Eine städtebauliche Pioniertat

Die Konzernspitze von Roche und die Architekten feiern ihren Neubau, der alle anderen Bauten der Stadt überragt. Sie tun das absolut zurecht.

Markant: Der Bau 1 des Pharmakonzerns Roche, aufgenommen vom Grossbasler Ufer aus.

(Bild: Keystone / Anthony Anex)

Die Konzernspitze von Roche und die Architekten feiern ihren Neubau, der alle anderen Bauten der Stadt überragt. Sie tun das absolut zurecht.

Der einstige Basler Kantonsarchitekt Carl Fingerhuth wurde in den vergangenen Monaten oft aus der Versenkung gezerrt. Immer dann, wenn es darum ging, pointierte Kritik aus vordergründig berufenem Mund gegen das neue Hochhaus von Roche zu platzieren. Auch in der TagesWoche war dies der Fall.

Basel verliere seine Identität, wird Fingerhuth quasi als Galionsfigur der diffusen skeptischen Masse zitiert. Das klingt nach dem Grundprinzip einer quasi fertiggebauten oder -gestalteten Stadt.

Welche Identität geht verloren?

Natürlich sorgen Bauten, die so stark aus einem gewohnten Bild herausragen, für Verunsicherung. Doch es stellt sich die Frage, welche Identität es ist, die Basel verliert. Basel ist Kulturstadt und ein Zentrum der Life Sciences. Früher sprach man von der Chemiestadt. Früher dominierten, wenn man von der Johanniterbrücke rheinabwärts schaute, Schornsteine und unwirtliche Industrieanlagen das Bild.

Diese sind inzwischen zum Teil dem Stararchitekturpark des Novartis-Campus gewichen, auf der anderen Seite des Rheins werden in absehbarer Zeit weitere Anlagen verschwinden, in denen früher hochgiftige Chemikalien produziert und gelagert wurden. Dasselbe bei Roche rheinaufwärts. Die Identität Basels als Chemiestadt ist vorbei, die einstigen Produktionsanlagen sind Forschungs- und Entwicklungszentren gewichen.

Trauert irgend jemand dem nach? Ist es zu bedauern, dass sich die einstigen «Chemischen» zu wissenschaftlichen Forschungszentren der Pharmaindustrie entwickelt haben und damit erst noch prosperieren?

Pioniertat der Stadtentwicklung

Der Turm mag durch seine markante Präsenz verunsichern. Aber das ist oft so bei Pioniertaten. Und der Roche-Bau ist eine Pioniertat für die Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert. Roche muss und will an ihrem Konzernstandort in Basel wachsen. Damit die Firma das tun kann, braucht sie mehr Platz. Und weil der Platz sehr knapp ist, müssen die Bauten in die Höhe wachsen.

Das ist der pragmatische Ansatz. Es gibt aber auch noch einen ästhetischen. Vielleicht mag es unschweizerisch sein, wenn eine Firma so prägnante städtebauliche Zeichen setzt. Basel darf und soll aber durchaus ein bisschen unschweizerisch sein. In der Kultur, in der Wirtschaft und auch im Städtebau.

Basel wird nie Frankfurt sein

Die Altstadt wird es überleben. Roche baut ja nicht im Zentrum, sondern ganz gesittet auf ihrem eigenen Gelände am Kleinbasler Rheinufer. Darum hat der von Fingerhuth bemühte Vergleich mit Frankfurt, wo die Bankentürme mitten im Zentrum in den Himmel wachsen, weder Hand noch Fuss.

Das jetzige Hochhaus wird nicht das einzige bleiben.

Das jetzige Hochhaus wird nicht das einzige bleiben. (Bild: Herzog & de Meuron)

Basel ist städtebaulich zum Glück nie stehengeblieben. Hier wurden bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren Hochhäuser gebaut. Aber es waren solche, die nicht wirklich in die Höhe wachsen konnten. Man mag die zurückhaltenden Ausmasse des Lonza-Baus begrüssen – wer aber sein ungleich höheres architektonisches Vorbild, das Pirelli-Hochhaus im Mailand, kennt, weiss, was verpasst wurde. Dasselbe gilt auch für den BiZ-Turm, der mit mehr Höhe sicherlich um einiges eleganter wirken und nicht an einen AKW-Kühlturm erinnern würde.

Stadt der Zukunft

Das war vor 40, 50 Jahren. Damals durfte man nicht höher hinaus. Heute ist dies möglich. In Basel dürfen nun Hochhäuser oder Hochhaus-Cluster entstehen, die diese Bezeichnung verdienen. Roche beschert der Stadt einen neuen architektonischen Brennpunkt. Einen spannenden und eleganten dazu – aber das ist natürlich Geschmacksache.

Natürlich ist der Bau 1 von weither und von erstaunlich vielen Orten aus gut sichtbar. Aber nur dann, wenn man in seine Richtung blickt. Die Vorzeige-Altstadt-Silhouetten bleiben unangetastet. Vor dem Münster sieht man noch immer das Münster, vom Kleinbasler Rheinufer aus betrachtet bleibt das wunderbare Bauensemble zwischen Wettsteinbrücke und Mittlerer Brücke ungestört, beim Spaziergang durch Imbergässlein stört kein Hochhaus das wonnevolle Bild.

Neue Perspektiven eröffnet

Aber dort, wo er ins Blickfeld gerät, eröffnet der Turm wie eine Wegmarke neue Perspektiven, schärft er das Gefühl dafür, dass sich Basel an den Rhein schmiegt, der nicht geradeaus durch die Stadt fliesst, sondern einen scharfen Rechtsbogen schlägt.

Der Roche-Turm ist eine Bereicherung für das Stadtbild. Auch Skeptiker werden sich an seinen Anblick gewöhnen und in ein paar Jahren vielleicht sogar konstatieren, dass auf dem Areal bei der Grenzacherstrasse zusammen mit den Bauten, die noch folgen werden, ein bemerkenswerter und ausgesprochen attraktiver städtebaulicher Akzent gesetzt wird.

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