Eine gefährliche Liaison

Die Zeiten sind längst vorbei, als die Basler Pharma-Hauptquartiere privilegiert waren und von Restrukturierungen verschont blieben. Die Abhängigkeit der Region von der Pharma wird immer mehr zum gefährlichen Klumpenrisiko.

Gigant im Stresstest: Die Novartis kämpft um ihre Position im Markt. (Bild: Keystone)

Die Zeiten sind längst vorbei, als die Basler Pharma-Hauptquartiere privilegiert waren und von Restrukturierungen verschont blieben. Die Abhängigkeit der Region von der Pharma wird immer mehr zum gefährlichen Klumpenrisiko.

Die Aktionäre von Novartis dürfen sich freuen: Sie erhalten erneut eine höhere Dividende. Trotz Preisdruck durch Generika ist der Pharmariese auch im letzten Jahr gewachsen. Der Umsatz legte um 2 Prozent auf 58 Milliarden Dollar zu, und der Gewinn blieb mit 9,3 Milliarden Dollar fast konstant.

Dennoch können die am Mittwoch veröffentlichten Zahlen nicht glücklich machen. Das vergangene Jahr ist für die Novartis nicht berauschend, es zählt zu den wachstumsschwächsten.

Überschattet wird die Bilanz zudem durch den vor ein paar Tagen angekündigten Abbau von rund 500 Stellen am Basler Hauptsitz. Und gemischte Gefühle beim Personal dürften auch die Aussagen von Konzernchef Joe Jimenez hervorrufen, wonach «am Zeitplan für den Konzernumbau» strikte festgehalten und die «Überprüfung des Geschäftsportfolios» schon diesen Sommer abgeschlossen sein werde. Jimenez baut den Konzern um, stösst Geschäftsteile ab und wird wohl auch weitere Teile der Forschung in die USA verlagern.

Kühne Ziele

Der Novartis-CEO versuchte dennoch, Zuversicht zu verbreiten. Der Amerikaner erwartet, dass der Konzern den Nettoumsatz in diesem Jahr «im unteren bis mittleren einstelligen Prozentbereich» wird steigern können. Ein «kühnes Ziel», wie NZZ online kritisch kommentiert: «Es ist gewiss kein Leichtes, die durch den Patentablauf des Hauptprodukts Diovan entstandene Umsatzlücke nicht nur zu schliessen, sondern darüber hinaus auch noch ein Nettowachstum zu erzielen.»

Was bedeutet das alles für den Standort Basel?

Die Ereignisse der vergangenen Tage erinnern wieder einmal daran, wie gross Basels Abhängigkeit von den Schwergewichten Novartis und Roche ist – und wie dieses Klumpenrisiko immer gefährlicher für die Region wird. Längst sind die Zeiten vorbei, als die Basler Pharma-Hauptquartiere konzernintern privilegiert waren und von Restrukturierungen verschont blieben. Bei Novartis drückt das auch auf dem Campus auf die Stimmung, wie Mitarbeiter berichten: Das Arbeitsklima sei schlecht, der Druck hoch.

Trügerische Sicherheit

Allzu sehr hat man sich in den vergangenen Jahren am Rheinknie von den Milliardengewinnen der Pharma und den riesigen Investitionen in den Novartis-Campus und den Roche-Turm blenden lassen. Dabei geht leicht vergessen, dass Patente ablaufen, die Produkte-Pipelines nicht auf ewig gefüllt sind, Wachstums- und Arbeitsmärkte sich stetig verschieben und Standortvorteile nicht naturgegeben sind.

Wie schnell sich die Situation ändern kann, erlebte Basel vor rund 20 Jahren, als die chemisch-pharmazeutische Industrie einen schmerzhaften Strukturwandel vollzog. Dieser hat sich langfristig als Segen für die Region erwiesen. Ob dies auch die nächste Strukturbereinigung sein wird, dafür gibt es keine Garantie.

«Wiegt euch nicht in allzu grosser Sicherheit!», warnte Daniel Vasella in einem BaZ-Interview am Tag seines Rücktritts als Novartis-Präsident vor einem Jahr: «Ein Hauptsitz kann transferiert werden, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.»

Vasellas Worte wurden damals als taktisches Kettenrasseln im Kampf gegen die «Abzocker»-Initiative interpretiert. Eine realistischere Einschätzung wäre: Spitzenmanager weltweit tätiger Konzerne denken wirklich so.

Lesen Sie mehr über Novartis und das Basler Pharma-Klumpenrisiko in der Wochenausgabe der TagesWoche vom Freitag, 31. Januar – auf Papier oder in der App der TagesWoche.

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