Die Kriegserklärung an die PKK ist ein zynisches Machtkalkül von Erdogan

Abend für Abend donnern die Kampfflugzeuge der türkischen Luftwaffe von der Basis Diyarbakir in den Nachthimmel. Die Regierung lässt Bomben auf das eigene Land werfen, und die PKK rächt sich mit Anschlägen sogar am Bosporus. Warum? Tayyip Erdogan will die Macht zurück.

A Turkish Air Force F-4E fighter flies over a minaret after taking off from Incirlik air base in Adana, Turkey, August 12, 2015. REUTERS/Murad Sezer

(Bild: MURAD SEZER)

Abend für Abend donnern die Kampfflugzeuge der türkischen Luftwaffe von der Basis Diyarbakir in den Nachthimmel. Die Regierung lässt Bomben auf das eigene Land werfen, und die PKK rächt sich mit Anschlägen sogar am Bosporus. Warum? Tayyip Erdogan will die Macht zurück.

Dafür, dass er seit der Parlamentswahl von Anfang Juni eine Minderheitsregierung führt und eigentlich nur geschäftsführender Premierminister ist, agiert Ahmet Davutoglu ziemlich forsch. Aber er ist es ja ohnehin nicht, der die Richtlinien der Politik bestimmt.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sitzt in Ankara an den Schalthebeln der Macht. Nach langem Zögern beteiligt er sich nun militärisch am Kampf gegen den IS, erlaubt den USA die Nutzung türkischer Basen für ihre Angriffe auf die Terrormiliz in Syrien und im Irak. Doch im Windschatten dieser Offensive führt Erdogan seinen eigenen Krieg.

Erdogan beendet den von ihm selbst angestossenen Friedensprozess mit den Kurden.

Der Feind ist die PKK – mit der Erdogans Unterhändler noch vor wenigen Wochen über eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts verhandelten. Diesen von ihm selbst vor drei Jahren angestossenen Friedensprozess erklärte Erdogan jetzt für beendet. Es ist ein zynisches Machtkalkül, das hinter dieser Kriegserklärung an die PKK steckt.

Als Erdogan 2012 die Aussöhnung mit den Kurden zu seinem wichtigsten innenpolitischen Projekt erklärte, dürfte es ihm nicht zuletzt darum gegangen sein, Wählerstimmen der Minderheit zu gewinnen, die immerhin ein Fünftel der Bevölkerung stellt. Bei der Parlamentswahl vom Juni ging diese Rechnung aber nicht auf. Der eigentliche Sieger des Urnengangs war die prokurdische HDP.

Sie gewann nicht nur die Stimmen der meisten Kurden, sondern mobilisierte auch linksliberale Wähler im Westen des Landes, kam mit 13 Prozent Stimmenanteil als vierte Partei ins Parlament und brachte so die von Erdogan gegründete islamisch-konservative AKP um ihre absolute Mehrheit. Damit musste Erdogan seine Pläne für die Einführung eines Präsidialsystems, das ihm eine noch grössere Machtfülle geben sollte, vorerst begraben.

Mit seinem Konfrontationskurs spekuliert Erdogan auf Stimmen aus dem nationalistischen Lager.

Wenn die Bemühungen um die Bildung einer Koalitionsregierung bis zum 23. August erfolglos bleiben, müssen Neuwahlen ausgeschrieben werden. Darauf scheint Erdogan zu spekulieren – in der Hoffnung, dass seine AKP verlorene Stimmen zurückgewinnen und er seine Präsidentschaftspläne doch noch umsetzen kann. Erdogan setzt deshalb nun alles daran, die HDP als politischen Arm der PKK zu diskreditieren und ihre führenden Politiker als Terroristen zu dämonisieren. Mit seinem Konfrontationskurs spekuliert Erdogan auf Stimmen aus dem nationalistischen Lager.

Die Strategie des türkischen Präsidenten ist verantwortungslos. Er treibt eine Eskalation voran, die niemand, auch er nicht kontrollieren kann. Aus Erdogans Krieg gegen die PKK könnte sich ein Flächenbrand entwickeln, der schnell das ganze Land erfasst.

Nächster Artikel