Der Gewerbeverband wird zum rechtsideologischen Monster

Der Nationalrat hat die Revision des Kartellrechtes versenkt. Das ist ein Schlag ins Gesicht des Schweizer Gewerbes. Namentlich die grenznahen KMUs müssen das ausbaden. Ausgerechnet der Gewerbeverband hat mit seinem unverständlichen Lobbying dazu beigetragen.

Nach rechts gesteuert: Seit Jean-Francois Rime Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands ist, macht sich ein Kurswechsel bemerkbar, sagt SP-Nationalrat Beat Jans. (Bild: Keystone)

Der Nationalrat hat die Revision des Kartellrechtes versenkt. Das ist ein Schlag ins Gesicht des Schweizer Gewerbes. Namentlich die grenznahen KMUs müssen das ausbaden. Ausgerechnet der Gewerbeverband hat mit seinem unverständlichen Lobbying dazu beigetragen.

Der Artikel 7a war das Kernelement der Revision des Kartellrechts. Er wollte, dass schweizerische Abnehmer im Ausland zu den selben Preisen einkaufen können, wie alle anderen auch. Das wäre eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Ist es aber nicht. Die Beispiele sind eindrücklich:

  • Ein Lastwagenbauer im Rheintal muss für seine Achsen, Verdecke usw. 15 bis 30 Prozent mehr bezahlen als sein Konkurrent jenseits der nahen Landesgrenze. 
  • Eine Papeterie kann Schreibgeräte der Marke Lamy aus Deutschland nur über den Importeur in Zürich beziehen und bezahlt dort mehr als der Deutsche Endkunde via Internet. 
  • Ein Spray von Nivea wird in Deutschland für umgerechnet Fr. 1.50 verkauft, die Migros bezahlt gemäss eigenen Angaben einen Einstandspreis von Fr. 3.30. 
  • Ein Ravensburger-Spiel kostet im Ankauf 39 Franken, aber ist in deutschen Bundesländern für 28 Franken erhältlich. 
  • Eine Flasche Carlsberg-Bier kostet einen Basler Wirt Fr. 1.71, während sein badischer und sein elsässischer Kollege das exakt gleiche Bier für 65 Rappen erhalten. 
  • Viele KMU und sogar eine Schweizer Grossbank können Software und Software-Updates nur mit einem Aufschlag von 30 Prozent in der Schweiz beschaffen. 
  • Der Einkaufsverbund der Universität und ETH Zürich berichtet von massiv überhöhten Lieferpreisen ausländischer Laboreinrichtungen. Die Liste in endlos.

Für Schweizer Einkäufer werden im Ausland Abzockerpreise verlangt. Das hat nichts mit unserem Lohnniveau zu tun. Es gibt dafür keine anständige Begründung. Die Preisaufschläge sind willkürlich und fliessen ausschliesslich in die Taschen der Konzernbesitzer.

Ausbaden müssen das nicht nur die Konsumenten in der Schweiz. Diese wehren sich, indem sie im Ausland einkaufen. Die überhöhten Einstandspreise sind vor allem Gift für unsere KMU. Deren Konkurrenzkraft wird willkürlich geschwächt. Der Einkaufstourismus nimmt jedes Jahr weiter zu und hat inzwischen die 10 Milliarden Grenze erreicht.

Löhne gedrückt

Die Abzockerpreise schaden aber auch den hiesigen Arbeitnehmern, denn hohe Einstandspreise senken die Produktivität und drücken auf die Löhne. Und schliesslich schaden sie dem Service public, denn auch der muss viele Produkte zu überhöhten Preisen einkaufen.

Der ständerätliche Vorschlag für diesen Teil der Gesetzesrevision geht auf einen Antrag von Hans Hess (FDP) zurück und wurde im Ständerat mit 25 zu 12 Stimmen angenommen. Er fand Zustimmung in allen politischen Lagern.

Peinliche Lobbybriefe

Der Nationalrat hingegen lehnte sogar das Eintreten auf das Gesetz ab. Auf Druck des Gewerbeverbandes. Dieser liess im Vorfeld unzählige Lobbyingbriefe von peinlichster Qualität verschicken. Darin wurde behauptet, das Gesetz würde Arbeitsgemeinschaften im Bau verbieten, den administrativen Aufwand für das Gewerbe erhöhen und so Arbeitsplätze kosten.

Bundesrat Schneider-Ammann hat diese Befürchtungen überzeugend und engagiert widerlegt. Der Ständerat hat sogar Korrekturen am Gesetz vorgenommen, um die nachvollziehbaren Sorgen aufzufangen. Der Gewerbeverband hingegen beharrte auf seiner haltlosen Interpretation und führte seine Kampagne unvermindert weiter. Was da abging, hat nichts mehr mit Lobbying zu tun. Es war pure Desinformation.

Eine Ohrfeige für grenznahe Betriebe

Kein einziges Mitglied des Parlamentes wollte das Gewerbe drangsalieren. Die Bereitschaft, die vom Gewerbe geäusserten Sorgen aufzufangen, war unbedingt vorhanden. Der Gewerbeverband aber insistierte, auf das Gesetz sei gar nicht erst einzutreten. In der Sprache der Politik heisst das: «Es gibt gar kein Problem». Für das grenznahe Gewerbe ist diese Haltung, mit Verlaub, eine Ohrfeige.

Der von Nationalrat Rime (SVP) präsidierte Gewerbeverband wird immer mehr zum ideologischen Instrument der SVP. «Gesetze sind Gift» heisst die Maxime. Die Tea Party lässt grüssen. Und das selbst dann, wenn die Gesetze das Gewerbe vor Wettbewerbsbehinderungen schützen sollen. Beim Kartellgesetz wurden dezidiert wirtschaftsfreundliche Politiker wie Fulvio Pelli oder der Bundesrat vom Gewerbeverband rechts überholt und bei seinen Bemühungen zum Schutz der KMUs im Regen stehen gelassen. 

Diffuse Motive

Der Gewerbeverband führt nationale Kampagnen gegen die Revision des Raumplanungsgesetzes. In Basel tritt er gegen neue Tramlinien an. Was um Himmels willen hat das mit den Interessen der Gewerbetreibenden zu tun? An Basels Grenze verteilt er Kleber gegen den Einkaufstourismus, in Bern schiesst er griffige Gesetze ab, die exakt das gleiche Ziel verfolgen.

Für Menschen und Politiker, die sich zwar nicht als Gewerbevertreter sehen, den Anliegen der KMUs gegenüber aber offen sind, wird der Gewerbeverband immer mehr zu einem rechtsideologischen Monster, dessen Motive nicht mehr nachvollziehbar sind. Wem soll das nützen?

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