Energiewende darf die Natur nicht verschandeln

Die TagesWoche unterschiebt den Windkraft-Kritikern eine «Kurzschluss-Überlegung». Dabei unterliegt sie selbst einem Kurzschluss.

Die TagesWoche unterschiebt den Windkraft-Kritikern eine «Kurzschluss-Überlegung». Dabei unterliegt sie selbst einem Kurzschluss.

Einer gegen alle. Gaskraft oder Blackout. Zerstörung der Landschaften oder atomarer Super-GAU. Der Artikel der Herren Rockenbach und Loser ist geprägt von angeblich ausweglosen Alternativen.

In der Schweiz wurde schon zu viel Natur zerstört: über 90 Prozent der Flüsse sind beeinträchtigt und die nationalen Schutz­gebiete machen weniger als 7 Prozent der ­Landesfläche aus. Die letzten Juwelen sollen jetzt in einer Hauruck-Übung der industriellen Stromproduktion geopfert werden. Damit wir uns darüber nicht zu viele Gedanken machen, werden wir mit der abenteuerlichen Behauptung «beruhigt», der Verbrauch fossiler Brennstoffe zerstöre diese Landschaften sowieso.

Die TagesWoche fragt: «Akzeptieren wir massive Eingriffe in die Landschaft für sauberen Strom?»

Das ist eigentlich keine Frage, sondern ein Widerspruch in sich: Energieformen, die unsere Landschaften zerstören, sind nicht sauber! Wenn die TagesWoche – ganz im Sinne der Energielobby und des Bundesamts für Energie – zwei ungangbare Alternativen präsentiert, sollten wir die dritte wählen. Zuerst einige Überlegungen anzustellen, wird den Atomausstieg sichern, nicht gefährden. Erneuerbar ist nicht gleich erneuerbar und vor allem nicht immer grün. Die Beiträge verschiedener Energieformen an den Stromverbrauch und die Gefahr für die Natur, die von ihnen ausgeht, sind abzuwägen.

Eine Studie von Meteotest schätzt, dass mit Fotovoltaik auf bestehenden Gebäuden künftig 26 Prozent des Stromverbrauchs gedeckt werden könnten – selbst wenn nur die Hälfte der geeigneten Gebäude genutzt wird. Dieses bescheidene Ziel sollte die Schweiz übertreffen, denn für Fotovoltaik auf Gebäuden müssen weder Natur noch Landschaften zerstört werden. Das Potenzial der Windkraft beträgt laut der gleichen Studie gerade mal 3 Prozent des Stromverbrauchs. Das Potenzial der Kleinwasserkraft wurde in dieser Studie nicht untersucht. Die Axpo schätzt es auf nur etwa 2 Prozent.

Windkraft und Kleinwasserkraftwerke bergen aber grosse Gefahren für die Natur. Solche Anlagen sollen deshalb nur abseits der wertvollsten Natur­gebiete gebaut werden. In verschiedenen Bereichen wie der ­Fotovoltaik sollte der Aus­bau dafür ohne die Bremse der Kontingentierung angegangen werden.

Der Atomausstieg ist nicht in Gefahr, wenn wir in den richtigen Bereichen ausbauen. Ein klares Bekenntnis und ein Datum für den Atomausstieg würden aber für höhere Investitionssicherheit sorgen. Darüber hinaus hängt die Stromversorgung auch von der Effizienz bestehender Kraftwerke und der Stromübertragung sowie vom Verbrauch ab. Um diesen zu limitieren, haben mehrere Umweltverbände die Stromeffizienz-Initia­tive lanciert (www.birdlife.ch).

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.11.12

Nächster Artikel