Eine kleine Trendwende bei der Art Basel ist spürbar

Krise? Davon war an der Art Basel wenig zu spüren. Die Stimmung in der Stadt war schon lange nicht mehr so gut. Nur das Wetter trübte die Lage.

Ein höchstens ein bisschen angeschlagenes Lächeln: Die Art Basel war auch 2016 wieder ein Erfolg.

(Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

Krise? Davon war an der Art Basel wenig zu spüren. Die Stimmung in der Stadt war schon lange nicht mehr so gut. Nur das Wetter trübte die Lage.

Was bleibt nach einer Woche des Kunsttrubels, nach einer neuerlichen Ausgabe der «weltweit wichtigsten und grössten Kunstmesse»?

Zahlen sind das eine. Und natürlich hört man nur von den erfolgreichen, von den grossen Verkäufen. Von jenen, die es wert sind, rapportiert zu werden, um zu untermauern, dass es dem Kunstmarkt gut gehe. Erst im Folgejahr wird sich vielleicht zeigen, wer nicht den erwünschten Gewinn erzielte und deshalb dann der Messe fernbleibt – aus einer schlichten Kosten-Nutzen-Rechnung.

Die wirklich hohen Zahlen sind trotz einer guten Kaufstimmung in diesem Jahr aber zumindest seltener geworden. Fast scheint, als sei die lang gewünschte Konsolidierung bei den Preisen eingetroffen, und vielleicht sind die Spekulanten, die den schnellen Profit suchen, mit der Wirtschaftskrise tatsächlich verschwunden.

Im Supermarkt der Kunstträume

Doch spricht man deswegen nun wieder über die Kunst? Kaum. Man mokiert sich einerseits über verschärfte Sicherheitskontrollen, motzt über den Regen, während man ansteht, und darüber, dass man nur eine VIP-Karte zweiten Grades erhalten hat.

Und wenn man dann mal drin ist in den geheiligten Hallen, dann sind es immer noch die Preise, die als Gesprächsthema vorherrschen – hier lassen sich Sätze vernehmen wie: «Ich finde aber, wir kaufen das andere, es ist billiger.» Preisvergleiche wie im Supermarkt. Nur dass billiger im zitierten Fall 750’000 US-Dollar bedeutet.

Der Vergleich mit dem Supermarkt ist aber gar nicht so daneben. Auch an der Art Basel findet man inzwischen alles und nichts, neben- und übereinander. Anständig kuratiert wird hier nur noch selten, ausgestellt wird, was sich (hoffentlich) am besten verkauft.

Anders an der diesjährigen Ausgabe der Art Unlimited, die nicht mit schreienden Werken aufwartete wie auch schon. Es waren eher die stillen Werke, die nachdenklich stimmten, die die Menschen ansprachen. Hans Op de Beecks wunderbarer «Collector’s Room» zum Beispiel entpuppte sich, obwohl in tristestes Grau gehalten, als der Publikumsmagnet. Ob das Werk verkauft wurde? Keine Ahnung – und who cares.

Eine Oase aus Grau: Hans Op de Beecks «Collector's Room».

Eine Oase aus Grau: Hans Op de Beecks «Collector’s Room». (Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

Auch an der Hauptmesse selber sind die Klassiker jünger und aktueller geworden. Das hat zum Teil mit dem ausgetrockneten Markt im Bereich der klassischen Moderne zu tun, für die die Art Basel einst berühmt war, zum anderen aber auch ganz einfach mit der fortschreitenden Zeit: Die wichtigsten gehandelten Werke sind heute 30, 40 Jahre alt, so alt wie die Art Basel selber auch.

Diversifizieren ist Trumpf

Apropos Alter: 20 Jahre hat nun die Liste auf dem Buckel. Die einstige «Young Art Fair» ist längst erwachsen geworden, und sie hat ihren Platz im Messekalender ebenfalls längst gefunden. Manche meinen, man wisse nie genau, was einen dort erwarte, doch für langjährige Besucher ist eine Handschrift durchaus erkennbar. Die Sammler drängeln sich auch hier schon in den Previewstunden – wer sich wirklich auf die Kunst einlassen wollte, tat gut daran, an einem der normalen Messetage zu kommen.

Doch die Liste ist schon lange nicht mehr die einzige Alternative zur grossen Art Basel. Ob Volta Show, Scope, The Solo Project, Selection – die Kunstmessen drängeln sich wie die Leute vor den Toren der Art um elf Uhr morgens. Dazu kommen jene Player, die sich auf einzelne Segmente konzentrieren: Die Fotomesse Photo Basel, die Kunstbuchmesse I Never Read, und nicht zuletzt die Rhy Art Fair, bei der die Künstler selbst ihre Stände bestreiten.

Diese Diversifizierung macht Sinn. Wer an die Photo Basel oder an die I Never Read geht, weiss, was ihn erwartet. So einen Besuch kann man neben der Art Basel (und der Liste) leicht einplanen. Dass diese beiden jungen Messen ihre Zelte in der Nähe des Messeplatzes aufschlugen, ist sicher ebenfalls hilfreich. Zusammen mit der Scope bildete sich so um den Claraplatz ein regelrechtes Cluster.

Probleme bereitete dies wohl dem Solo Project, das in der Dreispitzhalle weit ab vom Schuss lag – trotz Shuttle von der Art Basel. Und die Scope, das ewige Sorgenkind? Sie verzichtete dieses Jahr erstmals aufs Zelt und mietete sich über dem Aldi auf drei Stockwerken ein. So richtig warm kann man als Besucher mit dieser Location nicht werden, und vielleicht liegt es daran, dass das Gefühl aufkam, die präsentierte Kunst erreiche dieses Jahr nicht einmal mehr das Level des Vorjahres. Zu effekthascherisch wirkte vieles, das hier ausgestellt wurde.

Dabei-Sein ist nicht alles

Und so fragt man sich: Ist Dabei-Sein wirklich alles? Messe und Stand einrichten braucht Energie und Geld, das muss sich auszahlen. Gerade an der Scope scheint das nicht immer zu funktionieren, nur wenige der ausstellenden Galerien bleiben konstante Teilnehmer.

Der Wunsch dabeizusein und mitzumachen beschränkt sich aber lange nicht nur auf die Messen per se. Auch jeder Kunstraum und immer mehr Künstler der Region stellen in dieser Woche etwas auf die Beine, der Veranstaltungskalender platzt aus allen Nähten. Diese Auswahl ist schön, und sie hilft, sich in Beschränkung zu üben. Sich mit dem Wissen anzufreunden, dass man nie alles machen kann, und dass das okay ist.

Vor allem aber ist es schön zu wissen, dass Basel etwas zu bieten hat – auch neben der «wichtigsten und grössten Kunstmesse der Welt» und an allen anderen Wochen des Jahres. Deshalb war es auch ein smarter Move der Art Basel, für ihren öffentlichen Teil – den Art Parcours – mit Samuel Leuenberger einen lokalen Kurator an Bord zu holen. Der wusste mit der Parcours Bar im Pop-up-Store Spira, an der die Basler Projekträume sich allabendlich präsentieren konnten, geschickt die hiesige Kunstszene mit der internationalen Messe zu verknüpfen und damit endlich jenen Link zur Stadt wieder herzustellen, den man bei der Art Basel schon länger vermisst hat.

_
Die Woche zum Nachlesen und -spüren gibt es hier: «Der Liveblog zur Art Basel».

Nächster Artikel