Ein gewagter Deal

Mit einem grossen Umbau will die Novartis-Führung den Konzern dynamisieren und zu neuen Ufern führen. Es spricht einiges dafür, dass das gelingen wird – aber risikolos ist es nicht.

Fokussiert sich neu auf drei Hauptbereiche: Novartis. (Bild: Nils Fisch)

Mit einem grossen Umbau will die Novartis-Führung den Konzern dynamisieren und zu neuen Ufern führen. Es spricht einiges dafür, dass das gelingen wird – aber risikolos ist es nicht.

«Jetzt wollen wir Roche überholen», lässt Novartis-CEO Joe Jimenez den «Blick» lärmen. Gemeint ist freilich nur der Bereich der Krebsmedikamente – denn mit dem Gesamtumsatz liegt Novartis schon seit etlichen Jahren vor der «Kollegialfirma» vom anderen Rheinufer.

Anlass für Jimenez‘ Kampfansage ist der komplizierte Deal seiner Novartis mit der britischen Glaxo Smith Kline (GSK) und der amerikanischen Eli Lilly, bei dem Unternehmensbestandteile im Wert von über 30 Milliarden Dollar den Besitzer wechseln: Novartis übernimmt von GSK den Bereich Krebsmedikamente (für 16 Milliarden Dollar) und überlässt dieser den Bereich Impfstoffe (für 7,1 Milliarden Dollar); die Abteilung Tiergesundheit geht an Eli Lilly (für 5,4 Milliarden).

Überdies bringt Novartis seine rezeptfreien Medikamente in eine neue Beteiligungsgesellschaft ein, an der GSK die Mehrheit hält und die Federführung übernimmt. Dabei wechseln Schweizer Marken ihre Nationalität: Voltaren, Mebucain, Nicotinell und so weiter werden britisch.

Ein profitabler Deal

Netto zahlt Novartis also rund 3,5 Milliarden Dollar und kann nach wenigen Jahren ihre Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen mit GSK verkaufen. Unter dem Strich wird für Novartis wohl ein «kleinerer» Milliardenbetrag übrig bleiben – und eine neue, schlankere Unternehmensstruktur, von der sich die Führung eine dynamischere Zukunft verspricht. Statt wie bisher fünf umfasst Novartis nur noch drei Sparten: Pharma mit den Krebsmedikamenten von GSK, Alcon mit der Augenheilkunde und Sandoz mit den Generika.

Hat bei Novartis aber wirklich ein grundlegender Strategiewechsel stattgefunden?

Wie immer in so komplizierten Strukturen ist die Antwort Jein. Ja, weil Novartis einige zwar erfolgreiche Bereiche abgestossen hat, in denen für sie aber die Gewinnmarge nicht mehr stimmte. Nein, weil sie immer noch ein Unternehmen mit etwas schmalerer, aber noch grosser Produktepalette ist. Nein, weil sie mit ihrer Generika-Abteilung und den Neuentwicklungen mit Schwerpunkt Krebs immer noch eine Art «Apotheke der Welt» ist. Ja, weil sie das nur noch unter bestimmten Bedingungen sein will.

Novartis will überall Marktleader sein

Geändert hat sich nämlich nicht nur die Zahl der Geschäftsfelder, sondern auch der Anspruch, der künftig an sie gestellt wird. Novartis will in ihren Spezialgebieten jeweils zu den drei weltweit führenden Unternehmen gehören. Bereiche wie etwa die Tiermedizin, in denen das nicht möglich erscheint, werden abgestossen – was für den Marktführer Eli Lilly ein Segen ist. Mit den Impfstoffen war Novartis nicht hinreichend erfolgreich – damit dürfte Marktführer GSK besser umgehen können. Die rezeptfreien Produkte erhalten durch das Zusammengehen mit der entsprechenden GSK-Sparte eine Spitzenposition auf dem Weltmarkt. Mit Alcon ist man hingegen in der Augenheilkunde top, mit Sandoz im Generika-Markt. Das bleibt also im Portfolio.

