Die Unersättlichkeit des FC Basel und das Armutszeugnis für den Rest

Überlegen und so frühzeitig wie kaum je zuvor ist der FC Basel Schweizer Meister. Urs Fischer hat die Mannschaft mit ruhiger Hand zum siebten Titel in Serie gecoacht, der direkt in die Champions League führt. Und das Ende der Basler Erfolgsgeschichte ist nicht abzusehen.

FC Basel Meister 2016

(Bild: Nils Fisch/Illustration)

Überlegen und so frühzeitig wie kaum je zuvor ist der FC Basel Schweizer Meister. Urs Fischer hat die Mannschaft mit ruhiger Hand zum siebten Titel in Serie gecoacht, der direkt in die Champions League führt. Und das Ende der Basler Erfolgsgeschichte ist nicht abzusehen.

Wie soll man es seinen Kindern und den Enkeln erklären? Den Sprösslingen, die in ihren Embolo-XS-Trikots neben einem sitzen auf der Gegengeraden oder daheim vor dem Fernseher und die noch nichts anderes erlebt haben? Dass es ein Naturgesetz ist, wonach zehn Mannschaften in der Super League gegeneinander spielen und am Ende der FC Basel Meister wird? Oder ein Schweizer Brauchtum? Dass es einen entsprechenden Passus in den Statuten des Fussballverbandes gibt? Oder höhere, unerklärliche Kräfte dafür verantwortlich sind, dass in der Tabelle zwar noch Plätze frei sind, bloss weiter hinten, nach dem FCB?

Der ist nicht nur so überlegen wie kaum je zuvor, sondern auch so vorzeitig Meister wie nur 2012. Fünf Runden vor Schluss ist das Titelrennen auch rechnerisch entschieden; faktisch bestand jedoch längst kein Zweifel mehr. Die Waffen gestreckt haben die Gegner schon viel früher. In Tat und Wahrheit bereits in der Winterpause.

Die Konkurrenz – mit Pauken und Trompeten durchgefallen

Das ist das Problem, wenn die Monotonie in der Schweizer Liga bejammert wird: Sie liegt nicht allein am FC Basel, seiner fussballerischen und ökonomischen Potenz und seiner Unersättlichkeit. Es sind auch die Insuffizienzen seiner Konkurrenten, die die Kräfteverhältnisse zementiert haben. Die Tabelle, wie sie sich am 30. April 2016 präsentiert, ist auch ein Armutszeugnis für den Rest der Super League.

Die Berner Young Boys – sogar von den Zürcher Medien vor Anpfiff der Spielzeit auf den Favoritenschild gehoben – waren schon nach dem ersten Saisonviertel mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Der FC Sion erwies sich im Marathon um Punkte ein weiteres Mal als Luftnummer, und die Grasshoppers hatten erwartungsgemäss nicht die Substanz, um im Frühjahr ihren Lauf fortzusetzen. 

Spieler kommen und gehen, und das Basler Sieger-Gen pflanzt sich einfach fort.

Der FCB zieht derweil seine Kreise. Unbeeindruckt davon, dass einmal mehr der grosse Umbruch (Streller) heraufbeschworen und ein Ausverkauf (Schär, Frei, später in der Saison: Elneny) beklagt wurde. Das Basler Sieger-Gen, speziell in der Rückkehrer-Generation der Huggel-Streller-Frei diagnostiziert, pflanzt sich einfach fort.

Auch ist die Transferpolitik einmal mehr aufgegangen, Marc Janko schiesst auch in der Schweiz seine Tore, Michael Lang und Birkir Bjarnason sind Leistungsträger, und die Kröte Renato Steffen haben die (meisten) Kritiker geschluckt.

Weil überdies die argentinische Altherren-Fraktion ihren zweiten, dritten Frühling erlebt, ist den erfolgsverwöhnten FCB-Fans auch ein bisschen Extraemotion geboten. Matias Delgado wirkt als Captain der Mannschaft mehr, als es nach aussen hin den Anschein macht. Er gilt als grosse integrative Kraft in der Garderobe. Und Walter Samuel weinen wir alle sowieso eine Träne nach, wenn der Fussballgott am Morgen nach der Meisterfeier sein Bündel packt und geht.

