Die Baselbieter Regierung hat den Kampf gegen ihr Dauerdefizit aufgenommen. Eine erste Waffe ist Anton Laubers neue Schuldenbremse. Doch sie birgt das Risiko der Selbstverstümmelung.
Da kommt also Anton Lauber, der stets gut gelaunte, ehemalige Gemeindepräsident von Allschwil, seit 2013 Baselbieter Finanzdirektor, und er zerschlägt in einem Zug eine der grössten Erbschaften seines Vorgängers Adrian Ballmer (FDP): die Defizitbremse. Das Instrument, das den Kanton davor bewahren sollte, immer weiter in die roten Zahlen zu rutschen. Sieben Jahre nach Einführung ist das Gegenteil eingetreten.
«Schuldenbremse» heisst die neue Waffe des Baselbieter Kassenwarts. Sie wird die Regierung in Zeiten tiefroter Kantonsrechnungen des Schreckgespenstes schlechthin entledigen: Der kantonalen Steuererhöhung, die automatisch eintritt, wenn das Eigenkapital des Kantons unter 100 Millionen Franken sinkt.
Ein Jahr nur brauchten Lauber und seine Finanzspezialisten, um die ungeliebte Defizitbremse zu bodigen. Und stolz präsentierten sie am gestrigen Montag der Öffentlichkeit die Früchte ihrer Arbeit, mit dem unhandlichen Namen «Stärkung der finanziellen Steuerung». Oder offiziell kurz und niedlich: Stäfis.
Nicht mal eine Volksabstimmung nötig
Das soll den Weg aus dem Dickicht roter Finanzen weisen: Mit Stäfis wird das Parlament nicht mehr nur über ein globales Budget bestimmen und den Finanzplan zur Kenntnis nehmen, nein, der Landrat soll mit einer vierjährigen Finanzplanung die Ausgaben angesichts der Einnahmen stabilisieren – und zwar in Anbetracht der Rechnungen der vergangenen Jahre.
Dass das Baselbieter Stimmvolk einer Steuererhöhung zustimmt, ist so wahrscheinlich wie eine rotgrüne Regierungsmehrheit im Landkanton.
Und ja, die Schuldenbremse: Sie befiehlt im Gegensatz zur Defizitbremse, dass zuerst gespart wird. Eine Steuererhöhung bei fast aufgebrauchtem Eigenkapital ist ganz am Schluss zwar immer noch möglich, sie bedarf aber einer Volksabstimmung. Damit rückt das Schreckgespenst nicht nur in weite Ferne, sondern verschwindet faktisch vom Horizont. Dass das Baselbieter Stimmvolk einer Steuererhöhung zustimmt, ist so wahrscheinlich wie eine rotgrüne Regierungsmehrheit im Landkanton.
Der Trick dabei: Für die Umsetzung der Massnahmen im Rahmen von Stäfis braucht es nicht einmal eine Volksabstimmung. Im Gegensatz zur Defizitbremse, die das Volk 2008 mit 69 Prozent Ja-Stimmen angenommen hatte – einer der Gründe, warum Ballmer das Instrument bis zuletzt aufs Heftigste verteidigte und sich mit allen Mitteln gegen Vorwurf wehrte, dass die Defizitbremse nichts nütze. Zuletzt war für Ballmer immer auch das Parlament massgeblich an der Misere mitschuldig. Die Landräte gäben das Geld mit beiden Händen aus, klagte er.
Die Regierung kann im Notfall flächendeckend kürzen
Stäfis also, dieses Unwort, dieses Konstrukt aus staatspolitischen Regler-Einstellungen und Nachjustierungen, ist ein erster grosser Befreiungsschlag. Doch erst in Zukunft. Die Vorlage wandert jetzt durch die Mühlen politischer Beschlussfassung.
Damit nimmt die Regierung das Parlament finanzpolitisch an die kurze Leine. Der Landrat soll künftig nicht nur ein Budget durchwinken, er wird direkt mitverantwortlich für die Mehrjahresplanung der lädierten Kantonsfinanzen. Lauber kettet genau die Landräte an, denen Ballmer nachsagte, sie gäben das Geld mit beiden Händen aus und würden anschliessend der Regierung die Schuld für die aus dem Ruder laufenden Finanzen geben.
Dieser Schritt ist aus Sicht der defizitgeplagten Regierung klug. Er zwingt das Parlament zu einer stärkeren Selbstkontrolle und ermöglicht der Regierung, Sparprogramme in letzter Konsequenz durchzusetzen. Denn einigt sich das Parlament nicht auf Sparmassnahmen, kann die Regierung flächendeckend kürzen.
Wie eine Familie mit zu vielen Ausgaben und zu wenig Einnahmen
Wurden solche Sparprogramme vom Parlament in der Vergangenheit traditionellerweise bis zur Wirkungslosigkeit entkräftet, kann Lauber mit der neuen Hebelwirkung von Stäfis also den Gürtel konsequent straffen. Und nach Jahren der roten Zahlen hat das Baselbiet eine strengere Kostenkontrolle mehr als nötig.
Nach Jahren der roten Zahlen hat das Baselbiet eine strengere Kostenkontrolle mehr als nötig.
Doch nicht nur. Denn das finanzielle Polster dieses Haushalts schrumpft, das Einkommen reicht seit Jahren nicht mehr, um die Ausgaben zu decken. Hier etwas Neues, da eine Investition und die Spitäler erst – eine gewaltige Geldvernichtungsmaschine. Der einstige Vorzeigehaushalt der Nordwestschweiz lebt heute grösstenteils auf Kredit und verliert gleichzeitig an Kreditwürdigkeit.
Mit der noch einzuführenden Schuldenbremse verschwindet das selbstverordnete Druckmittel der Steuererhöhung zwar weitgehend aus dem Blickfeld. Damit ist es aber nicht getan.
Klar ist: Der Kanton muss sanieren. Das geht nicht ohne schmerzhafte strukturelle Eingriffe. Es ist dies die erste und wichtigste Aufgabe der neuen Baselbieter Regierung. Und sanieren, das heisst nicht parlamentarische Kosmetik nach politischen Befindlichkeiten.
Das «Laboratorium» steckt tief in den Miesen
Es heisst, eine gründliche Strukturdebatte über Zustand und Ziele des Kantons zu führen, den BaZ-Chefredaktor Markus Somm als «das Laboratorium für die Zukunft einer bürgerlichen Schweiz» beschrieb und der momentan so schwer in den Miesen steckt, dass das Parlament nur noch Defizit um Defizit absegnen kann. Das ist besonders hart, wenn man den Blick aus dem Labor in den rotgrün regierten Nachbarkanton Basel-Stadt richtet: Dessen Sparprogramm ist darauf ausgelegt, gar nicht erst in ein Defizit zu geraten.
Anton Lauber hat mit Stäfis und der Schuldenbremse eine komplizierte Waffe geschaffen. Mit ihr muss der Kanton politisch umgehen können, ansonsten er sich selbst verstümmelt.
Es bleibt dabei: Es darf bei diesem kantonalen Grossprojekt nicht um das Wohl einer bürgerlichen Politik oder einer linken Opposition unter dem Deckmantel des Sparens gehen. Es geht hier um die Zukunft eines ganzen Kantons und seine finanzielle Handlungsfähigkeit.