Für die Börse ist alles erfreulich, was Bewegung verspricht – egal wohin.

Die Übernahme der Krebsmittel-Abteilung von GSK bringt mehr Dynamik in diese Pharma-Abteilung. Vor allem deshalb, weil sich unter den von GSK übernommenen Medikamenten zwei befinden, die von den Gesundheitsbehörden bereits zugelassen sind. Mit Hilfe der Novartis-Marketingmaschine könnten sie in kürzester Zeit markante Umsatzsteigerungen erzielen und so den Zeitdruck mildern, der auf der an sich gut gefüllten Pharma-Pipeline der Novartis lastet. Das ist besonders deshalb nützlich, weil der Patentschutz für das umsatzstarke Leukämiemittel Glivec gelegentlich abläuft.

Von Diversifizierung zur Fokussierung – und zurück

Ob die Rechnung aufgeht, wird sich weisen. Die Börse jedenfalls ist von den Novartis-Nachrichten begeistert. Für sie ist ohnehin alles erfreulich, was Bewegung verspricht, wobei sich die gewünschte Richtung der Bewegung im Laufe der Jahre durchaus ändern kann.

Vor noch nicht allzu langer Zeit galt die Verminderung des Marktrisikos durch Diversifizierung als der Management-Weisheit letzter Schluss. Dann machten Firmen Furore, die sich auf ihre Kernkompetenz beschränkten und alle Funktionen «outsourcten», die nicht unmittelbar damit zu tun hatten. Dass man so Know-how preisgab und Mitarbeiter verärgerte, bemerkte man erst ein wenig später.

Derzeit ist also Fokussierung angesagt auf jene Bereiche, in denen man Marktführer sein kann – am besten gleich global. Damit engt sich die mögliche Zahl der Unternehmensbereiche drastisch ein, und/oder diese Bereiche werden immer enger definiert. Krebsbekämpfung ist ein riesiger Bereich, in dem wohl niemand ernsthaft die Marktführerschaft ins Auge fassen kann.

Drohendes Klumpenrisiko

Sehr wenige Geschäftsbereiche können ein Klumpenrisiko darstellen. Wenn etwa ein Konkurrent für eine eng definierte Anwendung ein wirksameres Medikament auf den Markt bringt, ist eine kleine Firma weg vom Fenster; ein grosses Unternehmen wird in der folgenden Durststrecke Gewinneinbussen erleiden – und damit der Börse keine Freude machen.

Und wenn das häufig genug geschieht, werden Manager zu einer völlig neuen Erkenntnis kommen: Die Diversifizierung der Produktepalette vermindert das Risiko des Scheiterns. Wer hätte das gedacht! Und die Börse wird wieder Firmen höher bewerten, die man heute gerne als «Gemischtwarenladen» verunglimpft.

Auch das Konstrukt «Novartis», das aus der Verschmelzung von Ciba, Geigy und Sandoz hervorging, durchlief diesen Zyklus. Die Fokussierung auf zentrale Geschäftsfelder ist keine Erfindung der heutigen Konzernleitung, die – so könnte man aus manchen Kommentaren schliessen – sozusagen das Erbe Daniel Vasellas wegräumen muss. Wer sich noch an die Zeit der Fusion von Ciba-Geigy und Sandoz erinnert, der weiss, dass damals auch noch Bau- und Farbenchemie, Saatgutproduktion und Medical Nutrition zum Portfolio gehörten. Diese Sparten wurden ausgelagert oder verkauft.

Diese Aufgabe bewältigte ­Vasella souverän. Dass er darüber mit seinen Salärvorstellungen die Bodenhaftung verlor, ist bedauerlich. Ein strategisches Chaos aber hat er nicht hinterlassen. Joe Jimenez führt mit seiner Portfolio-Bereinigung vielmehr weiter, was Daniel Vasella vorgespurt hat.

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