Die problematischen Abhängigkeiten der Baselbieter Regierung sind nun auch richterlich belegt. Damit sich daran etwas ändert, muss endlich auch Linksgrün etwas unternehmen.
Das Baselbieter Volk wartet schon seit Längerem auf eine Veränderung. Verständlicherweise, der Kanton ist klamm.
Erstes deutliches Zeichen für den Wunsch auf einen Wandel: die Wahlen 2011, als der freundliche, aber alles andere als jungdynamische Baudirektor Jörg Krähenbühl (SVP) fast schon sensationell abgewählt wurde. Für ihn kam neu der Grüne Isaac Reber in die Regierung. Als Hoffnungsträger. Als Versprechen für eine neue Diskussionskultur in der Regierung, für neue Lösungen, für etwas mehr Bescheidenheit am richtigen Ort auch, bei den bisher masslosen Strassenprojekten etwa.
Eine erste grosse Niederlage waren diese Wahlen auch für Hans Rudolf Gysin, den grossen, alten Mann der Baselbieter Politik. So viele Vorteile er als Direktor der Wirtschaftskammer für seine Klientel – einen Teil des Gewerbes und die Häuschenbesitzer – schon herausgeholt und so viele Regierungsräte er im Laufe der Jahre auch gemacht hatte: Diesmal liess sich das Volk von seiner teuren Kampagne nicht mehr beeindrucken.
Dennoch konnten die Bürgerlichen mit Strippenzieher Gysin im Hintergrund noch vor Rebers Amtsantritt einen Erfolg feiern: Sie schoben den grünen Hoffnungsträger in die Sicherheitsdirektion ab und schanzten die frei werdende Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) der freisinnigen Sabine Pegoraro zu. Es war ihnen egal, dass Reber als Planungsfachmann für die BUD und die Juristin Pegoraro für die Sicherheitsdirektion prädestiniert gewesen wären. Hauptsache, die Bürgerlichen hatten weiterhin die Hand auf all den grossen Bauaufträgen.
Reber musste den unsinnigen Entscheid akzeptieren. Weil ihm Loyalität über alles geht, wie er nicht müde wird zu betonen. Anstatt sich in einzelnen, wichtigen Fragen endlich einmal klar zu positionieren, verbreitet er seit seinem ersten Arbeitstag als Sicherheitsdirektor immer nur die eine Botschaft: die Regierung ist jetzt ein Team, ein Team, ein Team. Man mag es schon gar nicht mehr hören. Denn das angebliche Team funktioniert ganz offensichtlich noch immer nicht.
Eine Quittung und eine Rüge
Die Quittung dafür erhielten die fünf Einzelkämpfer im Juni, als das Volk wesentliche Teile ihres unausgewogenen Sparpakets ablehnte, mit einer Deutlichkeit, die im traditionell bürgerlichen Baselbiet ebenfalls schon fast eine Sensation war.
Das war eine weitere grosse Niederlage für Hans Rudolf Gysin. Auch bei diesem Geschäft war er es, der die Kampagne geleitet hatte. Bereitwillig liessen sich auch der ehemalige Hoffnungsträger Isaac Reber und sein SP-Regierungskollege Urs Wüthrich einspannen.
Gysins aufwendiges Sparkomitee stellte ausgewählten Haushalten eine Propagandaschrift mit einer offiziell daherkommenden Botschaft der Baselbieter Gesamtregierung zu. Es war zwar nur ein Stück Papier, aber eines, das deutlich zeigte, wie sich Rebers «Team» in den Dienst von Lobbyisten stellt. Oder genauer gesagt: der Wirtschaftskammer. Das störte auch zwei Wähler, die beim Kantonsgericht eine Beschwerde erhoben – und diese Woche recht bekamen. Es sei gravierend, wie bedenkenlos sich die Regierung habe vereinnahmen lassen, stellten die Richter unter anderem fest.
Sehr viel deutlicher kann man einer Regierung wahrscheinlich nicht mehr zu verstehen geben, dass der Wandel endlich auch bei ihr ankommen müsste. Schuld an den sich häufenden Pleiten waren bis jetzt immer nur die anderen, die Parlamentarier, die Medien, das Volk.
Dabei wäre der Zeitpunkt für einen Wandel perfekt. Jetzt, da der scheinbar allmächtige Hans Rudolf Gysin als Direktor der Wirtschaftskammer zurücktritt – mit grossem Brimborium, versteht sich. Am 11. September zelebriert er den Tag der Wirtschaft und vor allem sich selbst in der grossen St. Jakobshalle. Als Nebendarsteller sind neben allerlei lokaler Prominenz unter anderem Bundesrat Johann Schneider-Ammann, Parodist Walter Andreas Müller, Starkoch Peter Marty und Sängerin Nubya dabei. Moderiert wird der Abend vom wahrscheinlich auch nicht ganz billigen Starmoderator Rainer Maria Salzgeber.
Ob Gysin danach tatsächlich genug hat von der Politik, dem Networken und dem ganzen Theater drumrum? Man darf es bezweifeln, vor allem, nachdem er sich vor Kurzem mit nicht weniger als drei, leicht verwirrlichen Initiativen in die Fusionsdebatte der beiden Basel eingeschaltet hat. Die Fusion will Gysin unbedingt verhindern.
Vielleicht müssen die links-grünen Politiker und ihre Vertreter in der Regierung eben auch kämpfen für ein bisschen mehr Unabhängigkeit. Und für die eigene Glaubwürdigkeit. Anstatt die grosse Gysin-Show zu beklatschen und danach wieder von einem Team reden, das es noch nie wirklich gegeben hat.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.08.12