In 43 Jahren hat sich die Moschee in der Kaserne Basel zu einem festen Anlaufpunkt für gläubige Muslime entwickelt. Es gibt aber auch einen lebhaften Austausch mit der benachbarten St. Clara-Kirchengemeinde. Ihr ehemaliger Pfarrer hat für uns einen Gastkommentar geschrieben.
Wenn saniert wird, dann fliegen die Späne, wer weiss das nicht. Im Augenblick wird die Teilrenovation der Kaserne geplant und bald auch durchgeführt. Und auch da fliegen die Späne. Nur hier sind es Muslime, Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt.
Die «Kündigung» der Moschee, die seit Jahrzehnten im Dachboden der Kaserne eingerichtet ist, muss für Muslime schrecklich sein. Da wird ihnen etwas genommen, das für sie eine grosse Bedeutung hat. Das gilt für alle, auch wenn nur 20 Prozent ihre Religion auch praktizieren – in Basel-Stadt sind 8 Prozent der Wohnbevölkerung (etwa 18’000 Personen) muslimischen Glaubens.
Die Angst der Muslime vor den «Ureinwohnern»
Man reisst ihnen gleichsam die Pflanze aus, die ihnen ihre eigene Religion vertraut hält, ihnen in ihrem Glauben Halt gibt. Ihre Angst, aus der hiesigen Gesellschaft noch mehr ausgegrenzt zu werden, nimmt zu.
Ja, so unwahrscheinlich es in den Ohren derer klingen mag, die lieber keine Muslime im Land hätten: Die Muslime haben Angst vor den «Ureinwohnern» der Schweiz, den Schweizerinnen und Schweizern. Sie haben Angst, weil kaum jemand mit ihnen das Gespräch aufnimmt, wie das in Nachbarschaften üblich ist. Sie haben Angst, weil sie das Schulsystem nicht verstehen, nur erleben, dass ihre Kinder es da meistens nicht weit bringen.
Sie haben Angst, weil sie in den Medien normalerweise nur negativ dargestellt werden; weil man sie zu hundert Prozent den terroristischen Muslimen zuordnet; weil einige ihrer Frauen, die den Schleier tragen, beschimpft werden.
Wenn Angst in Wut umschlägt
Angst kann in Wut umschlagen und zu einer hundertköpfigen Schlange werden. In der Angst gärt auch Wut, die Wut darüber, dass die Moscheen (genauer die Mescid, die Gebetsräume) nur in ungenutzten Industrieräumen, nur weit aussen am Rand eingerichtet werden können. Und jetzt wird eine Moschee wegrenoviert, ohne dass denen, die dort beten und lernen und Gemeinschaft pflegen, eine valable Alternative angeboten wird.
Zentral im Leben der Muslime sind die fünf täglichen Pflichtgebete, die von Männern, wenn möglich in Gemeinschaft, verrichtet werden (nach Anbruch der Dämmerung, mittags, wenn die Sonne den Zenit überschritten hat, am Nachmittag, nach Sonnenuntergang und bei vollständiger Dunkelheit). Grundsätzlich kann überall gebetet werden. Männer allerdings sollen, wenn immer möglich, zusammen in der Moschee beten. Von Frauen wird das nicht erwartet, auch wenn ihnen der Zugang zur Moschee grundsätzlich erlaubt ist.
Die Moscheen (Mescid) sind Räume für dieses gemeinsame Gebet, aber auch Orte der Einführung in den Koran, Bethäuser und Lehrhäuser zugleich. Damit das Gebet gültig ist, müssen bestimmte Vorbedingungen erfüllt sein. Dazu gehört die rituelle Reinheit des Körpers, die durch bestimmte Waschungen erreicht wird, aber auch die Reinheit der Kleidung und des Gebetsplatzes. Betende müssen sich nach Mekka richten und die Gebetszeiten einhalten. Die Gebete werden arabisch gesprochen.
Die Schliessung einer Moschee bedeutet für einen Muslim, dass ihm der (Gebets)teppich weggezogen wird.
In der Mescid in der Kaserne treffen sich vor allem türkische Muslime zu den islamischen Gebeten und um Sozialkontakte zu pflegen. Etwa 400 Männer und 100 bis 150 Frauen besuchen die Mescid regelmässig (95 Prozent sind Türken, 5 Prozent stammen aus anderen muslimisch geprägten Ländern). Christen werden zum Besuch der Mescid und zum Gespräch eingeladen.
Die Schliessung einer Moschee bedeutet für einen Muslim, dass ihm der (Gebets-)Teppich weggezogen wird. Er verliert einen wichtigen Ort seines Lebens. Und wem macht das nicht Angst? So ist es klar, dass die Kündigung eines als Mescid genutzten Raumes für die Muslime eine existentielle Verlusterfahrung bedeutet. Solche Massnahmen marginalisieren die Betroffenen und machen das Zusammenleben der Gläubigen der verschiedenen Religionen schwieriger. Hier legt der Staat selbst einen potentiellen Brandherd. Und das darf nicht sein.
Garage als Moschee – ein zynisches Angebot
Zumal die Vertreter des Staates um die Bedürfnisse und Gepflogenheiten wissen, wie aus den Unterlagen zur Medienkonferenz der Verantwortlichen vom 23. Oktober 2013 zu entnehmen ist.
Da treffen also zwei Ängste aufeinander, die der Muslime vor den Schweizern und die der Schweizer vor den Muslimen. Die Mehrheit und die Minderheit müssen in Kontakt miteinander treten, von ihren Sitten und Gebräuchen erzählen; aber auch ihre Ängste ansprechen und genau zuhören, wenn die einen und die anderen von ihren Ängsten reden. Eine Forderung, der die Minderheit schwerer Folge leisten kann als die Mehrheit der Einheimischen. Diese Forderung richte ich vor allem auch an die Behörden.
Nur in einem Gespräch, in dem Ängste angesprochen und angehört werden, kann eine Kündigung ausgesprochen werden. Nur so lässt sich eine Lösung finden, der die Renovierer und die Muslime zustimmen könnten. Das Angebot einer Garage als Alternative zum Preis von 20’000 Franken pro Monat kann nicht ernst genommen werden. Es ist zutiefst zynisch.
Die Angst vor den Nachbarn
Ein grosses Problem für Muslime ist es, geeignete Räumlichkeiten zu finden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Grosse Räume lassen sich finden. Es gibt zwar Büro- und Lagerräume, die leer stehen, aber geeignete Räume sind zu teuer. Mieten zwischen 3000 und 7000 Franken pro Monat sind keine Seltenheit. Obwohl diese Mietpreise meist im ortsüblichen Rahmen sind, können sie von islamischen Gemeinschaften kaum bezahlt werden.
Räume werden nicht als islamische Gebetsräume vermietet. Einerseits werden dafür islamfeindliche Gründe geltend gemacht, andererseits fürchten die Vermieter die Reaktionen der Nachbarschaft wegen akustischen Belästigungen. Und tatsächlich: Besonders während des Fastenmonats Ramadan, aber auch am Freitag und am Wochenende, besuchen viele Muslime die Mescid, was zwangsläufig mit gewissen Immissionen verbunden ist. Aber wo Leben ist, da sind eben auch lebensbejahende Stimmen und Töne zu hören.