Die Jury hat den Architekten einen Bärendienst erwiesen

Die Debatte um den Neubau des Klinikums 2 war unglücklich.

Die Debatte um den Neubau des Klinikums 2 war unglücklich, die Jury hätte es verhindern können. Statt Argumente für das Siegerprojekt präsentierte sie eine Entschuldigung für die Zweitplatzierten Herzog und de Meuron.

Seit knapp sechs Monaten diskutiert Basel über den geplanten Neubau des Klinikums 2 des Universitätsspitals Basel. Die Kritik am Siegerprojekt «Arcadia» der Architekten Lorenzo Giuliani und Chris­tian Hönger war heftig: «in Beton gegossener städtebaulicher Albtraum» (SP-Grossrat Daniel Goepfert), ­«unglaubliche Massstabsverletzung» (Jacques Herzog) und «viel zu nahe an der Altstadt» (Heimatschutz).

Die Ingredenzien der scharf gewürzten Debatte hat die Jury selbst geliefert. Sie lobte das zweitplatzierte Projekt «Kazwei» von ­Herzog und de Meuron (HdM) im Jurybericht in höchsten Tönen als «ausserordentlich innovativ», «beispielhaft», «hervorragend» – fand aber für das Siegerprojekt eher nüchterne Worte: «angemessene Höhenentwicklung», «sinnvolle Etappierung», «solides Konzept».

Das war Munition für Hochhaus-Gegner wie auch für die zweitplatzierten HdM. SP-Grossrat Daniel Goep­fert witterte gar einen Skandal, mit dem Entscheid seien «Architekten von Weltformat abgestraft worden».

Stellt sich die Frage: Warum? Weil HdM – «die bekanntlich viele Hochhäuser bauen» (Jacques Herzog) – dieses Mal darauf verzichtet haben? Weil das Unispital unbedingt verzichten wollte, «Architekten von Weltformat» bauen zu lassen? Oder weil es gerne mehr Geld ausgibt für die voraussichtlich teurere Hochhaus-Variante? Auch ohne darauf hinzuweisen, dass es ein anonymes Wettbewerbsverfahren war, bleibt nur eine Antwort: wohl kaum.

Wenn HdM «bestraft» worden sein sollen, dann hat Jacques Herzog die Begründung selber geliefert: «Das Projekt muss letztlich funktionieren.» Kazwei erfüllte aber Vorgaben des Wettbewerbs nicht. Und die Jury hat es verpasst, dies angemessen im Bericht herauszustreichen.

Der Jury fehlte der Mut bei der Begründung ihrer Wahl.

In der Würdigung steht zwar, die Qualitäten würden «die betrieblichen und funktionalen Defizite nicht aufwiegen». Nachgeschoben wird aber: «Obwohl Kazwei in seiner entspannten Verankerung in die arealspezifischen Gegebenheiten als beispielhaft bezeichnet werden darf und städtebaulich wie architektonisch her­vorragend ist.»

Die überschwängliche Wortwahl weckt den Eindruck, es gehe um Kleinigkeiten. Wer aber auf Mängel achtet, die ausserhalb der Würdigung aufgeführt werden, erhält ein anderes Bild: «Liftangebot ist zu knapp bemessen», «Belichtung im EG und UG ist absolut unzureichend», «Bettenstationen […] sind funktionsfähig, jedoch sehr weitläufig und betrieblich aufwändig». Dass die Jury im gesamten Bericht gar nicht erwähnt, dass 18 000 Quadratmeter Fläche fehlen, ist dann nur noch merkwürdig.

Wenn der Jury wirklich der Mut gefehlt hat, dann war es bei der Begründung: Wer sich einstimmig für ein Projekt entscheidet, muss dies auch mit den richtigen Argumenten begründen. So klingt es eher nach einer Entschuldigung bei den Zweitplatzierten: den «Architekten von Weltformat». Den Gewinnern hat die Jury damit einen Bärendienst erwiesen, die defensive Kommunikation des Spitals hat den Rest getan. Die ­Debatte wird sich weiterhin nur um den Turm drehen, die funktionalen Ansprüche des Spitals werden im Hintergrund bleiben – wie die Sieger.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 25.10.13

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