Das Volk hat immer recht. Diesmal vielleicht sogar noch etwas mehr als gewöhnlich. Denn mit seinem Nein zum Gripen-Kampfjet spart die Schweiz nicht nur Milliarden; das Volk zwingt den Bundesrat auch, ernsthaft zu überlegen, wie das viele Geld sinnvoll investiert werden kann.
Nein zum Kauf der 22 neuen Gripen. Nein zu einer wichtigen Militärvorlage. Das hat es in der Schweiz noch nie gegeben. Für Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) ein Desaster, für die Schweiz ein Glücksfall, weil der Gripen schon nur rein technisch nicht wirklich gut gewesen wäre. Und weil sein Einsatzzweck bis zum Tag der Abstimmung unklar war.
Ueli Maurer versuchte gar nicht erst, diese offenen Fragen zu klären, sondern wich aus, mit einfachen Botschaften. Die Schweiz brauche den Gripen! Wer gegen den Gripen sei, sei gegen die Armee! Ohne Gripen lasse sich unsere Freiheit und Unabhängigkeit nicht mehr verteidigen!
Es sind die ewig gleichen Botschaften, zu hören vor jeder Abstimmung über eine wichtige Militärvorlage. Diesmal verfingen sie aber nicht – zum ersten Mal bei einer vergleichbaren Rüstungsvorlage.
Die Front bröckelte schon lange – und bricht jetzt ein
1989 waren es noch 64 Prozent, die gegen die Armeeabschaffungs-Initiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee stimmten, 1993 57 Prozent, die den Kauf der F/A-18 unterstützten. Den Gripen wollten nicht einmal mehr 47 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer. Auch traditionell armeefreundliche Kantone wie Solothurn oder Aargau stimmten diesmal nur noch knapp Ja.
Die städtischen Gebiete und die Westschweiz haben offenbar generell genug vom übersteigerten Unabhängigkeitsmythos, von dieser Wir-allein-gegen-alle-anderen-Haltung. Basel-Stadt setzte sein Zeichen mit 67 Prozent Nein-Stimmen, Neuenburg mit 69 Prozent, der Jura mit 74 Prozent.
Peinlich, peinlich
Die Befürworter haben sich diese historische Niederlage selbst zuzuschreiben. Ihre Kampagne war teilweise peinlich. Da war zum Beispiel Maurer mit seinen Frauenwitzen, der schwedische Botschafter mit seiner frechen Einmischung in den Abstimmungskampf (und seiner leider berechtigen Angst vor Maurers Ausfällen), überhaupt die gewaltige PR-Maschinerie, die der Gripen-Hersteller Saab anwarf, um möglichst viele Politiker auf seine Seite zu ziehen und die unbeirrbaren Kritiker zu übertönen.
Fast noch bedenklicher war, dass die Befürworter selbst nicht wussten, was sie wollten. So wie FDP-Präsident Philipp Müller, der vor zwei Jahren noch feststellte, dass der Gripen die «Anforderungen nicht erfüllt» und sowohl in technischer wie auch finanzieller Hinsicht ein «Hochrisikospiel» sei, sich vor der Abstimmung aber doch für die hochriskante Ausgabe von 3,1 Milliarden Franken stark machte. Oder Ueli Maurer, der 2009 ebenfalls gegen den neuen Kampfjet war und nun so tat, als wäre das Land ohne den Vogel kaum mehr überlebensfähig.
Hohle Propaganda
Vor ein paar Jahren konnte man diese anfängliche Ablehnung und das gleichzeitige Gejammer über die fehlenden Finanzen noch als Schlauheit auslegen, als – erst noch erfolgreichen – Versuch, den Verteidigungsetat hochzutreiben.
Irgendwann drängte sich dann aber doch auch der Verdacht auf, dass dieses Hin und Her auch darauf zurückzuführen ist, dass das Verteidigungsdepartement gar keine wirkliche Strategie hat.
Ein böser Verdacht, der von den üblichen Verdächtigen weiter genährt wurde, von den Linken und Grünen, allen voran der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Aber diesmal setzten sich auch Militärfreunde gegen den Kauf ein. Etwa das liberale Komitee Nein zum Gripen. Oder auch Guus de Koster, ein holländischer Kampfjetpilot, der in der TagesWoche militärisch knapp erklärte, warum die die Schweiz den Gripen nicht braucht: «Kein Feind, kein Platz, keine Ausseneinsätze.» Und selbst wenn es einen Feind gäbe, wäre die Schweiz in erster Linie auf die Unterstützung der umliegenden Nato-Staaten angewiesen. Allein könne sie sich unmöglich gegen einen Angriff durch ein modernes Waffensystem mit grosser Reichweite wehren. Von wegen der viel beschworenen absoluten Unabhängigkeit!
Solche Aussagen zeigten, wie hohl die Propaganda für den Flieger war. Und sie waren besonders glaubhaft, weil sie nicht nur von den Armeeabschaffern stammten, sondern auch von Militärfreunden und -experten.
Ohne Strategie geht es nicht
Darum können Maurer und mit ihm der Bundesrat nach ein paar bedauernden Worten über den Abstimmungsausgang wieder zur Tagesordnung übergehen und die eingesparten Milliarden einfach für einen anderen Kampfjet ausgeben oder in einem anderen Militärbereich verlochen.
Erst einmal muss der Bundesrat aufzeigen, welche Gefahren der Schweiz tatsächlich drohen und welche Vorkehrungen dafür sinnvoll sind, auch in finanzieller Hinsicht.
Dafür braucht es mehr als einige einfache Bilder und uralte Mythen.
Und, wer weiss, vielleicht stellt sich dabei ja sogar heraus, dass die Schweiz gescheiter in andere Bereiche investiert als ins Militär, um für die Herausforderung der Zukunft gerüstet zu sein?