosen ihrem neuen Staatschef eine (absolute) Mehrheit zum Regieren auf den Weg gegeben.
Anders als bei den Präsidentschaftswahlen im Mai, die Hollande von einem deutlichen Anti-Sarkozy-Reflex profitieren liessen, haben die Sozialisten diese Wahl aus eigener Kraft gewonnen. Auch ohne Schützenhilfe des Front National, das heisst anders als in der Ära des Sozialisten François Mitterrand, der die Rechtsextremen bewusst förderte, um die Bürgerlichen zu schwächen.
Ein sauberer Sieg für Hollande und den Parti Socialiste. Dieser beherrscht nun sämtliche Schalthebel der institutionellen Macht im Staat: Elysée, Hotel Matignon (Regierungssitz des Premierministers), Nationalversammlung, Senat, die Regionen und wichtige Städte wie Paris oder Lyon. Auf Französisch nennt man das «la totale»: Nicht einmal Mitterrand verfügte über eine so umfassende Macht.
Wichtiges Detail: In der fünfjährigen Legislaturperiode muss sich Hollande nicht auf die Kommunisten und die «Linksfront» abstützen, die einen ebenso radikalen Europakurs wie ihre griechische Schwester Syriza fahren. Das ist wegweisend für die französische Wirtschaftspolitik. Auf Hollande warten nach der Einlösung einiger generöser Wahlversprechen nun harte Brocken: Die Rückkehr zur Budgetdisziplin, die Hollande als erster sozialistischer Staats- oder Regierungschef in sein Programm aufgenommen hatte; dazu all jene Strukturreformen, die Frankreich ermöglichen sollen, die gegenüber Deutschland verlorene Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen.
Europa schaut auf Frankreich
Wie das Hollande bei zunehmenden Rezessionstendenzen schaffen will, weiss er wohl selbst noch nicht. Eines ist aber klar: Macht er nicht rasch ernst mit der Modernisierung Frankreichs, kriegt der ganze Euro-Dampfer Schlagseite. Europa schaut nicht nur auf Griechenland, sondern auch auf das EU-Schlüsselland Frankreich. Es kann zwischen Deutschland und Südeuropa eine Brückenfunktion wahrnehmen und zwischen den Spar- und den Wachstumstheoretikern vermitteln. Aber nur, wenn Hollande zuerst selbst durchzieht, was er von Athen verlangt: die Sanierung der französischen Volkswirtschaft.
Sein Premierminister Jean-Marc Ayrault warnte mit Blick auf die Wirtschafskrise und die anstehenden Reformen bereits am Sonntagabend: «Das vor uns liegende Werk ist immens. Nichts wird einfach sein.» Arbeitslosigkeit, Budget- und Handelsdefizit lasten schwer auf Frankreich, und Hollande wird nicht viel Zeit haben. Er will das Land «wieder aufstellen», allerdings «auf gerechte Weise». Die erwarteten Steuererhöhungen sollen zuerst die Wohlhabenden treffen. Sie werden die Wahlverlierer sein. Bei den zu erwartenden Steuererhöhungen, die für die nächsten Wochen anstehen, wird es zuerst Frankreichs Reichen ans Portemonnaie gehen. Und zwar, wie Hollande sagte, mit einem sehr französischen Argument: Sie stünden der Nation «aus Patriotismus» in der Verpflichtung.