Die halbe Volkspartei

Das Volk lässt die Volkspartei im Stich. Das wird das Selbstverständnis der SVP kaum verändern. Ein Kommentar zur Wahlniederlage von SVP-Hardliner Adrian Amstutz in Bern.

Die Ankündigung des «Sturm auf das Stöckli» im April 2011. Von links: Adrian Amstutz, Christoph Blocher, Toni Brunner und Caspar Baader. (Bild: Keystone)

Das Volk lässt die Volkspartei im Stich. Das wird das Selbstverständnis der SVP kaum verändern. Ein Kommentar zur Wahlniederlage von SVP-Hardliner Adrian Amstutz in Bern.

Die Widersprüchlichkeit der SVP kennt verschiedene Facetten. Seit Jahren gelingt es der Partei, sich als Oppositionskraft zu präsentieren – und gleichzeitig in der Regierung zu sitzen. Seit Jahren beklagt die Partei, wie die «Linken und Netten» immer mehr und immer stärker würden – und verkennt gleichzeitig die satte bürgerliche Mehrheit im nationalen Parlament (und nicht nur dort). Seit Jahren führen Millionäre die Partei – und gleichzeitig gelingt es der SVP, sich als einzige wahre Stimme des einfachen Mannes zu verkaufen.

Die herausragendste Facette der Doppelbödigkeit der Volkspartei lässt sich allerdings besonders gut im Wahljahr 2011 beobachten. Es ist der Umgang der Partei mit dem Volk. Das «Volch» ist die letzte Instanz der SVP-Politik, ist die mantrahaft postulierte Daseinsberechtigung der Partei und die ständig schwebende Drohung über jedem Handeln: «Wenn ihr nicht spurt, dann fragen wir das Volk!»

Wenn aber dieses Volk, wie beim «Sturm aufs Stöckli», für einmal nicht die Antwort gibt, die sich die SVP erhofft hat, dann geschieht Sonderbares. Das «Volk» weicht aus der Sprache der SVP-Exponenten und macht Platz für die «Anderen». Nach der klaren Niederlage von SVP-Fraktionschef Caspar Baader im Baselbieter Ständeratswahlkampf sagte Kantonalpräsident Dieter Spiess, die «anderen» Parteien hätten die SVP hängen gelassen. Christoph Blocher orakelte nach seiner persönlichen Niederlage in Zürich, dass es im zweiten Wahlgang schwer werde: «Alle anderen Parteien werden uns nun bekämpfen.» Und nach der ebenso klaren Niederlage von Adrian Amstutz im Kampf um den Berner Ständeratssitz diesen Sonntag meinte Amstutz, dass er halt all die «Anderen» gegen sich gehabt hätte.

Die liebste Rolle der Partei

Es wird nicht das letzte Mal sein, dass sich die Politiker der SVP auf die «Anderen» berufen werden müssen. In Zürich ist Christoph Blocher im zweiten Wahlgang chancenlos, in St. Gallen gewinnt die SP-Kandidatur von Paul Rechsteiner gegen SVP-Präsident Toni Brunner an Fahrt und auch in den anderen Kantonen mit einem zweiten Wahlgang für den Ständerat sieht es für die SVP nicht gut aus.

Das Selbstverständnis der SVP wird durch diese Niederlagen nicht erschüttert werden. Im Gegenteil. Die Partei, die sich in erster Linie durch ihre Abgrenzung von allen «Anderen» definiert, wird durch die Niederlagen in ihrem heiligen Furor gegen die Welt noch bestärkt. Es ist die liebste Rolle der Volkspartei: Wir gegen den Rest.

Damit macht die SVP genau jenen Fehler, den sie so gerne allen anderen vorwirft. Sie hört nicht aufs Volk. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Volkspartei in Majorz-Wahlen keine Chance hat. Das «Volk» will keine missionarischen Hardliner, es will keine Politiker wie Blocher, Amstutz oder Baader, die ausser ihrer eigenen Meinung nichts gelten lassen. Das «Volk» will Politiker, die zuhören. Will Politiker, die auch mal einen Kompromiss eingehen können. Es ist dies das gleiche «Volk», das so gerne von der SVP angerufen wird.

Auch wenn das die Partei nicht wahrhaben will.

Quellen

Die Wahlberichterstattung des Bieler Tagblatts.

Zusammenfassung des «Sturm auf das Stöckli» von sf.tv.

Vorschau auf die Ständeratswahl in St.Gallen im Tagesanzeiger.

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