Die Post sollte Vorbild sein, statt sich wie Uber zu gebärden

Die Post rühmt sich als soziale Arbeitgeberin. Dabei setzt sie neuerdings auf dasselbe unsoziale Prinzip wie Uber.

Young stylish man in sunglasses riding a bike on city street

(Bild: Istock/Montage: Nils Fisch)

Die Post rühmt sich als soziale Arbeitgeberin. Dabei setzt sie neuerdings auf dasselbe unsoziale Prinzip wie Uber.

Arbeitnehmerrechte sind eine grosse gesellschaftliche Errungenschaft. Doch in der modernen Arbeitswelt geraten sie zunehmend unter die Räder. Uber kassiert bei jeder Fahrt, die über seine App vermittelt wird, mit. Doch wenn die Behörden gegen diesen gewerbsmässigen Personentransport einschreiten, dürfen die einzelnen Fahrer den Kopf hinhalten.

Es sind nicht nur aggressive Firmen wie Uber, die bestehende Märkte aufmischen und dabei das Risiko auslagern. Ausgerechnet die Post geschäftet neuerdings auch mit solchen Methoden. Nicht nur dass der ehemalige Staatsbetrieb, der noch immer zu 100 Prozent dem Bund gehört, 600 Filialen schliessen und gegen 1200 Leute auf die Strasse stellen will. Nein, er hat auch ein Pilotprojekt für einen neuen Lieferdienst mittels Velokurieren gestartet und foutiert sich dabei um seine soziale Verantwortung, die er im Auftrag des Bundes übernommen hat.

Soziale Verantwortung und Vertrauen sind für die Post nicht mehr als schöne Worte.

Dieser tönt gemäss Post-Website so: «Mit einer fortschrittlichen und sozialverantwortlichen Personalpolitik wird die Post weiterhin dem Vertrauen ihrer Mitarbeitenden gerecht werden. Dazu soll sie attraktive und konkurrenzfähige Anstellungsbedingungen bieten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die ausgeglichene Vertretung von Geschlechtern und Sprachregionen fördern.»

Soziale Verantwortung, Vertrauen, Vereinbarung von Familie und Beruf – das sind für die Post offenbar nicht mehr als schöne Worte.

Dass Poststellen geschlossen werden, wenn sie nur noch Verluste einfahren und kaum frequentiert sind, ist nachvollziehbar. Ebenfalls, dass sich die Post den Kundenbedürfnissen nach zeitlich flexibler Lieferung anpasst. Inakzeptabel ist jedoch, dass sich die Post bei der Auswahl ihrer Partner anscheinend keinen Deut um ihre Verantwortung schert.

Sie hat sich für den flexiblen Lieferdienst ausgerechnet einen Anbieter ausgesucht, dessen Fahrer nicht einmal über eine Unfallversicherung verfügen müssen, weil sie angeblich Selbstständigerwerbende sind. Deshalb haben diese Kuriere auch keine Arbeitnehmerrechte wie etwa Schutz vor missbräuchlicher Kündigung. Und dann verdienen sie auch noch deutlich weniger als normale Velokuriere. Von sozialer Verantwortung ist hier nichts zu spüren.

Man schöpft den Gewinn aus der Tätigkeit von angegliederten Mitarbeitern ab, stellt diese aber nicht ein.

Die von der Post ausgewählte Firma Notime argumentiert (ähnlich wie Uber), man sei bloss ein Technologieanbieter. Zu gut Deutsch: Man schöpft den Gewinn aus der Tätigkeit von angegliederten Mitarbeitern ab, stellt diese aber nicht ein und kann so auf alle Formen des Arbeitnehmerschutzes verzichten.

Zu Recht moniert Leser Martin Schenker: «Das verstehe, wer will. Als Privater gelte ich schon als Arbeitgeber, wenn ich eine Putzkraft nur für ein paar wenige Stunden pro Woche engagiere und muss sie bei der AHV anmelden und Unfallversicherung bezahlen, da sie ja meine Angestellte ist.»

Das Problem ist, diese Dienste entsprechen durchaus dem Zeitgeist und dem Bedürfnis nach günstiger, rascher und flexibler Bedienung. Entsprechend gross ist die Nachfrage. Aber bei diesen Systemen profitieren Firmen und Kunden auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Ihre Rechte werden mit fadenscheinigen Argumenten ausgehebelt. Arbeitnehmerrechte werden für kurzfristigen Profit über den Haufen geworfen. Wenn selbst staatsnahe Betriebe wie die Post dieses Spiel mitspielen, wird es noch schwieriger, andere zur Einhaltung der Spielregeln zu bewegen.

Nächster Artikel