Der getriebene Premier

Ungarns Wahlsieger Viktor Orban trägt eine schwere Hypothek: Er muss den Rechtsextremismus in seinem Land in den Griff bekommen, sonst droht die politische Isolation.

Gefahr von rechts: Ungarns Sonnenkönig Viktor Orban wird in den kommenden Jahren gegen jene Kräfte antreten müssen, die seinen Wahlsieg ermöglicht haben. (Bild: LASZLO BELICZAY)

Ungarns Wahlsieger Viktor Orban trägt eine schwere Hypothek: Er muss den Rechtsextremismus in seinem Land in den Griff bekommen, sonst droht die politische Isolation.

Es hatte schon etwas Groteskes. Am Ende ging es bei der Parlamentswahl in Ungarn um 23 Stimmen, die darüber entscheiden sollen, ob Viktor Orban mit einer Zweidrittelmehrheit weiterregieren kann. Dabei konnte es an dem haushohen Sieg des rechtspopulistischen Premierministers keinen Zweifel geben.

Ohnehin ist es nachrangig, ob Orbans Fidesz-Partei auch künftig die Verfassung im Alleingang ändern kann. Die Nationalkonservativen haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode ein neues Grundgesetz verabschiedet und dort all das hineingeschrieben, was sie für wichtig hielten. Das Fundament zum Bau eines absolutistischen Orban-Staates ist also gelegt. Nun gilt es nach der sonnenköniglichen Devise «L’etat c’est moi – Der Staat bin ich» nur noch durchzuregieren. Und das liesse sich auch mit 132 von 199 Abgeordneten mehr als komfortabel tun.

Manipulierte Medien

Derart erdrückend war Orbans Triumph zwar nur deshalb, weil sich Fidesz ein Wahlrecht jenseits des guten demokratischen Stils auf den Leib geschneidert und die Medien manipuliert hatte. Aber bei all dem haben die Ungarn mit ihrer Wahlentscheidung doch überdeutlich klar gemacht, dass sie eine rechtsnationale Regierung wollen. Zumindest jedenfalls ziehen sie diese der heillos zerstrittenen linksliberalen Opposition weit vor.

Das gilt es zu akzeptieren, auch in Brüssel und Berlin. Es mutet schon seltsam an, wenn ein deutscher Regierungssprecher – wie am Montag geschehen – einen wiedergewählten Ministerpräsidenten eines anderen Landes sogleich dazu ermahnt, die eigene Mehrheit «mit Augenmass, Zurückhaltung und Sensibilität» zu nutzen. Mit solchen Aussagen bringt man die Bürger in Ungarn nur gegen «die da in Brüssel» beziehungsweise in Deutschland auf.

Das soll keineswegs heissen, dass man in Europa die Augen davor verschliessen sollte, was in Budapest geschieht. Im Gegenteil! Es ist für die EU von existenzieller Bedeutung, Ungarn nicht rechts liegen zu lassen. Es gilt, Orban genau auf die Finger zu schauen, was er tut und was er lässt – und im Zweifel gegenzusteuern. Das ist aber etwas anderes, als im Voraus von Berlin aus die Richtlinien ungarischer Politik bestimmen zu wollen.

Ohne Brüssel geht nichts

Orban bekannte sich noch in der Wahlnacht ausdrücklich zur EU-Mitgliedschaft seines Landes. Das war durchaus ein Signal des Entgegenkommens. Der Premier weiss, dass er ohne die finanzielle Förderung aus Brüssel und ohne Investitionen aus dem westlichen Ausland nicht weit kommt.

Die Rechtsextremisten, die gegen Roma, Juden, Homosexuelle und Obdachlose hetzen, sind wie ein Ungeist aus der Flasche gefahren.

Allerdings ist Orban trotz seiner innenpolitischen Stärke auch ein Getriebener – und zwar von rechts. Wer die Gefahren, die in Ungarn lauern, noch immer nicht erkannt hat, dem sollte der anhaltende Siegeszug der rassistischen Jobbik-Partei endgültig die Augen geöffnet haben. Die Extremisten, die in neonazistischem Jargon gegen Roma und Juden, Homosexuelle und Obdachlose hetzen, sind vor vier Jahren wie ein Ungeist aus der Flasche gefahren. Man wird diesen Spuk nicht wieder einfangen können. Man wird ihn bekämpfen müssen. Gefordert ist deshalb nicht nur die EU. Gefordert sind vor allem die Demokraten in Ungarn – inklusive des Möchtegern-Sonnenkönigs Viktor Orban.

Wie es weitergeht in Budapest, hängt nicht zuletzt von der politischen Grosswetterlage in der EU. Triumphieren bei der Europawahl im Mai wie befürchtet populistische Parteien insbesondere auf der Rechten, so dürfte Orban in der konservativen EVP-Fraktion künftig noch leichteres Spiel haben als bisher. Wer das nicht will, der müsste endlich einmal eine starke, vernünftige und erfolgsorientierte Europapolitik machen. Das wäre dann auch ein Thema für die Bundesregierung.

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