Die Dürre der Grünen ist Dünger für die SP

Die einst blühende Pflanze der Grünen verdorrt: Die Partei ist aufgerieben und rutscht im Parlament in die Mitte. Das ist eine Chance für die SP: Im bürgerlich dominierten Landrat und ohne die Grünen im Schlepptau ist der Weg in die Opposition jetzt frei.

Noch nicht ganz am Ende: ein grünes Gewächs in problematischem Zustand. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die einst blühende Pflanze der Grünen verdorrt: Die Partei ist aufgerieben und rutscht im Parlament in die Mitte. Das ist eine Chance für die SP: Im bürgerlich dominierten Landrat und ohne die Grünen im Schlepptau ist der Weg in die Opposition jetzt frei.

Es ist vollbracht: Die Baselbieter Grünen haben sich aus der linken Ratshälfte verabschiedet. Die Partei steht ab Juli in der Mitte des Parlaments, sekundiert von der linksbürgerlichen EVP in der einen Fraktion und den Grünliberalen in der zweiten Fraktion, derjenigen der Abtrünnigen.

Die einstige Vorzeigesektion der Grünen Schweiz hat sich aufgerieben. Nicht zuletzt dank Regierungsrat Isaac Reber: Der Sicherheitsdirektor passte bislang besser ins Schema eines FDP-Politikers als in das eines regierenden Grünen. Ein tiefer Wandel: Einst war Reber neben Nationalrätin Maya Graf immerhin eine Integrationsfigur der Partei.

Das Bündnis mit den Mitteparteien ist also eine logische Folge: Die Ökopartei positioniert sich mit ihren Partnern nun am Rand einer bürgerlichen Mitte.

Tatsächlich stehen den Grünen mit zwei Fraktionen mehr Sitze in den Kommissionen des Landrats zu. Dass die Partei davon direkt profitiert, ist allerdings ein Trugschluss. Zwei aus der Abtrünnigen-Fraktion – Jürg Wiedemann und Regina Werthmüller – würden sich zwar nach wie vor mit den Grünen identifizieren. Der Rest aber ist Grünliberal – und politisierte bislang klar bürgerlich.

Das Rückkehr der «Borderline-Fraktion»

Grüne/EVP und «Grünliberale & Grün-Unabhängige»: Sie laufen Gefahr just zu dem zu werden, was der ehemalige Baselbieter Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) einst als «Borderline-Fraktion» desavouiert hatte: in Sachfragen unberechenbar, mal dogmatisch, mal wohlgesinnt, vielleicht unbequem, aber nie staatstragend. Die einstmals kleine, aber blühende Pflanze der Partei verdorrt zusehends.

Die linke Bündnis-Politik im Baselbiet ist damit auf dem Prüfstand. Zumal sich die nach wie vor am Verlust des Regierungssitzes leidende SP erst neu finden muss. Erst vor anderthalb Wochen trat Parteipräsidentin Pia Fankhauser Knall auf Fall zurück. Krankheitshalber, wie sie sagte, aber höchst unerwartet und nur wenige Monate vor den Wahlen im Herbst. Die Partei hat genug mit sich selbst zu kämpfen. Erst recht, da ihr die FDP jetzt noch den Ständeratssitz von Claude Janiak abjagen will. 

Zersplitterung lähmte das Parlament – und wird es weiterhin tun

Im Landrat wird sich die SP die Frage stellen müssen, mit welcher Grünen-Fraktion sie paktieren soll. Dass dabei Wiedemanns Splitterfraktion zum Handkuss kommt, dürfte eher unwahrscheinlich sein: Der am Mittwoch abgeschossene Grüne attackierte die Bildungspolitik von SP-Regierungsrat Urs Wüthrich und damit der SP jederzeit frontal und hart.

So bleibt die Linke mit ihren 21 Mandaten vornehmlich unter sich. Die Fraktion hat gerade noch eine Sperrminorität: Um das Vierfünftelsmehr bei einem Gesetzesbeschluss zu erreichen und damit eine Volksabstimmung zu erzwingen, braucht es bei insgesamt 90 Landräten 19 Stimmen. Der Rest ist Taktiererei und Mobilisierungskraft.

Die Zersplitterung in Kleinstfraktionen, die den Baselbieter Parlamentsbetrieb während der letzten vier Jahre lähmte, findet damit ihre Fortsetzung. Beschleunigt durch den Parteiausschluss eines streitbaren grünen Landrats.

Die Bürgerlichen dominieren zu Recht – aber die Linke hat Chancen

Und die Bürgerlichen? Die können sich zurücklehnen und das Schauspiel von den Zuschauerrängen aus verfolgen. SVP (28 Sitze) und FDP (17 Sitze) bilden die grössten Blöcke. Setzen sie die Zusammenarbeit im Parlament fort, die sie bei den Wahlen zustande gebracht hatten, sind sie die schlagkräftige Ratshälfte. Die CVP/BDP-Fraktion (9 Sitze) darf auch zufrieden sein: Ihr reicht es gerade noch, weiterhin das Zünglein an der bürgerlichen Waage zu spielen.

Für die Baselbieter Grünen dürften die kommenden vier Jahre im Parlament zu den härtesten überhaupt gehören. An ihrem eigenen Regierungsrat ist ein strammer Bürgerlicher verloren gegangen, ihre Fraktionspartner gehören zu den schwächsten politischen Kräften im Parlament und die Abtrünnigen-Fraktion hat das Potenzial zum politischen Rohrkrepierer. Daraus die Kraft für eine zweite Blüte zu ziehen, wird ein Kraftakt, der die Partei an ihre Belastungsgrenze führt.

Und siehe da: Plötzlich hat die Baselbieter SP die Gelegenheit, sich neu zu definieren. Und endlich das zu tun, was ihre Jungpartei ohnehin schon lautstark fordert: vollends in die Opposition zu gehen. Sie hat keinen Regierungsrat mehr, dessen Politik sie vertreten muss. Und nach dem Bekenntnis der Grünen zur Mitte ist auf sie nun auch keine Rücksicht mehr zu nehmen. Jetzt muss es die SP nur noch schaffen, sich aufzuraffen.

Artikelgeschichte

Sperrminorität SP korrigiert. Die SP hat mit 21 Sitzen in der Fraktion eine knappe Sperrminorität. (Minimum 19 Stimmen, um bei vollbesetztem Ratssaal das Vierfünftelsmehr von 72 Stimmen zu verhindern.)

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