Euro-Kurs: Jetzt nicht auch noch ein Harakiri

Die Aufhebung der Wechselkursbindung an den Euro war falsch. Ein Kommentar von Vania Alleva.

Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses soll es wieder der «Markt» richten – das ist die falsche Politik, meint Unia-Co-Präsidentin Vania Alleva. (Bild: Tom Künzli)

Die Aufhebung der Wechselkursbindung an den Euro war falsch. Es braucht mehr Investitionen, mehr Konjunkturförderung, mehr Kaufkraft für alle. Nur so kommt die Schweizer Wirtschaft aus der Aufwertungsfalle heraus.

Für den Entscheid der Nationalbank, die Wechselkursbindung an den Euro aufzuheben, gibt es nur eine zutreffende Beschreibung: bedingungslose Kapitulation. Der Entscheid kam nicht nur überraschend, sondern vor allem auch ohne Not, ohne überzeugende Begründung, zum falschen Zeitpunkt und ohne Aussicht auf eine wirksame Alternative. Er ist falsch und muss rasch korrigiert werden.

Dabei hat die Schweizer Wirtschaft mit einem politisch stabilisierten Wechselkurs immer sehr gute Erfahrungen gemacht – in den letzten drei Jahren ebenso wie vor der Einführung des Euro. Aber was nicht zur reinen Lehre der neoliberalen Orthodoxie passt, darf offenbar nicht sein.

Jetzt soll es also wieder der «Markt» richten. Zu was dieser – beziehungsweise die Devisenspekulanten, welche auf einen immer stärker überbewerteten Franken wetten – fähig ist, wenn man ihm frei Bahn lässt, davon haben wir in den letzten Tagen einen Vorgeschmack bekommen.

Neoliberale Krisenkonzepte

Aber es kann noch schlimmer kommen. Dann nämlich, wenn Politik und Wirtschaft jetzt auch noch zu neoliberalen Krisenrezepten greifen, um die von der neoliberalen Orthodoxie mutwillig herbeigeführte Notsituation in den Griff zu bekommen. Das wäre – nach der Kapitulation – das Harakiri.

Kosten und Steuern senken, Löhne drücken, deregulieren, den Gürtel enger schnallen – Arbeitgebervertreter und, besonders bedenklich, der zuständige Bundesrat überbieten sich zurzeit mit billigen Scheinlösungen, die alle eines gemeinsam haben: Sie wälzen die Kosten des Wechselkursentscheides auf die Arbeitnehmenden ab und treiben die Schweizer Wirtschaft damit noch näher an den Rezessionsabgrund. 

Eurolöhne für Grenzgänger sind nicht nur diskriminierend und würden zu zwei Klassen von Arbeitnehmenden führen. Sie würden den Rückgriff auf die «billigeren» Arbeitskräfte fördern und den Arbeitsmarkt zuungunsten der «Inländer» verzerren. Das würde den sozialen Zusammenhalt im Land gefährden. Flächendeckende Lohnsenkungen, die einige in den besonders betroffenen Branchen Exportindustrie und Tourismus bereits fordern, würden die Binnennachfrage dämpfen – jene Nachfrage, die  entscheidend dafür gesorgt hat, dass die Schweiz die letzte Krise erfolgreich überstanden hat.

Kostensenkungen, Lohnzurückhaltung und Sparprogramme – davon hatten wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits genug.

Entscheidend sind jetzt die gesamtwirtschaftlichen Weichenstellungen. Kostensenkungen, Lohnzurückhaltung und Sparprogramme – davon hatten wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits genug. Noch mehr davon würde den Aufwertungs- und Deflationsdruck nur weiter verstärken.

Jetzt brauchen wir eine Wirtschaftspolitik, welche das Steuer entschieden herumreisst: mehr Investitionen, mehr Konjunkturförderung, mehr Kaufkraft für alle. Nur so kommt die Schweizer Wirtschaft aus der Aufwertungsfalle heraus und auf einen nachhaltigen Wachstumspfad, der etwas weniger vom Auf und Ab der internationalen Märkte abhängig ist.

Die gravierenden Folgen des Wechselkursschocks für Tourismus und Exportindustrie lassen sich damit allerdings nicht auffangen. Hier braucht es spezielle Stützungsmassnahmen, um drohende Massenentlassungen zu verhindern.

Die Stichworte sind: Grosszügigere Entschädigungen bei Kurzarbeit, Innovationsförderung und gezielte Konjunkturprogramme. Am Allerwichtigsten aber ist: Die Nationalbank muss wieder ihrem Auftrag nachkommen und den Franken wirksam gegen die Finanzspekulation schützen. Sonst bleiben alle Krisenmassnahmen blosse «Pflästerlipolitik».

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