Die bizarre Angst der SVP vor der gelben und grünen Gefahr

Zuerst versenkt das Baselbiet mit dem Margarethenstich eine Tramverbindung, aus der es für wenig Geld viel Profit hätte herausschlagen können. Dann fordert die Basler SVP eine generelle Ausdünnung des Tramnetzes. Gehts noch?

Schlimmer als Wespen: Die SVP sieht in diesen Trams die gelbe Gefahr. (Bild: BLT/facebook)

Manch einer rieb sich nach der Abstimmung über den Margarethenstich die Augen: Für den vergleichsweise bescheidenen Betrag von 7,3 Millionen Franken hätte das Leimental einen direkten Tramanschluss an den Bahnhof SBB erhalten. Basel-Stadt, die BLT und der Bund hätten ohne Murren mitbezahlt. Aber selbst die Schlaf- und Pendlergemeinden von Binningen bis Ettingen, die am meisten von der neuen Verbindung profitiert hätten, lehnten, teilweise deutlich, ab.

Ein ebenso überraschender wie kurzsichtiger Entscheid, der sich rächen könnte. Spätestens dann, wenn der Bahnhof SBB auf der Margarethenbrücke einen neuen Zugang erhalten wird, wie das in den Plänen zum S-Bahn-Herzstück vorgesehen ist. Dann muss das Projekt neu aufgegleist werden. Und so günstig wie jetzt wird es nicht mehr zu haben sein.

Bus statt Tram? Das ist die Verkehrspolitik der 1960er-Jahre.

Es war ein Entscheid, der – orchestriert von der Baselbieter SVP – vom Sparwahn und von der ewigen Angst der Autopendler vor Rotlichtern und anderen vermeintlich willkürlichen Hürden geprägt war.

Nun tritt auch die Basler SVP auf den Plan, deren Politik sich von denselben Ängsten leiten lässt. In einer Medienmitteilung verlangt die über das Baselbieter Abstimmungsergebnis «erfreute» Partei «angesichts der zweiten verlorenen Tram-Abstimmung innert drei Jahren eine Neuausrichtung der regionalen Verkehrspolitik».

Wer liest, wie sich die Basler SVP das vorstellt, greift sich an den Kopf. Die Partei fordert allen Ernstes eine «Ausdünnung» des Tramnetzes in der Stadt. «Die heutige Situation des Tramnetzes mit Verspätungen, Ausfällen und Umleitungen infolge von Baustellen ist mittelfristig wirtschafts- und standortfeindlich für Gewerbe und Industrie», heisst es wörtlich. Zur Aufrechterhaltung des Netzes von BVB und BLT seien deshalb «vermehrt Busverbindungen einzuplanen».

Bus statt Tram? Das ist die Verkehrspolitik der 1960er-Jahre, von der Basel zum Glück mehr oder weniger verschont geblieben ist.

Bürgerlicher Angriff auf den ÖV

Man könnte diesen Vorschlag als Schnapsidee einer Partei abtun, die unüberlegt gegen alles schiesst, was nur im Geringsten nach Rot-Grün aussieht.

Bloss will nicht nur die Extrempartei SVP das Basler Tram ins Depot schicken. Den Anfang hatten die traditionellen bürgerlichen Basler Parteien gemacht, als sie das Referendum gegen das Erlenmatt-Tram ergriffen – eine zugegebenermassen teure Linie, die man aber spätestens dann, wenn das Entwicklungsgebiet Klybeck erschlossen werden soll, wieder auf die Tagesordnung wird setzen müssen. Es folgte der Gewerbeverband, der mit seiner Initiative «Zämme fahre mir besser» den Grundsatz der Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs aus dem Gesetz streichen will.

Und jetzt der Wunsch einer Ausdünnung des Tramnetzes.

Beim Margarethenstich offenbart sich eine Allianz aus Agglomerations-Kleingeist und rechtsbürgerlicher Auto-Turbopolitik. Es geht um die Autopendler und deren Wunsch nach freier Fahrt – möglichst überall hin und immer, auch wenn dies bei den wachsenden Pendlerzahlen noch so weltfremd ist. Sie wollen kein Tram, das die Strassen eigentlich vom Autoverkehr entlasten könnte, weil sie beim Abbiegen der Tramzüge kurz zum Anhalten gezwungen würden.

Hat sich der Lieblingsfeind aus dem Bau- und Verkehrsdepartement neue Schikanen ausgedacht?

Natürlich hätte das Rotlicht die Fahrt von der Binninger Basler- in die Basler Binningerstrasse unterbrochen. Es ist aber eine Fahrt, die alles andere als frei ist, die spätestens ein paar Hundert Meter weiter in Richtung Kernstadt zum Stopp führt, weil es an der Heuwaage unwiderruflich zur Kreuzung mit Tramlinien kommt.

Aber das will man als Pendler und Autolobbyist offensichtlich nicht sehen. Das erklärt auch die Hysterie, mit der auf einen Pilotversuch der Basler Regierung mit Dosierungsanlagen bei Einfallsachsen in die Stadt reagiert wird. Bevor dieser Versuch überhaupt öffentlich kommuniziert wurde, hat man in Riehen bereits Unterschriften für eine Petition dagegen gesammelt und im Grossen Rat Vorstösse mit besorgten Fragen eingereicht. Es reichte, dass die «Basler Zeitung» über ein amtsinternes Arbeitspapier berichtet hatte.

Bewährte Dosieranlagen

Gross ist die Empörung, dass damit künstlich Stau provoziert würde. Dass sich der vielgenannte Lieblingsfeind aus dem Bau- und Verkehrsdepartement neue Schikanen gegen die Autofahrer ausgedacht hat. Dabei wird ausgeblendet, dass die Dosierungsanlagen einzig den Sinn haben sollen, unvermeidbare Staus während der Stosszeiten von der Kernstadt an deren Ränder zu verlagern.

Wie das «Regionaljournal BS/BL» von SRF kürzlich erst berichtete, haben sich solche Dosierungsanlagen in den Städten Zürich und Luzern, die dieses System bereits seit 20 oder gar 30 Jahren kennen, bewährt.

Vom Glauben abgefallen

1986 wurde die Birsigtal- mit der Birseckbahn zur neuen Linie 10 zusammengeschlossen. Die Zugpendler aus dem Baselbiet mussten nicht mehr am Aeschenplatz oder an der Heuwaage aussteigen. 2001 wurde die Linie an den Bahnhof SBB angebunden. Das waren wie ein paar Jahre zuvor die Einführung des Umweltschutzabonnements vorbildliche Projekte, die vom Glauben an den Nutzen eines Ausbaus des öffentlichen Verkehrs geprägt waren.

Damit scheint es in einer Zeit, in der sich Konflikte zwischen Verkehrsträgern zu absurden Ideen hinaufschrauben, vorbei zu sein.

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