Die absurden Verkaufsverbote in Autobahnshops werden aufgehoben. Das Ja des Volkes in dieser Stellvertreter-Abstimmung darf aber nicht als Freipass für eine weitere Aushöhlung des Arbeitsgesetzes missverstanden werden.
Das Volk hat entschieden: Die unsinnigen Sortimentseinschränkungen in Autobahnshops, die rund um die Uhr geöffnet sind, werden aufgehoben. Künftig dürfen die Shopbetreiber zwischen 1 und 5 Uhr ihr gesamtes Sortiment verkaufen – also auch Esswaren, die nicht nur vor Ort konsumiert werden können.
Die Warnungen aus linken und Gewerkschaftskreisen, dass ein Ja zur Teilrevision des Arbeitsgesetzes ein weiterer Schritt in Richtung 24-Stunden-Gesellschaft wäre und sich die Arbeitsbedingungen für die Angestellten verschlechtern würden, haben eine klare Mehrheit der Abstimmenden nicht überzeugt.
Spannend bis zum Schluss
Es ist bis ganz zum Schluss spannend geblieben. Gemäss Umfragen des GfS-Instituts im Vorfeld der Abstimmung war ein Ja, aber auch ein Nein zum «Tankstellen»-Referendum möglich.
Die Entscheidfindung war in diesem Fall ja auch nicht ganz einfach – auch für die Gegner der 24-Stunden-Gesellschaft nicht. Wer war nicht schon einmal froh darüber, nachts in einem Autobahnshop einkaufen zu können? Und umgekehrt: Wer hat sich nicht schon über die Bestimmung geärgert, dass man in den Shops ab 1 Uhr zwar ein Brötchen, aber kein Brot, einen Cervelat, aber keine Bratwurst, ein Stück warme Pizza, aber keine Tiefkühlpizza kaufen durfte?
Diese absurde Verkaufseinschränkung, von der schweizweit gerade einmal 24 Tankstellen mit 24-Stunden-Betrieb betroffen waren, war in der Tat schwer nachvollziehbar. Auch für manche betroffene Verkäufer, die nachts einen Teil des Sortiments abdecken mussten: Ihre Arbeitssituation wurde durch dieses Verkaufsverbot weder verbessert noch verschlechtert.
Es ging um Grundsätzliches
Manchen Stimmberechtigten ging es heute aber um mehr als um Bratwürste und Cervelats. Abgestimmt wurde über grössere, grundsätzliche Fragen: Soll die Liberalisierung in alle Lebensbereiche vorangetrieben werden? Müssen wir wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit alles bekommen? Oder müssen im Sinne einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung nicht hie und da auch Grenzen gesetzt werden?
Seit Jahren werden die Arbeitszeitregelungen kontinuierlich aufgeweicht.
Und es ging um ein grundsätzliches Unbehagen vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Seit Jahren werden die Arbeitszeitregelungen kontinuierlich aufgeweicht. Immer mehr Leute arbeiten auch abends und an Wochenenden, und der Anteil jener, die regelmässig Nachtarbeit leisten müssen, ist in den vergangenen 20 Jahren um rund 50 Prozent gewachsen.
Zu Recht befürchten viele der rund 370’000 Detailhandelsangestellten, dass sich sich ihre Arbeitsbedingungen künftig noch mehr verschlechtern könnten. Noch während des Abstimmungskampfes sind parlamentarische Vorstösse eingereicht worden, die die Ladenöffnungszeiten noch weiter ausdehnen wollen.
Ärgerliche Salamitaktik
So fordert etwa der Tessiner CVP-Ständerat Filippo Lombardi eine Teilharmonisierung im Schweizer Detailhandel: Läden sollen künftig werktags bis 20 Uhr und samstags bis 19 Uhr geöffnet haben dürfen. FDP-Ständerat Fabio Abate setzt sich für möglichst einheitliche und gästefreundliche Öffnungszeiten in Tourismusgebieten ein, und die grünliberale Nationalrätin Katharina Bertschy, fordert in einem weiteren Vorstoss, dass Läden mit einer Verkaufsfläche unter 120 Quadratmeter künftig auch in den «Randzeiten» – also nachts und an Sonntagen – Arbeitnehmende beschäftigen dürfen.
Solche Vorstösse machen misstrauisch und bringen den Liberalisierungsbefürwortern den Vorwurf der Salami-Taktik ein. Dies sollten sie auch nach dem heutigen Sieg bedenken.
Mit der Annahme der Teilrevision des Arbeitsgesetzes hat das Volk zwar Ja zur Abschaffung der grotesken Angebotsbeschränkungen in Autobahnshops gesagt. Dieses Ja darf aber nicht als Zustimmung zu einer weiteren Aushöhlung des Arbeitsgesetzes missverstanden werden.