Das Nachrichtendienstgesetz folgt dem Grundsatz: mehr Überwachung für mehr Sicherheit. Das ist so plump wie widersinnig.
Das Wort «Terror» hatte an der Debatte zum Nachrichtendienstgesetz (NDG) Hochkonjunktur. Wer die Wortprotokolle zur NDG-Debatte durchsieht, findet 62 Einträge zum Wort «Terror». Auf die Gesamtzeit der Nationalratsdebatte heruntergerechnet heisst das: Im Durchschnitt alle fünf Minuten erwähnten die Redner Terror, Terrorismus, Terroristen und so weiter.
Im NDG, das der Nationalrat am Dienstag guthiess, taucht der Begriff vergleichsweise selten auf. Der primäre Zweck ist die «Sicherung der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen». Terrorabwehr ist ein wichtiges Betätigungsfeld, aber längst nicht das einzige.
Der Terrorismus, so scheint es, wird in der politischen Debatte als Vorwand benutzt, um die Überwachung auszuweiten. Mehr Überwachung gleich mehr Sicherheit: Das ist das ewige Dogma der «Sicherheitsesoteriker», wie sie der Datenschützer Martin Steiger nennt.
Diejenigen, die gegen mehr Überwachung sind und mehr Sozialarbeiter fordern, stehen schön blöd da, wenn ein Terroranschlag geschieht.
Der Nachrichtendienst soll laut NDG die Bürgerinnen und Bürger schützen. Ja, vor was eigentlich?
Ginge es nur um Terrorismus, so gäbe es einfachere Mittel: mehr Polizisten, mehr Fahnder, mehr internationale Zusammenarbeit – und das wahrscheinlich effektivste Mittel: mehr Sozialarbeiter an sozialen Brennpunkten.
Damit verdienen sich Politiker, aber keine Lorbeeren. Wer das Sicherheitsdogma nachbetet, wird von den Bürgerinnen und Bürgern gehört. Ja, der tut etwas, heisst es dann. Und diejenigen, die gegen mehr Überwachung sind und mehr Sozialarbeiter fordern, stehen schön blöd da, wenn ein Terroranschlag geschieht.
Der Nachrichtendienst hingegen nimmt, was er kriegt. Er ist eine Raupe Nimmersatt – das zeigt das Beispiel der extensiven Überwachung durch US-amerikanische Geheimdienste.
Und nun wollen Politiker die Raupe mit riesigen Datensätzen füttern. Mit der Kabelaufklärung darf der Nachrichtendienst praktisch jegliche Internetkommunikationen nach Schlagwörtern durchsuchen.
Hat der Nachrichtendienst überhaupt die Kapazitäten, die Berge an Daten sinnvoll zu verwerten? Wie arbeitet der Nachrichtendienst mit der Polizei, mit internationalen Fahndern, mit Psychologen, Schulsozialarbeitern zusammen? Fragen, die auch nach der Annahme des NDG offenbleiben würden.
Grundsätzlich ist es nicht falsch, den Nachrichtendienst im Gesetz zu verankern. Nur sollten die Mittel reiflich geprüft werden.
Der Nachrichtendienst soll die Bürgerinnen und Bürger schützen. Aber muss er dazu ihre E-Mails und Facebook-Nachrichten durchforsten? Mit der Kabelaufklärung enthält das NDG ein Instrument, das in keinem Verhältnis zwischen Mittel und Zweck steht. Der Nachrichtendienst schiesst damit mit Streumunition auf unsichtbare Spatzen.
Es ist nicht falsch, den Nachrichtendienst im Gesetz zu verankern. Aber die Instrumente, die der Nachrichtendienst erhält, sollten zuerst reiflich geprüft werden. Es ist verständlich, dass Staatsschützer alle Daten wollen, die sie kriegen können. Die Politik sollte ihnen aber Einhalt gebieten. Nicht nur der Nachrichtendienst sollte die Bürgerinnen und Bürger schützen – die Politiker müssen die Bürgerinnen und Bürger auch vom Nachrichtendienst schützen.