Die wüste Schlacht um die richtige Platte

Historiker Thomas Maissen widerspricht der SVP-Deutung der Schlacht von Marignano. Er ist einer der wenigen Intellektuellen, die sich dazu äussern. Es bräuchte mehr von ihnen, um den ideologischen Zerrspiegel wegzudrehen.

Was für eine Schlachtplatte: Bei Marignano 1515 hats für jeden ideologischen Geschmack die richtige Wurst dabei.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Historiker Thomas Maissen widerspricht der SVP-Deutung der Schlacht von Marignano. Er ist einer der wenigen Intellektuellen, die sich dazu äussern. Es bräuchte mehr von ihnen, um den ideologischen Zerrspiegel wegzudrehen.

Marignano heisst heute Melegnano und befindet sich im Grossraum von Mailand. Vor 500 Jahren bekriegten sich dort die Eidgenossen mit den Franzosen um das Herzogtum Mailand. Sie – also wir – unterlagen, das Resultat: das Ende der damaligen Expansionslust der Alten Eidgenossenschaft.

Die Schlacht von Marignano wird bereits seit gut 100 Jahren als Fundament einer Schweizer Neutralitätspolitik zurechtgedeutet. Jetzt dient das Ereignis konservativen Politikern der SVP als kräftiges Symbol, um im Jahr 2015 einer aussenpolitischen Abschottung das Wort zu reden: Die Schweiz soll eine Insel im wirren Europa bleiben, schliesslich vergossen unsere alteidgenössischen Vorfahren dafür auf fremdem Boden ordentlich Blut.

Punkten mit Argumenten

Das aber geht so nicht. Zwar könne man grundsätzlich Probleme von heute anhand von historischen Bildern diskutieren, sagt Historiker Thomas Maissen im Interview mit der TagesWoche. Doch es handelt sich eben um Bilder; und die Deutungshoheit könne nicht einer politischen Partei überlassen werden. Maissen gilt als einer der wenigen Historiker, die sich in die Debatte einmischen.

«Es ist durchaus befriedigend, wenn man mit Argumenten punkten kann und auch Applaus und einige Lacher auf seiner Seite hat», resümiert Maissen seine öffentlichen Debatten mit SVP-Chefdenker Christoph Blocher.

Zerrspiegel der ideologischen Geschichtsdeutung

Bleibt zu hoffen, dass er damit weiteren Historikern Mut macht. Mut, aufzustehen und Paroli zu bieten, wenn der Gegenwart ein Zerrspiegel aus ideologischer Geschichtsdeutung vorgehalten wird.

Was die Schweiz braucht, ist eine zeitgemässe Debatte zu ihrer Aussenpolitik – gerade, wenn sich die umliegende EU mit der Flüchtlingspolitik an ihrem Limit bewegt. Es kann aber nicht sein, dass wir die Rolle der Schweiz im politischen und wirtschaftlichen Umfeld des Jahres 2015 anhand einer Geschichtsklitterung von Ereignissen aus dem Jahr 1515 debattieren.

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