Es geht um mehr als «schöner Wohnen»

Rund ein Dutzend Vorstösse aus allen politischen Lagern liegt vor, um die Wohnungsnot in Basel zu bekämpfen. Ein überzeugendes Konzept wurde bislang nicht gefunden – und finanzschwache Wohnungssuchende drohen in der Diskussion ganz vergessen zu gehen.

Der Streit um Konzepte und Formulierungen ist symptomatisch für die hiesige Wohnungsdebatte: Basel tut sich schwer mit mehrheitsfähigen Strategien gegen die Wohnungsnot. (Bild: Nils Fisch)

Rund ein Dutzend Vorstösse aus allen politischen Lagern liegt vor, um die Wohnungsnot in Basel zu bekämpfen. Ein überzeugendes Konzept wurde bislang nicht gefunden – und finanzschwache Wohnungssuchende drohen in der Diskussion ganz vergessen zu gehen.

Oft lassen sich gleiche Zahlen gegensätzlich interpretieren. Solchen Deutungsspielraum birgt etwa eine neue Umfrage der «Schweiz am Sonntag» zu den Sozialhilfekosten. Diese sind schweizweit ge­stie­gen. Ausser in Basel. Hier sollen sie 2014 sogar leicht zurückgegangen sein. 

Man kann den Kostenrückgang so deuten: Basel betreibt eine erfolgreiche Sozialpolitik. Aber auch so: Immer weniger arme Menschen finden eine zahlbare Wohnung in der Stadt und weichen deshalb in umliegende Gemeinden aus.

Das glaubt etwa Carlo Knöpfel, Professor an der Hochschule für Soziale ­Arbeit in Basel. In einem Interview mit der TagesWoche sagte er unlängst: «Die Gentrifizierung in den Städten, also die Aufwertung von Wohnvierteln wie Matthäusquartier oder Voltaplatz, bekommen die Sozialhilfeämter in den Agglomerationen zu spüren, dort steigen die Bezugsquoten.»

Wochenthema Wohnungsnot

Lesen Sie mehr über den Wohnungsmangel in Basel in unserem Dossier.

Auf unserer Redaktion zu reden gab diese Woche auch ein Mail einer Basler Seconda, die im Hochschul­bereich tätig ist. Sie kritisiert, dass genossenschaftlicher Wohnraum vor allem für privilegierte Schweizerinnen und Schweizer geschaffen werde – Migranten sowie sozial Schwächere dagegen blieben aussen vor.

Kritik von links

Es sind Bedenken, die im Zusammenhang mit der Juso- und SP-Initiative «Wohnen für alle» mehrfach aus linken Kreisen an uns getragen wurden: Zu viel sei von «Wohnbaugenossenschaften», «kreativen Start-ups» und «Kulturschaffenden» die Rede – und zu wenig von gemeinnütziger Wohnförderung.

Das ist auch der Grund, weshalb man heute beim Basler Mieterinnen- und Mieterverband (MV) nicht mehr von «Wohnungsnot», sondern von «Mietzinsnot» spricht. Man habe lange für die Etablierung des Begriffs «Wohnungsnot» gekämpft, sagt MV-Geschäftsführerin Patrizia Bernasconi, «jetzt wird damit von politischer Seite aber der Bau von teuren Wohnungen legitimiert, auch von der Regierung».

Genf machts vor

Der derzeitige Streit um Formulierungen und Konzepte ist symptomatisch für die hiesige Wohnungsnot-Debatte. Rund ein Dutzend Vorstösse aus allen politischen Lagern liegt vor. Noch immer aber fehlt eine schlüssige und mehrheitsfähige Strategie gegen den akuten Mangel an Wohnungen.

Man könnte von Genf lernen. Auch die Calvin-Stadt platzt aus allen Nähten. Hier gaben die Stimmbürger einem Gesetz grünes Licht, das für Neubauten eine verbindliche minimale Ausnützungsziffer vorschreibt. Diese verändert sich je nach Zone: Je näher am Stadtzentrum, desto dichter wird gebaut. Es ist in klares Konzept ohne zu viel Deutungsspielraum.

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