Urs Fischer führt mit ruhiger Hand. Gut, dass der FCB mal wieder den Meistertrainer über den Sommer behält.

Dem Trainer darf man auch ein Kränzchen winden. Urs Fischer hat zwar in der Frühphase der Saison die Champions League verpasst ohne zu verlieren, nach der Enttäuschung von Tel Aviv das Kader dann aber mit ruhiger Hand durch die Langzeitqualifikation in der Liga geführt. Der ganz persönliche Lohn für Fischer ist der erste Titel als Trainer. Verknüpft ist der Erfolg mit dem direkten Sprung in die Gruppenphase der Champions League, wo der FCB wieder an die Millionen-Pipeline angeschlossen wird.

Das ist das allem anderen übergeordnete Ziel, das der FC Basel einem Cheftrainer vorgibt. Aber Fischer hat nicht nur in dieser Hinsicht den Auftrag erfüllt, er hat nach dem egozentrischen Taktikprofessor Paulo Sousa vor allem auch etwas Gelassenheit und Bodenständigkeit in den Kosmos FCB zurückgebracht. Kein wildes Gestikulieren mehr in der Coachingzone, dafür eine klare Grundordnung des Teams.

Experimente wagte er lediglich auf europäischem Parkett, was ihm etwa den wegweisenden Auswärtssieg in Florenz eintrug. Und ein bisschen Wettkampffortune lachte ihm auch, als gegen St-Etienne, das Aus in der Europa League vor Augen, noch der Lucky Punch gelang.

Warum nicht auch noch den achten Titel in Serie?

Unter dem Strich bedeutet das: Den 19. Titel seiner Clubgeschichte holt der FC Basel mit dem fünften Trainer in den zurückliegenden sieben Jahren – auch das dürfte ziemlich einmalig sein. Und: Basel behält seinen obersten Anleiter mal über den Sommer hinweg. Das ist gut so, weil es die Position des Cheftrainers inner- und ausserhalb des Vereins wieder stärkt.

Vor zwei Jahren haben wir geschrieben: Nichts spricht dagegen, dass der fünften Meisterschaft auch noch eine sechste und siebte folgt. Inzwischen sind wir von der Realität eingeholt. Und der FC Basel wird sich sagen: Warum nicht auch noch den achten Meistertitel? Es wäre der zwanzigste, und den hiesigen Gepflogenheiten entsprechend – eine Auszeichnung pro zehn Meisterschaften – verdiente er sich den zweiten Stern über dem Vereinswappen.

Das klingt nach einer naheliegenden Herausforderung, denn bis zu den 27 Titeln von Rekordmeister Grasshoppers ist es noch ein Stück.

Die Clubleitung lässt nicht locker

Dass das Publikum auf diesem Weg auch noch unterhalten sein will, versteht sich von selbst. Ein neuerlicher Umbruch kündigt sich an; jährlich grüsst das Murmeltier. Diesmal wird eine fast komplett neue Abwehrreihe benötigt, um die Lücken zu schliessen, die Walter Samuel, Behrang Safari und Philipp Degen hinterlassen. Und im Offensivspiel besteht nicht nur Handlungsbedarf, weil mit dem rekordtransferverdächtigen Abschied von Breel Embolo zu rechnen ist.

Die Arbeit geht dem Branchenkrösus also nicht aus. Zurücklehnen und sich im Glanz des Erfolgs zu sonnen – dieser Gefahr sind die Verantwortlichen um Präsident Bernhard Heusler und Sportdirektor Georg Heitz in den vergangenen Jahren nicht erlegen, und es macht den Anschein, als ob sie nicht lockerlassen wollen. Die Leinen nach neuen Spielern sind längst ausgelegt, noch ehe die Mannschaft in der Nacht des 25. Mai den neugeschaffenen Meisterpokal auf dem Barfüsserplatz präsentieren wird.

Und nach wie vor gibt es keine Anzeichen dafür, dass diese Basler Erfolgsgeschichte zu Ende geht.

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