Nicht einmal jeder Vierte in der Schweiz hat Ja gesagt zur Einführung eines Mindestlohns von 4000 Franken in der Schweiz. Die überdeutliche Ablehnung ist ein fatales Signal.
Dass die Mindestlohninitiative abgelehnt werden würde, war seit Längerem klar. Dass die Abfuhr so deutlich ausfällt, überrascht aber doch. Nicht einmal ein Viertel der Stimmenden war für die Einführung einer Lohnuntergrenze von monatlich 4000 Franken für eine Vollzeitstelle. Dass in Basel mehr als ein Drittel der Stimmenden Ja sagte, ist einmal mehr ein schwacher Trost.
Die Angstmacherei der Wirtschaft hat verfangen: Bei einer Annahme der Initiative würden Arbeitsplätze abgebaut, Firmen vernichtet oder zum Abwandern gezwungen, die Berufslehre auf einen Schlag unattraktiv.
Missgunst und Leichtgläubigkeit
Man hätte sich die millionenschwere Panikmache sparen können. Wenn das Verdikt so klar ausfällt, dann muss es weitere, fundamentalere Gründe geben. Missgunst zum Beispiel. Wer ein Arbeitsleben lang schlecht verdient hat und heute mit der Mindestrente auskommen muss, missgönnt dem noch nicht Pensionierten den Mindestlohn. Zumal der Profiteur ja auch noch ein Ausländer sein könnte.
Mag sein, dass die abgelehnte Initiative zu viel Angriffsfläche bot, weil sie den wirtschaftlichen Unterschieden in den verschiedenen Regionen zu wenig Rechnung trug. Vermutlich wäre aber auch jeder andere Vorstoss zur Einführung eines Mindestlohns verworfen worden. Wenn es um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen geht, üben sich die Schweizer in Bescheidenheit. Eher sind wir bereit zu glauben, dass die längst ins Perverse gekletterten Gewinne von Konzernen und Aktionären die Grundlage für den relativen Wohlstand in der Schweiz sind.
Von wegen «Erfolg für die Gewerkschaften»
Mindestlöhne führen nicht zu Arbeitsplatzabbau, das ist Blödsinn. Sie sind auch kein Wundermittel gegen die Prekarisierung einer immer grösser werdenden Schicht von Werktätigen. Dass zwei, drei Detailhändler ihre tiefsten Löhne von sich aus auf die verlangten 4000 Franken angehoben haben, ist nicht viel mehr als ein Marketinggag. Wer in einem 40-Prozent-Pensum auf Abruf angestellt ist – was im Verkauf häufig Realität ist – wird davon kaum etwas spüren. Das als Errungenschaft zu verkaufen, wie es die Gewerkschaft Unia nun versucht, ist schlicht lachhaft. Zumal ihre Position für die Aushandlung von Gesamtarbeitsverträgen bestimmt nicht besser ist als vor der Abstimmung.
Die Einführung eines landesweit geltenden Mindestlohns wäre ein Signal gewesen. Ein wichtiges. Die überdeutliche Ablehnung der Initiative ist auch eins. Leider das falsche.