Die Krise der Grünen ist keine Krise der Linken

Grünes Desaster, bürgerlicher Erfolg: Das sind die Prophezeiungen für den kommenden Wahlherbst. Dabei stehen die Chancen für die SP ebenfalls gut. Die Partei gewinnt und gewinnt – und keiner schaut hin.

Erleben wir im Herbst einen Rechtsrutsch bei den nationalen Wahlen? Manches spricht dagegen. (Bild: Walter Bieri)

Grünes Desaster, bürgerlicher Erfolg: Das sind die Prophezeiungen für den kommenden Wahlherbst. Dabei stehen die Chancen für die SP ebenfalls gut. Die Partei gewinnt und gewinnt – und keiner schaut hin.

Die einen freuen sich über die Auferstehung der FDP, die anderen machen sich über die Grünen lustig – so kommentiert die Schweizer Presse die Wahlen in Zürich vom Sonntag. Die FDP konnte im Zürcher Kantonsparlament rund 4,4 Prozentpunkte an Wählerstimmen zulegen, die Grünen dagegen verloren 3,4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2010.

Im Hochgefühl des Triumphs bemühen manche Politikerinnen und Politiker den Zeitgeist, der angeblich bürgerlicher geworden sei (Silvia Steiner, CVP). Andere sagen einen Rechtsrutsch für die Wahlen im Herbst voraus.

Was dabei vergessen geht: Die Linken legten in Zürich einmal mehr zu, die SP bescheidene 0,4 Prozent, die alternative Linke satte 1,4 Prozent – ein beachtlicher Zuwachs für die Kleinstpartei.

SP und Grüne werden häufig in denselben Topf geworfen, ergo erscheint die Niederlage der Grünen als Schwäche der Linken. Dieser Schluss ist jedoch falsch. Der Trend der SP zeigt nach oben, Grüne und Grünliberale befinden sich dagegen im Sinkflug. Der Untergang der Grünen überschattet in gewisser Weise den Erfolg der Linken.

Der Politologe Mark Balsiger weist darauf hin, dass die SP und Grüne in ihrer Entstehungsgeschichte durchaus Differenzen haben. «Die Grünen weisen unter anderem auch bürgerliche Wurzeln auf.»

In vielen Fragen überschneiden sich die beiden Parteien. Der entscheidende Unterschied ist jedoch: Den Grünen traut kaum einer mehr etwas zu, der SP schon.

Ist der prognostizierte Rechtsrutsch also bloss eine Mär? Der Erfolg der FDP ist nicht von der Hand zu weisen. Alles deutet darauf hin, dass die Partei im Herbst kräftig zulegt. Dennoch ist der Rechtsrutsch wohl eher Wunschdenken von bürgerlichen Politikern und Kommentatoren, als realistisches Szenario.

Der Sieg der Bürgerlichen ist kein Schwächeanfall der Linken.

Denn: Die SP gewann in den letzten Jahren stetig. In 23 kantonalen Wahlen legte die SP 15 mal zu – bei Proporz- wie auch bei Majorzwahlen. Der Zuwachs liegt im Durchschnitt bei 0,5 Prozentpunkten (Proporzwahlen). Nur die SVP gewann häufiger. Von 23 kantonalen Wahlen gewann sie 19 mal, im Durchschnitt 0,7 Prozentpunkte.

Der Sieg der Bürgerlichen und die Niederlage der Grünen in Zürich, Luzern und Baselland ist kein Schwächeanfall der Linken. Im Gegenteil: Das Wahlergebnis von Zürich zeigt, dass die Wähler auch mit wirtschaftlich düsteren Aussichten auf die Linke setzt.

Die vielbeschworene These, dass Wirtschaftssorgen den Bürgerlichen in die Hände spielen, stimmt somit nur begrenzt. Die SP kann von der Frankenkrise ebenso profitieren – voraussichtlich auch mit ihrem staubtrockenen Zehn-Punkte-Programm, das die Partei für die nationalen Wahlen vorlegte.

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