Ecopop ist Geschichte – zum Glück. Dass solche extremen Vorlagen überhaupt erst zur Abstimmung kommen, aber zeigt: Der Politbetrieb ist zum Tollhaus geworden. Das kann gefährlich werden.
Es ist nochmals gut gegangen: Eine klare Mehrheit der Abstimmenden hat sich von den Ecopop-Propagandisten nicht verführen lassen und deren Initiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» eine Abfuhr erteilt.
Es war bis zuletzt ein Zitterspiel. Dass die Initiative am Schluss so deutlich abgelehnt würde, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Spätestens seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative wissen wir, dass hierzulande selbst radikale Vorlagen salonfähig geworden sind. Auch solche, die die Schweiz international isolieren, im Widerspruch zum Völkerrecht stehen oder die wirtschaftliche Entwicklung gefährden. Minarett-, Ausschaffungs-, Verwahrungs-, Pädophilen-, Unverjährbarkeits-, Abzocker-Initiative: Das Volk misstraut seinen Politikern, seinen Richtern, seinen Wirtschaftsführern.
Allzu simple Rezepte
Die Ecopop-Initianten operierten mit einem diffusen Mix aus Umweltschutz, Angst vor Überfremdung und Sehnsucht nach einer vergangenen heilen Schweiz, in welcher globaler Wettbewerbsdruck und Migration noch Fremdworte waren. Am Schluss haben ihre allzu simplen Rezepte und Scheinlösungen nicht gegriffen.
Zersiedelung, Klimaerwärmung, Verlust der Artenvielfalt: All diese Probleme nehmen zu. Doch die Umwelt lässt sich nicht einfach durch das Hochziehen von Grenzzäunen schützen nach dem Motto «weniger Ausländer, weniger Umweltzerstörung», sondern nur durch eine vernünftige Raumplanung und durch nachhaltige Energiesparmassnahmen.
Geradezu bizarr mutete auch die postkolonialistische Idee an, den Bevölkerungsdruck in den Entwicklungsländern durch «freiwillige Familienplanung» zu lindern. Ein solches Ansinnen zeugt nicht nur von eurozentrischer Arroganz gegenüber den Ländern des Südens, es ist auch entwicklungspolitisch untauglich: Statt in überlebenswichtige Bewässerungssysteme, in Schulen und Spitäler hätten, so die Forderung der Initianten, zehn Prozent der schweizerischen Entwicklungshilfegelder in die sexuelle Aufklärung und in die Verteilung von Kondomen gesteckt werden sollen. Solche grotesken Artikel haben nichts in der Bundesverfassung zu suchen – das hat nun auch das Volk unterstrichen.
Hilflose Parlamentarier
Bedenklich aber stimmt, dass solche abenteuerlichen Initiativen überhaupt erst zur Abstimmung kommen. Noch vor wenigen Jahren wäre eine Vorlage wie die Ecopop-Initiative bei der parlamentarischen Prüfung durchgefallen, weil sie das Gebot der Einheit der Materie nicht erfüllt – ob die Zuwanderung in der Schweiz gestoppt werden soll, ist eine andere Frage als jene der Geburtenkontrolle im Ausland.
Das Parlament hatte die Vorlage durchgewinkt, obwohl sich sämtliche Parteien gegen diese Initiative gestemmt hatten, auch die SVP (mit Ausnahme von acht Kantonalparteien). Offensichtlich wollte man sich nicht die Finger verbrennen und sich nicht dem Vorwurf der Zensur aussetzen. Und insgeheim hoffte man wohl auch, dass das Volk diese ausländerfeindliche Initiative ablehnen würde.
Gefährliches Spiel mit dem Feuer
Die Rechnung ist zwar aufgegangen – doch dieses Spiel mit dem Feuer ist gefährlich. Es wird zu weiteren extremen Vorlagen ermutigen, deren Annahme dem Land schaden könnten.
Der hiesige Politbetrieb ist zum Tollhaus geworden. Die Volksinitiative wurde einst erfunden, um die Rechte und Ansprüche von Minderheiten zu verteidigen, die in Regierung und Parlament keine Stimme hatten.
Heute ist es oft umgekehrt. Die Zahl radikaler Vorlagen, welche die Schmälerung der Rechte von Minderheiten zum Ziel haben, das Land isolieren oder den Wohlstand torpedieren (wie etwa auch die Gold-Initiative, die heute ebenfalls deutlich abgelehnt wurde), nimmt zu. Eine solche Voodoo-Politik ist eine Zumutung für das Stimmvolk und eine Gefahr für die direkte Demokratie.