Der Kunde ist König: Die Schneckenpost

Fühlen Sie sich manchmal übertölpelt und verloren in der schönen neuen Wirtschaftswelt? Nicht verzagen – Sie sind nicht allein.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Fühlen Sie sich manchmal übertölpelt und verloren in der schönen neuen Wirtschaftswelt? Nicht verzagen – Sie sind nicht allein.

«Der Dumme ist immer der Kunde in unserer glorreichen Dienstleistungsgesellschaft.» Das ist mein Fazit aus einem Erlebnis als Kunde auf den unübersichtlichen – um nicht zu sagen wirren bis irren – Pfaden im Bank-, Kreditkarten- und Postwesen.

Um die Monatsrechnung der Kreditkartenfirma fristgerecht zu bezahlen, erteilte ich der Postfinance Anfang Mai schriftlich den Zahlungsauftrag für eine Summe, die bis zum 11. Mai fällig war. Laut Auskunft der Kreditkartenfirma ging die Zahlung aber erst am 18. Mai ein. Weshalb die nächste Monatsrechnung des Kunden mit einem Verzugszins von 15 Franken belastet wird (was nach wenig Geld aussieht, auf Jahresbasis hochgerechnet aber einem Zinssatz von etwa 70 Prozent entspricht).

Die Wuchergrenze im Konsumkreditgeschäft liegt derzeit noch bei 15 Prozent, im nächsten Jahr möglicherweise bei 10 Prozent Jahreszins. Ein Überziehungskredit gilt freilich nicht als Konsumkredit und unterliegt deshalb auch nicht den «strengen» Regeln des Konsumkreditgesetzes. Die 15 Franken für 7 Tage sind also ganz klar kein Wucher – nur unverschämt viel.

Als Kunde beharrte ich darauf, dass ich rechtzeitig bezahlt hätte – zu Recht. Die Kreditkartenfirma wiederum beharrte darauf, dass das Geld zu spät eingetroffen sei – auch zu Recht. Die Postfinance würde, falls sie irgendwann etwas zum Ganzen sagen würde, wahrscheinlich jede Schuld von sich weisen. Zu Recht?

Nicht nur bei der Verarbeitung von Zahlungsaufträgen arbeitet die Postfinance manchmal mit angezogener Handbremse.

Das Ergebnis ist jedenfalls, dass der Kunde den Verzugszins zahlt – nicht für sein eigenes Versäumnis, sondern für die etwas schleppende Verarbeitung durch die Postfinance.

Nun gebietet es die journalistische Fairness, derlei Vorwürfe der betroffenen Institution zu Stellungnahme zu unterbreiten. Dies ist per E-Mail an die Pressestelle der Postfinance geschehen (medien@postfinance.ch), am 29. Mai 2015, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf eine allfällige journalistische Bearbeitung des Themas. Eine Stellungnahme ist bis Mitte Juni nicht eingetroffen.

Woraus sich schliessen liesse, dass die Pressestelle mit der Kritik einverstanden ist, das aber – aus verständlichen Gründen – nicht öffentlich eingestehen will. Es liesse sich daraus auch schliessen, dass sie mit ihrem Schweigen lediglich den Tatbeweis zu erbringen versucht: Nicht nur bei der Verarbeitung von Zahlungsaufträgen arbeitet die Postfinance manchmal mit angezogener Handbremse.

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Gerd Löhrer schreibt regelmässig über Erlebnisse im Konsum- und Wirtschaftsdschungel. Haben Sie Abenteuerliches erlebt – dann schreiben Sie uns bitte: gerd.loehrer@tageswoche.ch (über Einsendungen wird keine Korrespondenz geführt).

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