Der Abstimmungssonntag brachte drei Erkenntnisse: Die SVP hat schon wieder verloren, die Schweizerinnen und Schweizer wollen ihr Land nicht grundsätzlich verändern, und es braucht weniger Vorlagen an einem Abstimmungswochenende.
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind gefordert gewesen an diesem Wochenende. Sie haben über fünf eidgenössische Vorlagen entschieden und sind dabei stets dem Bundesrat gefolgt. Die grosse Verliererin war die SVP. Sie musste gleich drei Niederlagen einstecken. Sowohl bei der sogenannten Milchkuh-Initiative «für eine faire Verkehrsfinanzierung» und der Fortpflanzungsmedizin als auch beim neuen Asylgesetz hat das Volk gegen die SVP entschieden.
Gewonnen haben FDP, BDP, CVP und GLP, die bei allen fünf Initiativen den Bundesrat stützten, und mit Abstrichen die SP. Für die SVP unter der neuen Führung von Albert Rösti war das entsprechend ein selten schlechter Abstimmungssonntag. Zusammen mit dem Nein zur Durchsetzungsinitiative hat die SVP nun ihren Nimbus als erfolgreiche Partei verloren.
Die SVP hat ihren Nimbus als erfolgreiche Partei verloren.
Was diese (noch) kleine Negativ-Serie für die weitere Entwicklung der Schweizer Parteienlandschaft und insbesondere für die nächsten Abstimmungen bedeutet, ist offen. Allerdings dürfte es die anderen Parteien ermutigen, noch entschiedener gegen die SVP anzutreten.
Geholfen haben dabei die Schweizerinnen und Schweizer. Sie stimmten sehr pragmatisch und wenig emotional. Dies hat vielleicht noch mit dem Schock über die Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative im Jahr 2014 zu tun. Es zeigte sich an diesem Abstimmungssonntag auch darin, dass sie sich von verführerischen, aber nicht ganz korrekten Titeln wie bei den Initiativen «Pro Service Public» oder «für eine faire Verkehrsfinanzierung» nicht irreleiten liessen.
Keine Chance für Idealismus
Die Bevölkerung wünscht sich durchaus einen starken Service Public und ist auch skeptisch gegenüber hohen Managerlöhnen in staatsnahen Betrieben, aber es gibt keine Mehrheit, die zurück will zu klassischen Staatsbetrieben ohne Gewinnausschüttung.
Die Ablehnung der Milchkuh-Initiative zeigt, dass die Schweizerinnen und Schweizer unter Fairness etwas anderes empfinden als die Initianten und dass sie mit dem heutigen System der Verkehrsfinanzierung grundsätzlich zufrieden sind. Und die Stimmbürger haben sich auch nicht von schönen, idealistischen Gedanken wie beim bedingungslosen Grundeinkommen vereinnahmen lassen.
Trotz der Ablehnung sind aber alle Initianten zufrieden. «Wir haben eine Diskussion ausgelöst, das Thema ist jetzt auf dem Tisch», heisst es bei allen dreien. Und genau das ist ein Problem. Initiativen werden zunehmend dazu lanciert, um Diskussionen anzustossen, ohne dass die Folgen bei einer Annahme durchdacht sind oder klar benannt werden. Was wäre konkret bei einem Ja zum Grundeinkommen passiert? Die Schweiz hätte vermutlich ihr gesamtes Sozialwesen neu organisieren müssen.
Die Gefahr der zahlreichen Vorlagen
Der Trend, eine Initiative zu lancieren, um Diskussion zu ermöglichen, führt einerseits dazu, dass wir bewährte Systeme riskieren, und andererseits dazu, dass wir an einzelnen Abstimmungstagen über zu viele Vorlagen gleichzeitig entscheiden müssen.
Diesen Sonntag waren es elf in Baselland und acht in Basel-Stadt. Da sind sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch die Medien schlicht nicht mehr in der Lage, sich mit den einzelnen Vorlagen genügend auseinandersetzen zu können. Sie gewichten und konzentrieren sich auf einzelne. Und darüber können gesellschaftspolitisch wichtige Diskussionen wie zum Beispiel über die Fortpflanzungsmedizin untergehen.
Die Schweizerinnen und Schweizer haben am Sonntag gezeigt, dass sie grundsätzlich zufrieden sind mit dem hiesigen System. Sie setzen sich mit den Vorlagen differenziert auseinander und möchten keine Experimente mit ungewissem Ausgang. Das ist gut zu wissen, denn bereits stehen die nächsten wichtigen Grundsatz-Abstimmungen an wie diejenige für eine «grüne Wirtschaft».