Mit der Wahl von Guy Parmelin in den Bundesrat demütigt sich die Bundesversammlung selber. Sie lässt zu, dass die SVP das Schweizer Selbstverständnis mit einem weiteren Tabubruch beschädigt.
Die Wahl von Guy Parmelin in den Bundesrat bedeutet keinen Aufbruch. Sie ist das nächste Trümmerstück im jahrelangen Abbruch, den die politische Schweiz erfährt. Es gibt keinen Grund zu feiern oder auch nur erleichtert zu sein.
Nicht für die Linken, die glauben, mit Guy Parmelin das kleinste der drei von der SVP servierten Übel geschluckt zu haben. Erst recht nicht für die Bürgerlichen mit ihrer leichtsinnigen und ahistorischen Annahme, die SVP werde nun, da sie zwei Regierungsmitglieder stellt, zur Ruhe kommen und zur Vernunft gebracht.
Die SVP wird auch künftig skrupellos genau das tun, was ihr Erfolg bringt. Sie wird schleifen, was ihr im Wege steht. Wird mit jedem Tabu, das sie erfolgreich bricht, ihre Politik akzeptabler machen. Was gestern als unverrückbarer Konsens galt, ist plötzlich verhandelbar und wird schliesslich preisgegeben.
Sei es die Gewissheit, dass die Schweiz ein Teil Europas ist, sie sich zu den Völker- und Menschenrechten bekennt, dass jeder Straftäter aufgrund seiner Taten und nicht seiner Nationalität beurteilt wird, dass die Nationalbank politisch unabhängig sein muss.
Komplizen der SVP
Aber gewisse Dinge sind nicht verhandelbar. Die Unverletzlichkeit des Bundesparlaments als Wahlgremium der Regierung beispielsweise. Diese wurde heute aufgegeben, indem letztlich alle Parteien die Änderung der Spielregeln der SVP akzeptierten. Heute hat sich das Parlament seiner Selbstachtung beraubt, indem es zum Helfer einer Partei wurde, die ihren absolutistischen Machtanspruch höher gewichtet als die Bildung einer fähigen Regierung.
Sämtliche Kandidaten auf dem SVP-Ticket fielen bei den Hearings sämtlicher Parteien mehr oder weniger krachend durch. Als wahlweise profil-, kompetenz- oder gewissenlos taxierte man die vorgesetzten Politiker. Man beklagte sich über die Erpressung durch die SVP, weil diese ihr wahltauglicheres Personal mit einer verfassungswidrigen Klausel von der Wahl fernhielt. Und begriff nicht, dass diese Erpressung nur zu einer wurde, weil man sich darauf einliess. Ohne Not hat man eine bald 170-jährige Tradition der Regierungsfindung aufgegeben, indem man sich diktieren liess, wer zu wählen ist und wer nicht.
Wer mitspielt, macht sich zum Komplizen der SVP. Und schadet sich damit selber. Der Mobilisierungs-Schweizermeister SVP wird keine Mühe haben, auch in Zukunft seine Klientel an die Urnen zu locken. Die anderen Parteien aber haben einmal mehr Schwäche gezeigt und jenen wachsenden Teil der Bevölkerung in seiner Haltung bestärkt, sich befremdet über die würdelosen Spielchen aus der aktiven Demokratie zurückzuziehen.
Machtstreben stoppen
Die SVP muss nicht «eingebunden», «in die Verantwortung genommen», gehätschelt werden. Ihr Machtstreben muss gestoppt werden.
Mit einer selbstbestimmten bürgerlichen Alternative, die nicht mit der Aussicht auf bescheidene Wahlerfolge mit einer Partei zusammenspannt, die liberale Werte und rechtsstaatliche Grundsätze kontinuierlich mit Füssen tritt.
Mit Wirtschaftsverbänden, die sich nicht für schlechte Deals an die Blocher-Partei verkaufen. Die sich auch einmal für die Gesellschaft einsetzen, in der sie geschäften – und nicht nur für die Sicherung der eigenen Profite.
Mit einer Linken, die ihren Kampfgeist und politischen Kompass wiederfindet, und die erkennt, dass sie, so paradox das klingen mag, die Schweiz vor jenen schützen muss, die sich Patrioten nennen.
Ansonsten war das heute nicht der letzte Hammerschlag, der das Schweizer Selbstverständnis erschüttert.