Ein verdorbener Abgang

An Daniel Vasellas letzter Novartis-Generalversammlung blieben die Überraschungen aus. Richtiger Streit fand nicht statt, aber richtig zufrieden war auch niemand.

Vasella in der Geld-Badewanne: Auch die Demonstration der Basler JuSo vor der St. Jakobshalle dürfte Vasella kalt gelassen haben. (Bild: Keystone)

An Daniel Vasellas letzter Novartis-Generalversammlung blieben die Überraschungen aus. Richtiger Streit fand nicht statt, aber richtig zufrieden war auch niemand.

Es war fast wie immer. Verwaltungsratspräsident Daniel Vasella leitete die Generalversammlung der Novartis in der St. Jakobshalle souverän, bedachte den einen oder anderen Votanten mit einem Dank und einem Lächeln, antwortete auch auf eher abstruse Einlassungen leidlich ernsthaft, fragte häufig Konzernjurist Felix Ehrat bei juristischen Fragen – und brachte ausnahmslos alle Anträge des Verwaltungsrates schadlos durch die Abstimmungen.

Auch die am stärksten umstrittene über das neue Vergütungssystem passierte mit 78,3 Prozent Ja-Stimmen – obwohl bei diesem Traktandum beide grösseren Aktionärsorganisationen Ethos und Actares Ablehnung beantragt hatten. Die über 20 Prozent Nein-Stimmen sind ein Achtungserfolg, nachdem Ethos-Sprecher Dominique Biedermann im Vorfeld bereits «alles über zehn Prozent» als Erfolg bezeichnet hatte.

Die über 20 Prozent Nein-Stimmen sind ein Achtungserfolg

Insgesamt waren mit 1,66 Milliarden Aktien 61,5 Prozent aller Stimmen registriert. Auf die im Saal anwesenden gut 2600 Aktionäre entfielen nur 7,7 Prozent aller Stimmen – also ein Achtel der registrierten oder pro Kopf 0,03 Promille der Stimmen. Und da von den «Vertretungsstimmen» der Löwenanteil wie immer im Sinne des Verwaltungsrates votierte, hatte dieser nichts zu befürchten.

Der Showdown zwischen der ohnmächtigen Basis im Parkett und den Herren des Universums auf dem Podium, den sich viele der – vor allem deshalb – so zahlreich erschienenen Medienschaffenden versprochen hatte, fand nicht statt.

Klar gab es die Aufforderung von vornehmlich älteren Kleinaktionären an Daniel Vasella, er solle sich schämen. Ein Votantin konfrontierte ihn mit einem Modell des biblischen goldenen Kalbs, um das er tanze. Das Kalb blieb heil – Moses kam nicht, um es zu zertrümmern. Er wäre von den überaus zahlreichen Sicherheitsleuten auch gar nicht vorgelassen worden.

Der immerwährende Rudolf Weber dankte Vasella für seine wirkliche Heldentat, Simonetta Sommaruga für einmal sprachlos gemacht zu haben, und verkündete, in Asien warte gerüchteweise ein Stellenangebot auf ihn, das mit einer Antrittsentschädigung von 150 Millionen Franken ausgestattet sei. Was Vasella mit einem Lachen quittierte. Dass er es wirklich lustig fand, darf bezweifelt werden.

Über weite Strecken Folklore

Die Novartis-Generalversammlung war also über weite Strecken Folklore – man hat ein wenig Aktionärsdemokratie gespielt. Vasella meisterte die undankbare Aufgabe souverän, aber sie behagte ihm offenkundig nicht.

Sein in früheren Jahren oft jungenhaft wirkendes Lächeln wirkte zuweilen etwas gequält, seine demonstrative Bescheidenheit etwas aufgesetzt – das Eingeständnis seines Fehlverhaltens wirkte eher wie ein Bekräftigung.

Vizepräsident Ulrich Lehners Abgesang auf den ausscheidenden Daniel Vasella hob zwar dessen Verdienste beim Zusammenwachsen von Ciba-Geigy und Sandoz zur Novartis gebührend hervor, ging aber nicht angemessen auf die Fehlleistung zum Schluss dieser Laufbahn ein.

Der Verwaltungsrat und seiner neuer Präsident (ab 1. August Jörg Reinhardt) täten hingegen gut daran, die wichtigsten Aktionärsvoten Voten – jene von Dominique Biedermann (Ethos) und jene von Rudolf Meyer (Actares) ernst zu nehmen.
Beide hielten dem Verwaltungsrat vor, er habe in Sachen Abgangsentschädigung für Daniel Vasella einen schlechten Eindruck von seiner Funktionsweise vermittelt; beide haben grosse Vorbehalte gegenüber dem neuen Vergütungssystem. Das sei zwar besser als das bisherige, sei enger an die tatsächliche Leistung angebunden.Aber es sei fatalerweise immer noch nach oben offen. Das Thema überrissener Managersaläre bleibt der Novartis also erhalten, wenn sie nicht selber etwas dagegen tut.

Ach ja, an der Generalversammlung wurden auch die Ergebnisse des letzten Geschäftsjahres präsentiert, eine Dividendenerhöhung angekündigt, der neue VR-Präsident gewählt, Verwaltungsräte neu- und wiedergewählt, die Innovationskraft und Finanzstärke des Unternehmens hervorgehoben. Daniel Vasella hinterlässt seinem Nachfolger ein gesundes Unternehmen.

Eigentlich schade, dass er sich den eigenen Abgang selber so verdorben hat.

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