Die Baselbieter Kulturpolitik wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit neu erfunden

Der Kultur weht im Baselbiet ein rauer Wind entgegen. Darunter leidet offensichtlich auch die Gesprächskultur.

Generalin Gschwind: Die Kulturschaffenden werden zu Befehlsempfängern degradiert, schreibt Christoph Meury in seinem Gastkommentar.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Kultur weht im Baselbiet ein rauer Wind entgegen. Darunter leidet offensichtlich auch die Gesprächskultur.

Regierungsrätin Monica Gschwind liess bereits bei ihrem Amtsantritt durchblicken, dass sie das «Unbehagen gegenüber der Kulturpolitik», welches sie bei Volk und Parlament zu spüren glaubte, bei ihrer zukünftigen strategischen Ausrichtung und Gewichtung der Kulturpolitik berücksichtigen möchte. Das klang damals noch diffus, meinte aber ganz pragmatisch, dass Regierungsrätin Monica Gschwind sich beispielsweise vorstellen konnte, den Kulturvertrag mit Basel-Stadt neu zu verhandeln.

In der Zwischenzeit wissen wir, dass solche Verhandlungen im Gang sind. Der Beitrag des Kantons Baselland soll dabei halbiert werden. Damit würden den städtischen Kulturinstitutionen rund 4 bis 5 Millionen Franken jährlich fehlen. Einige Institutionen würde das existenziell gefährden. Allerdings werden diese Verhandlungen zurzeit lediglich hinter verschlossenen Türen geführt. 

Am bisherigen «Leitbild_kultur BL» soll aber vorläufig festgehalten werden. Soweit die strategische Vorgabe der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion. Trotzdem sind auch im eigenen Kanton, entsprechend der Finanzstrategie der Baselbieter Regierung, in der Periode von 2016 bis 2019 jährlich mehr als 2,2 Millionen Franken an Kulturfördergeldern gestrichen worden. Einige Förderprojekte werden völlig von der Bildfläche verschwinden.

Raubbau stoppen

Das wirft Fragen auf. Das offizielle Kulturleitbild, vom Parlament abgesegnet, gilt von 2013 bis 2017. In der Praxis der Kulturdirektion wird das Papier aber durch den finanziellen Kulturabbau bereits jetzt ausgehöhlt. Damit werden neue Fakten geschaffen. 

Man darf in diesem Zusammenhang kurz daran erinnern, dass das Kulturleitbild das Resultat einer breiten Vernehmlassung und eines eigentlichen Mitwirkungsprozesses war. Im Rahmen der sogenannten Tagsatzung sind Kulturschaffende, Veranstalter, PolitikerInnen aller Couleur ausführlich befragt worden und konnten ihre Vorstellungen und Meinungen über eine zukünftige Baselbieter Kulturpolitik einbringen. Das war ein klares Bottom-up-Projekt. Insofern kann man nicht nachvollziehen, wieso bereits jetzt Änderungsbedarf bestehen soll. 

Die Meinungs- und Willensbildung in freier Öffentlichkeit ist eine essenzielle Grundbedingung, dass sich Bürgerinnen und Bürger überhaupt als Gesellschaft verstehen können. Die Gesellschaft ist politisch eine Gemeinschaft, weil nur die freie Kommunikation eine gemeinsame Geschichte und Identität konstituiert. Diesen offenen Prozess konnten wir im Rahmen der Tagsatzung am 7. Mai 2011 live miterleben.

Die Baselbieter Kulturpolitik ist nicht auf der schiefen Bahn und muss weder von der bürgerlichen Politik, noch vom bürgerlichen Gesamtregierungsrat gerettet oder neu definiert werden.

Es gibt also kaum Grund, jetzt umzuschwenken und eine Top-down-Planung zu wählen. Die Baselbieter Kulturpolitik ist nicht auf der schiefen Bahn und muss weder von der bürgerlichen Politik, noch vom bürgerlichen Gesamtregierungsrat gerettet oder neu definiert werden. Die Baselbieter Kultur lebt und es geht ihr gut. Trotzdem befürchten die Kulturschaffenden weitere einschneidende finanzielle Massnahmen. Sie haben sich in einem Verband zusammengeschlossen, um der Politik Paroli zu bieten. In Gesprächen sollen die Politikerinnen und Politiker für die Anliegen der Kulturschaffenden sensibilisiert werden.

Trotz grossen Anstrengungen mussten die Kultur-Aktivistinnen und -Aktivisten aber erst kürzlich wieder eine Niederlage einstecken. Zwei Budgetanträge wurden im Parlament im Dezember 2016 grossmehrheitlich abgelehnt. Damit werden die öffentlichen Gelder beim Kunstkredit und bei der Förderung von Gastspielen und Tourneen stark reduziert. Der Verband Kultur Baselland kämpft jedoch unverdrossen weiter und sucht nach neuen Möglichkeiten, um den Raubbau zu stoppen. 

Kein Kommunikationsbedarf

Der Kultur weht im Baselbiet ein rauer Wind entgegen. Darunter leidet offensichtlich auch die Gesprächskultur. Eigentlich wollte ich für diesen Beitrag die Kulturverantwortliche des Kantons Baselland direkt kontaktieren. Frau Esther Roth steht für ein entsprechendes Gespräch aber nicht zur Verfügung. Mit ein paar Links verweist sie per Mail auf entsprechende Medienmitteilungen. Damit scheint aus ihrer Sicht mein Informationsbedarf gedeckt zu sein.

Auch in Bezug auf die Kulturvertragspauschale gibt es scheinbar keine Neuigkeiten. Ergo kein Kommunikationsbedarf. «Die beiden Regierungen werden die Verhandlungen für eine tragfähige, partnerschaftliche Lösung zum Lastenausgleich im Bereich Kulturvertrag im Frühjahr 2017 aufnehmen», lässt man ausrichten. Auch hier wieder ein Link auf eine entsprechende Medienmitteilung. Für weitere Fragen zu den Partnerschaftsverhandlungen stünde mir Frau Deborah Murith, die Kommunikationsverantwortliche der BKSD zur Verfügung.  

Das ist gewöhnungsbedürftig. Offensichtlich wird die offizielle Kulturpolitik nur noch von handverlesenen Regierungsvertretern ausgehandelt, die ihre Weisungen anschliessend via Kommunikationsprofis und per Medienmitteilungen dem Fussvolk weiterreichen.

Die Kulturschaffenden als reine Befehlsempfänger. Damit sind wir im Baselland nahe bei einer eigentlichen Baselbieter Staatskultur. Ob dies der Identitätsfindung der Baselbieter Bevölkerung dienlich ist?

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